Die Herbst-Exkursion der Arbeitsgemeinschaft in die Senne fand Anfang September 2016 bei besten äußeren Bedingungen statt. In spätsommerlicher Hitze am Tag und warmen Nächten kamen alle Teilnehmer auf ihre Kosten.
Die Senne in Südwestfalen ist mit knapp 250 Quadratkilometern Ausdehnung das größte zusammenhängende Heidegebiet in Nordrhein-Westfalen. Die mageren Sandböden in Verbindung mit der Nutzung als Truppenübungsplatz haben hier ein Biotopspektrum erhalten, das an die nährstoffarmen und an Rohboden reichen Zeiten erinnert, die in den meisten mitteleuropäischen Landschaften schon viele Jahrzehnte zurückliegen. Das einzigartige Artenspektrum dieser Lebensräume lockte denn auch ein kleines, aber entschlossenes Trüppchen von Mitgliedern an, das unter kundiger Führung von Dieter Robrecht verschiedene Heideflächen rund um das „NSG Moosheide“ südlich von Stukenbrock und den Westhang des Teutoburger Waldes bei Oerlinghausen erkundete.
Bereits die erste kurze Nachmittagsexkursion in eine kleine Sandheide-Fläche in der Nähe von Stukenbrock-Senne förderte zwei hochgradig spezialisierte Arten zu Tage, die in der Roten Liste für den Naturraum Westfälische Bucht als „vom Aussterben bedroht“ geführt werden.
Catoptria lythargyrella (HÜBNER, [1796]) lebt nach PÄHLER & DUDLER (2010) „Vereinzelt, manchmal nicht selten auf Sandmager- und Sandtrockenrasen, in grasigen Heiden….. Nur an dürftigen, schütter bewachsenen Xerotherm-Standorten. In der Senne an eng begrenzten Standorten…….“ Die Falter sind leicht mit den dunklen Formen von Crambus perlella – Weißer Graszünsler zu verwechseln, so dass Falter per Foto schwer bestimmt werden können.
Die seltene Rostbinde Hipparchia semele (LINNAEUS, 1758) ist wie C. lythargyrella auf die wenigen noch vorhandenen trocken-sandigen Heidegebiete zurückgedrängt worden, auch diese Art lebt als Raupe an Gräsern. Das Abkäschern der blühenden Besenheide förderte zudem einige Raupen des Heidekrauteulchens Anarta myrtilli (LINNAEUS, 1761) zu Tage.
Eine kleine Überraschung brachte der spätere Nachmittag: In einer Pheromonfalle fing sich ein Männchen des Wespen-Glasflüglers Synanthedon vespiformis (LINNAEUS, 1761), jahreszeitlich weit außerhalb der Hauptflugzeit der Art im Juli.
Der eigentliche Höhepunkt des ersten Exkursionstages aber war der Lichtfang am Abend: Mit der geballten Power von sechs Leuchtanlagen offenbarten sich faunistische Schätze wie Rollflügel-Holzeule Xylena solidaginis (HÜBNER, [1800-1803]) und Ginsterheiden-Bodeneule Xestia castanea (ESPER, 1798). Die letztere war mit geschätzten 80! Faltern an Licht, Köderschnüren und vor allem an den Heideblüten geradezu massenhaft unterwegs. Dazu hier mal der Original-Kommentar von Frank Rosenbauer, der schon viele Nächte mit der Taschenlampe auf Truppenübungsplätzen unterwegs war:
„Die Häufigkeit der am Freitag an den Heideblüten gefundenen Faltern hing natürlich sehr eng mit dem schwülwarmen Wetter zusammen, was die Falter zur hohen Aktivität stimulierte. Da haben wir einfach Glück gehabt. In kühlen Nächten sieht man wesentlich weniger Individuen an den Blüten sitzen. Die mit Abstand beste und erfolgreichste Methode zum quantitativen Nachweis der Heidefalter (die in der Regel allesamt schlechte Lichtflieger sind und Aufgrund der konkurrierenden blühenden Heide wenig an den Rotweinköder gehen) ist das nächtliche Abkeschern der Calluna-Bestände im April und Mai, am besten bei leichtem Sprühregen bzw. hoher Luftfeuchtigkeit. Bei kühler Trockenheit kommen viele Raupen nicht hoch zum Fressen. Ähnliches gilt vermutlich für solidaginis an Heidelbeere.
Der Samstag-Vormittag war – auch Nachtfalter-Freaks müssen mal ausschlafen – der Erholung und Nachbereitung gewidmet, hier bestand ausgiebig Gelegenheit zum Fachsimpeln, und der eine oder andere Falter bekam noch einen Termin beim Fotografen.
Das Nachmittag- und Abendprogramm bestand aus Vorexkursion und Lichtfang in die Sandgrube Hasler in Oerlinghausen am Aufstieg zum Kamm des Teutoburger Waldes. An dieser auch geologisch interessanten Stelle kommen Kalk im Untergrund und Sand als dicke Auflage zusammen, in der Betriebsfläche stoßen trockene Besenheide-Flächen und Sandmagerrasen aufeinander und bilden einen für Insekten wie Entomologen höchst interessanten Lebensraum.
Geleuchtet wurde bis Mitternacht, nach zögerlichem Start hatten die Falter dann doch noch ein Einsehen mit den standfesten Exkursionsteilnehmern.
Und so standen am Ende doch mehr als 50 Großschmetterlingsarten auf den verschiedenen Listen, darunter wiederum Xestia castanea, die seltene Chi-Eule Antitype chi (LINNAEUS, 1758) und die in der Senne häufige Kiefernsaateule Agrotis vestigialis (HUFNAGEL, 1766). Hinzu kamen ein paar interessante „Mikros“ wie die an Heidekraut und Thymian lebende Pempelia palumbella ([DENIS & SCHIFFERMÜLLER], 1775).
Das Timing stimmte, am Sonntag vormittag setzte der in Ostwestfalen lange erwartete Regen ein, und die Rheinländer schwammen über die Autobahn nach Hause. Das Fazit einer dreitägigen Kurzexkursion fiel bei allen Beteiligten positiv aus: Die Organisation durch die Westfalen klappte wie am Schnürchen, die „Westfälische Wüste“ hatte einen Teil ihrer Schätze offenbart, und so kommen wir in den nächsten Jahren gerne wieder vorbei!
Literatur: Pähler R. & H. Dudler (210): Die Schmetterlingsfauna von Ostwestfalen-Lippe und angrenzender Gebiete in Nordhessen und Südniedersachsen. Band 1, 608 S., 793 Farbfotos, 208 Verbreitungskarten
Hallo Armin,
wieder ein sehr informativer Bericht über eine gemeinsame Exkursion einiger Vereinsmitglieder!
Bleibt noch meine „Notoperation“ zu erwähnen. Wer hat dieses ungute Gefühl nicht schon einmal erlebt, wenn ein Falter vor dem Trommelfell sitzt und bis in die frühen Morgenstunden so langsam vor sich hin stirbt. Dass aber eine „fette“ Noctua pronuba in deinen Gehörgang passt, machte uns beide sprachlos.
Ich würde mich freuen, wenn wir uns im nächsten Jahr wieder zu einer gemeinsamen Exkursion im großartigen Naturraum Senne treffen könnten.