Das Geschäft mit der Buchsbaumzünsler-Angst

Der Gartenhandel verkauft aktuell in großem Stil Buchsbaumzünsler-Pheromone und die dazu gehörenden Fallen – mit irreführender Werbung und zu Mondpreisen.

Sorgenfrei für 39,95: So verdient man Geld mit Unkenntnis. (Foto: Laußmann)

Sorgenfrei für 39,99: So verdient man Geld mit Unkenntnis. (Foto: Laußmann)

„Meine Buchsbäume sind NATÜRLICH zünslerfrei – und das eine ganze Saison lang“: Der große Werbe-Aufsteller in der Baumarktkette OBI verspricht einen sorgenfreien Sommer im Liegestuhl. Das Hintergrundbild zeigt einen Garten wie wir ihn aus vielen Städten kennen, ein teutonisch aufgeräumtes Stück Langeweile, einzige erkennbare Pflanzenart: eine mit der Heckenschere auf Maß getrimmte Buchsbaumhecke.

Man könnte meinen ein jeder bekommt den Garten den er verdient, von Natur ist auf dem Bild sowieso wenig zu erkennen. Wenn da nicht noch der Preis für´s Gartenglück wäre: Stolze 39,99 € verlangt der Gartenhandel für eine Plastikfalle und ein Pheromonpräparat! Das ist nicht nur ärgerliche Beutelschneiderei, gemeinhin auch als Nepp bezeichnet: Auch das Versprechen selbst ist falsch, Lockstoffe als Bekämpfungsmethode für Buchsbaumzünsler funktionieren nicht. Es handelt sich also um irreführende Werbung.

Wer sich mit Schmetterlingen beschäftigt, der weiss dass die Weibchen meist schon kurz nach dem Schlüpfen von den Männchen befruchtet werden und danach ungestört ihre Eier an die Nahrungspflanzen legen können. Der Lock-Duft der Damen ist dabei immer wesentlich attraktiver als ein technisch hergestellte Präparat, weshalb man nur selten überhaupt ein unbefruchtetes Weibchen zu Gesicht bekommt.
Die von Firmen wie Pherobank oder Csalomon angebotenen Stoffe locken jedoch bekanntlich ausschließlich die Männchen an, die Weibchen entgehen der Nachstellung. Zudem ist ausgerechnet Cydalima perspectalis, der Buchsbaumzünsler, sehr mobil und taucht regelmäßig auch weitab von Siedlungen auf. Zünslerfreie Gärten gibt es also keineswegs. Ist die Art in einer Region angekommen hält sie sich dort hartnäckig, im Siedlungsbereich finden sich immer ausreichend Pflanzen in Kleingartenanlagen und auf Friedhöfen, auf denen der Zünsler zwei oder drei Generationszyklen im Jahr durchlaufen kann.

Und was den Nepp betrifft: Wer die Preise für Pheromone und Fallen kennt, der weiß: eine handelsübliche Falle ist mit Präparat für etwas mehr als 10 Euro zzgl. MwSt. zu erhalten, und dabei macht der Hersteller schon Gewinn. Knapp 40 Euro bedeutet also einen Aufschlag um 300 Prozent – ein gutes Geschäft mit der Angst der Gartenbesitzer.

Wer heute in den Baumarkt geht und sich eine Buchsbaumkugel oder eine Palette Pflanzen für eine Buchsbaumhecke kauft, der wirft sein Geld zum Fenster hinaus! Der Buchsbaumzünsler breitet sich weiter rasant aus, alle Maßnahmen zur Bekämpfung haben sich bisher als mehr oder weniger sinnlos erwiesen.

(Z)-Hexadec-11-enal: Der Lockstoff für den Zünsler

(Z)-Hexadec-11-enal: Der Lockstoff für den Zünsler ist ein ziemlich simpler Kohlenwasserstoff

Wer den Buchsbaum schon im Garten hat, der kann sich darauf einrichten, dass Giftdusche, Pheromone, Behandlung mit Hochdruckreiniger oder das Absammeln der Raupen von Hand die Tiere mittelfristig nicht aufhalten. Die frühen Stadien entgehen der Bekämpfung durch ihre versteckte Lebensweise im Inneren der Büsche, das letzte Raupenstadium braucht nur ein paar Tage bis zur Verpuppung und richtet in dieser Zeit den Hauptschaden an.

Nach wie vor gelten die Empfehlungen aus dem lepiforum: „Wer seine wenigen Buchsbäume im Garten jede Woche einmal systematisch besammelt, wird diese Bäume auch längerfristig erhalten können. Nur wenn das Absammeln wegen einer großen Zahl von Buchspflanzen unmöglich wird, sollte überhaupt eine chemische Bekämpfung in Betracht gezogen werden – dann aber sollte hier ein Fachbetrieb beauftragt werden.“ Und weiter: „Ausdrücklich gewarnt werden soll hier vor dem Einsatz von Thiacloprid, einem Neonicotinoid, das unter dem häufigsten Handelsnamen „Calypso“ tausendfach in Gartenforen etc. zum Einsatz gegen die Raupen des Buchsbaumzünslers empfohlen wurde.

Buchsbaum mit Zünslerbefall, Solingen, September 2016 (Foto: Armin Dahl)

Die europäische Ausbreitungsgeschichte, das Schadpotential von Cydalima perspectalis und die Möglichkeiten einer Bekämpfung der Art finden sich unter
http://lepiforum.de/lepiwiki.pl?Cydalima_Perspectalis. Der Buchsbaumzünsler ist momentan fester Bestandteil der heimischen Fauna und tritt zumindest im Rheinland in hohen Stückzahlen und mehreren Generationen an einer Zierpflanze auf, die hauptsächlich zu Dekorationszwecken benutzt wird. Wer seinen Geldbeutel und seine Nerven schonen will sollte sich andere immergrüne Zwerggehölze zulegen, wenn es denn überhaupt sein muss: Zwerg-Eiben, kleinblättrige Liguster-Arten und anderes Grünzeug ergibt ähnliche Formen. Und für die Einfassung des Bauerngartens kann man Lavendel, Ysop oder andere Kleinsträucher pflanzen und bietet zudem noch Nektar und Pollen für Bienen und Schmetterlinge an.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Naturschutz veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

7 Antworten zu Das Geschäft mit der Buchsbaumzünsler-Angst

  1. Jürgen Möschel sagt:

    Leider hat sich der Buchsbaumzünsler bei uns noch nicht breit gemacht und ich habe bei jedem gefällten Buchsbaum in unserem Garten Diskussionen mit meiner Frau. Auch Kirschloorbeer- und Thujazünsler sind mir willkommen.
    Gruß
    Jürgen

  2. Matthias Nuß sagt:

    Richtig, in die Pheromonfalle gehen nur die Männchen und das heißt, dass zu diesem Zeitpunkt die Raupen ihre Fraßaktivität bereits abgeschlossen haben! Im Freiland können Pheromonfallen bestenfalls zur zeitlichen Ermittlung des Falterfluges eingesetzt werden, aber schon zur Abschätzung der Populationsgröße sollte mindestens eine zweite Methode (Lichtfalle, Larvenbestaz) hinzugezogen werden. Lediglich bei Wicklern im Obst- und Weinbau gibt es Erfolge mit der Verwirrmethode, bei der jedoch auf der Fläche verteilt viele Pheromondispenser ausgebracht werden.

  3. Bernd-Otto Bennedsen sagt:

    Auch wenn unsere Stadt (QLB) noch nicht die Buchsen voll hat, habe ich diesen sehr gelungenen Artikel schon mal als Vorspeise rein gezogen (wird ja alles noch kommen).

    Sehr klar geschrieben – alles Wesentliche dabei – ohne große Umwege auf den Punkt (auch das Sahnehäubchen aus Neuss nicht vergessen).

  4. P. Stüben sagt:

    Prima, Volltreffer, dass ist engagierte Entomologie, die weit über ein l’art pour l’art, ein „Sammeln um seiner Selbstwillen“ hinausgeht. So was schafft heute neue Orientierung in den (allerorten sterbenen) entomologischen Vereinen. In solchen Vereinen wird man gerne Mitglied!

    Gruß
    Peter

Kommentare sind geschlossen.