Mittelrhein: Steil, heiß und reich an Faltern

Nach dem tollen Ergebnis der Vereins-Exkursion im Jahr 2015 fand auch Anfang Juli 2017 wieder eine Exkursion der Arbeitsgemeinschaft ins Mittelrheintal statt.  Das Gebiet rund um die Loreley ist nicht nur Weltkulturerbe, sondern gleichzeitig eine der wärmsten Regionen Deutschlands, und deshalb schon seit Anbeginn der Entomologie eine Pilgerstätte für die Liebhaber wärmeliebender Insektenarten. Ein kurzer Bericht aus dem Reich des Segelfalters.

Unvergessen für die Teilnehmer bleibt die 2015er Exkursion in die Dörscheider Heide und die dort herrschenden Temperaturen: Wir hatten uns ausgerechnet den bisher heißesten Tag des Jahrhunderts herausgesucht und es herrschten deutlich über 40°C. Auch am 7./8./9. Juli 2017 knackte das Thermometer wieder locker die 30°-Marke. In der Nacht zuvor hatte es stundenlang stark geregnet, die Falter hatten anscheinend länger auf die Feuchtigkeit gewartet, und so startete der Freitagnachmittag verheißungsvoll mit frisch geschlüpften Segelfaltern (Iphiclides podalirius), Heide-Grünwidderchen (Rhagades pruni) und Schillerfalter, direkt unterhalb des traditionellen „Exkursions-Hauptquartiers“ im Landgasthaus Blücher in Dörscheid.

Der Pflegezustand der berühmten Dörscheider Heide ließ dabei einige Fragen offen, das gesamte Gelände war von Schafen und Ziegen komplett heruntergefressen und praktisch frei von Blüten, Altgras und anderen für Falter attraktiven Strukturen. Auf dem verbliebenen, von den Weidetieren verschmähten „Grünzeug“ dann aber als Überraschung eine weitere Spitzenart: Wolfsmilchschwärmer-Raupen sind auch im Mittelrhein eine Rarität!

Der Lichtfang in den Weinbergsbrachen auf dem Rheinsteig unterhalb der Heide artete dann regelrecht in Arbeit aus: Trotz des strahlenden Vollmondes war der Anflug an die Lampen gewaltig, das Spektrum mit Spitzenarten wie Cyclophora lennigiaria, Catocala fulminea und der Südlichen Felsflur-Erdeule Dichagyris candelisequa ([DENIS & SCHIFFERMÜLLER], 1775) erfüllte alle Erwartungen.

Die Tagesexkursion am Samstag führte die Teilnehmer dann vom Eisenbanhtunnel unterhalb des Loreleyfelsens steil hinauf durch Weinbergsbrachen, Obstwiesen und lichten Wald zum Spitznack, einer Felsformation mit toller Aussicht auf das Mittelrheintal bei Oberwesel. Hier kamen die Tagfalterspezialisten auf ihre Kosten, neben zahlreichen Segelfaltern war unter anderem der Dickkopffalter Thymelicus actaeon und die zweite Generation des Magerrasen-Perlmuttfalters Boloria dia unterwegs. Und auch fürs leibliche Wohl war gesorgt: Die Rheinsteig-Rast Leiselfeld, ein Aussiedlerhof der Gemeinde Bornich, bot Gelegenheit zur Erfrischung und Erholung.

Angestachelt von der herrlichen Aussicht und den tollen Felsformationen wurde der zweite Lichtfang spontan auf den Spitznack verlegt. Und auch diese tolle Vollmondnacht wird den Teilnehmern lange im Gedächtnis bleiben: Zum einen wegen der phantastischen Aussicht über das Tal: Durch die zahlreichen Leuchtanlagen machte der Spitznack zeitweilig den Eindruck von „Rhein in Flammen“. Wenn auch die Artenliste afgrund der hohen Teilnehmerzahl noch nicht komplett zusammengestellt ist, deutlich über 100 Großschmetterlingsarten waren es auf jeden Fall: Gnophos furvata ([DENIS & SCHIFFERMÜLLER], 1775) – Großer Steinspanner, Sphinx ligustri L. – Ligusterschwärmer, Gastropacha quercifolia (LINNAEUS, 1758) – Kupferglucke – auch an diesem Abend gab es reichlich seltenes „Großwild“ zu bestaunen. Den faunistische Höhepunkt der Exkursion bildete jedch ein Eulenfalter: Die Bunte Ligustereule Polyphaenis sericata (ESPER, 1787) begeisterte in mindestens  neun Exemplaren die Teilnehmer des Leuchtabends. Und damit schließt sich der Kreis: P. sericata ist aus dem Mittelrhein / Lahngebiet seit mehr als 150 Jahren bekannt, schon bei RÖSSLER (1881) finden sich Angaben aus Bingen, Wiesbaden und Diez / Lahn, und FUCHS (1889) fand „ein Stück in Bornich (Loreley-Gebiet)“.

Auch wenn man an einem einzigen Wochenende das Gebiet nur kursorisch erfassen kann: Die Königsetappe des Rheinsteigs zwischen Kaub und St. Goarshausen mit ihren Naturschutzgebieten Spitznack und Dörscheider Heide ist auch faunistisch ein Leckerbissen von höchster Qualität, und die Planung für die Exkursion im kommenden Jahr läuft bereits!


Nachtrag von Brigitte Schmälter, vom 15. Juli 2017
Was für ein Glück, Armin, dass Martine ihr Notizbuch verloren hatte! Und noch viel mehr Glück, dass die Wirtsleute vom Leiselfeld schon auf uns warteten, weil sie es frühmorgens gefunden hatten. Denn so konnten wir ganz entspannt noch einmal dort spazieren gehen, wohin wir nach der langen und „personalstarken“ Tagesexkursion des Vortages sonst nicht noch einmal gefahren wären. Und dann hätten wir Zygaena carniolica (SCOPOLI, 1763) verpasst! Von mir als „da ist noch ein Widderchen“ erblickt, von Martine verhaftet und für Fotos festgehalten (für den roten Ring am Leib und die Hinterflügel) und nachher sehr genau betrachtet, wurde es von Daniel Bartsch im Lepiforum als Zygaena carniolica bestätigt (http://www.lepiforum.de/1_forum_2016.pl?md=read;id=52704). In Insectis online der Rheinland-Pfälzer gibt es überhaupt keinen Nachweis zwischen Bonn und Bingen, und in unserem nur zwei von 1902 und 1964.“

Zygaena carniolica, Bornich, Leiselfeld, 9. Juli 2017 (Foto: Brigitte Schmälter)


LITERATUR
FUCHS, A. (1889): Lepidopterologische Beobachtungen aus dem unteren Rheingau. Erster Artikel. 91 Jahrb. Nass. Ver. Naturkd., 42: 191-224, Wiesbaden
RÖSSLER, A. (1881): Die Schuppenflügler (Lepidopteren) des Kgl. Regierungsbezirks Wiesbaden und ihre Entwicklungsgeschichte. Jahrb. Nass. Ver. Naturkd., 33/34: 1-392, Wiesbaden
STAMM, K. (1981): Prodromus der Lepidopteren-Fauna der Rheinlande und Westfalens. Selbstverlag, 229 S., Solingen

UFZ-Bestimmungsschlüssel für Widderchen: http://www.ufz.de/export/data/6/122268_Widderchen_Bestimmung.pdf

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4 Antworten zu Mittelrhein: Steil, heiß und reich an Faltern

  1. Mike B. sagt:

    Hallo ihr Lieben,
    danke für den tollen Artikel! Ein neuer Stammleser ist dazu gekommen.

    viele Grüße, Mike

  2. Rolf Mörtter sagt:

    Schöner Bericht von Eurer erfolgreichen Exkursion. Leider konnte ich diesmal nicht dabeisein. C. fulminea scheint ein gutes Jahr zu haben, ich hatte hier dieses Jahr 4 Stück und auch sericata ist gut vertreten.

  3. Vielen Dank für den schönen Beitrag! Freue mich schon auf weitere solche Berichte 🙂

  4. Karl-Heinz Jelinek sagt:

    Da kann ich auf meiner Nordlandreise nur neidisch werden!

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