Lost in Luzerne – Exkursion zur Goldenen Acht

Quadratkilometer große, ausgeräumte Felder, künstlich aufgeschüttet aus dem Oberboden des Braunkohle-Tagebaus. Der Horizont dominiert von Gr0ßkraftwerken und Windparks: Einige Schmetterlingsarten vermehren sich auch in politisch völlig unkorrekten Landschaften prächtig. 

Eine Exkursion in ein politisches Minenfeld, zwei Wochen vor der Bundestagswahl? Der eine oder andere Naturschutz-Aktivist runzelte bedenklich die Stirne, beim Titel „Ein Paradies für den Schmetterling des Jahres – der Tagebau Garzweiler“. Aber die Lebenszyklen der Falter kümmern sich wenig um Wahlperioden,  Entomologen zumeist auch nicht, und so fand die Exkursion der Arbeitsgemeinschaft am Sonntag, 10. September 2017 guten Zulauf.

Exkursion der Rh.-Westf.Lepidopterologen am „Skywalk“ in Jackerath, 10. September 2017 (Foto: Armin Dahl)

Mitte September ist die Flugzeit der meisten Tagfalterarten vorbei, mit wenigen Ausnahmen. Eine davon ist die Goldene Acht (Colias hyale), die zwei Generationsfolgen im Jahreslauf durchmacht, die Herbst-Generation ist dabei erheblich individiuenreicher. Der Falter vermehrt sich vor allem in Rotklee- und Luzernefeldern, und die sind durch die  ertragsmaximierte Landwirtschaft selten geworden. Die Exkursion zum „Schmetterling des Jahres 2017“ führte deshalb in eine sehr spezielle „Landschaft“, in der es jedoch noch reichlich Luzernefelder gibt: Die Königshovener Höhe zwischen Bedburg und dem Braunkohle-Tagebau Garzweiler.

Strahlendes Wetter nach Dauerregen am Vortag, so muss es sein, wenn die Exkursion von einem Wetter- und Klimaexperten angeführt wird:  Knapp 20 Teilnehmer blinzelten am „Skywalk“ in Jackerath in die Sonne, hier hatte Organisator Karl-Heinz Jelinek den Treffpunkt angesetzt. Nach einem Blick ins Tagebau-Loch und auf die an der sonnigen Hangkante fliegenden Tagfalter ging es per Auto weiter mitten in den Windpark auf der Königshovener Höhe, ins Zielgebiet der Exkursion.

„Flurbereinigung  – hier investiert Europa in die ländlichen Gebiete“. Eine riesige Infotafel inmitten von noch größeren Feldschlägen, dazu ein paar Windräder als Strukturelemente, hier soll der Schmetterling des Jahres leben? 

Wer mit einem strukturreichen, bunten Halbtrockenrasen – eben einem typischen Schmetterlings-Biotop – gerechnet hatte, der musste hier erst einmal tief durchatmen. Zur Beruhigung bekamen die Exkursionsteilnehmer eine kurze Einführung in die Bedeutung von Offenland-Biotopen serviert, vorgetragen vom Lokalmatador Professor Werner Kunz, den meisten Teilnehmern schon bekannt durch seine kritische Einstellung zum gängigen Habitatmanagement.

Und kaum hatte sich die Exkursion in Bewegung gesetzt, die Temperaturen etwa bei 15°C, die tönte es schon „Da fliegt einer“ – „Und da noch einer“ – „Und guck mal da hinten, da sind ja ganz viele“: Colias hyale satt, dazwischen Mengen an Tagpfauenaugen, ein paar Bläulinge, Gitterspanner, Gamma-Eulen…

Jetzt war die Truppe halbwegs elektrisiert und verteilte sich in den Luzernefeldern, wo es überall gelb herausblinkte und flatterte. Gleich zu Beginn zeigte sich auch noch ein fotogener Schwalbenschwanz (Papilio machaon), Teil der dritten Generation dieser Art. Überhaupt kamen die Fotografen auf ihre Kosten: Bei vergleichsweise niedrigen Temperaturen konnte jeder die Falter aus nächster Nähe studieren und ablichten, ob das jetzt icarus-Bläulinge oder die letzten Raupen des Distelfalters (Vanessa cardui) waren.

Auch die Ornithologen machten zufriedene Gesichter: Die Felder der Königshovener Höhe sind gute Plätze um den Vogelzug zu beobachten, Wiesenpieper, Schafstelzen und Steinschmätzer als typische September-Durchzügler waren zu sehen.

Nach zweieinhalb  Stunden und einem quadratisch-praktischen Spaziergang um einen riesigen Luzerneschlag hatten sich die Teilnehmer an der Goldenen Acht satt gesehen, das Problemfeld Landwirtschaft und Schmetterlinge ausgiebig diskutiert, und die Exkursion löste sich auf. Wer Lust hatte verteilte sich noch in der Region, hier gibt es noch reichlich gute „normale“ Biotope, mit Mauerfuchs (Parage megera), Kleinem Heufalter (Coenonympha pamphilus) und Sechsfleck-Widderchen (Zygaena filipendulae).

Fazit: Die „Goldene Acht“ ist in Mittel- und Osteuropa auf dem Rückzug, obwohl sie als Wanderfalter nicht selten mehrere hundert Kilometer zurücklegt. Die als Raupen überwinternden Falter können nur dort bodenständig sein, wo ausreichend Futterpflanzen und Winterverstecke für die Raupen vorhanden sind. Und derartige Flächen sind für den  ehemals „Gemeinen Heufalter“ in der heute als „normal“ bezeichneten Agrarlandschaft kaum mehr vorhanden. Auf den Rekultivierungsflächen im Rheinischen Brankohlerevier liegt jedoch momentan noch ein Paradies für die „Goldene Acht“.

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8 Antworten zu Lost in Luzerne – Exkursion zur Goldenen Acht

  1. Pingback: „Goldene Acht“ ist Schmetterling des Jahres 2017 | Melanargia

  2. Frank Rosenbauer sagt:

    Lieber Karl-Heinz,
    das finde ich natürlich gut! Allerdings vermute ich, dass bei deiner Exkursion die sowieso schon überzeugten anwesend waren. Wie so oft ist es leider schwer bis unmöglich bei diesem Thema die Massen zu erreichen, um dadurch letztlich die politischen Entscheidungsträger zum Umdenken zu zwingen. Trotzdem freue ich mich natürlich über jede hyale am Tagebau und hoffe, dass sie dort noch lange erhalten bleiben.

    • Karl-Heinz Jelinek sagt:

      Lieber Frank,
      die Massen erreicht man zwar nicht, aber es waren doch einige Teilnehmer da, die nicht zu den Insidern gehörten. Aber auch die Überzeugten brauchen ein derartiges Gemeinschaftserlebnis!

  3. Frank Rosenbauer sagt:

    Liebe Kollegen,
    auch (oder: vor allem) in Ostdeutschland (Ober- und Niederlausitz) ist es hauptsächlich die Tagebaufolgevegetation, die dort das Spektrum an seltenen Offenlandarten erhält. Die ehemaligen Truppenübungsplätze wachsen langsam zu und somit weichen die Arten an die Tagebauränder ab, wo sie (noch) geeignete Bedingungen vorfinden. Allerdings darf man nicht vergessen, dass den Tagebauten auch so mancher gute Lebensraum (Moore, Sandheiden) weichen musste. Alles in allem also ein zweischneidiges Schwert…

    • Karl-Heinz Jelinek sagt:

      In Garzweiler mussten nur Äcker weichen. Diese werden bald wiederhergestellt sein und damit der Übergang dieser Flächen in die Normal-Landschaft, ohne Schmetterlinge. Ziel unserer Exkursion war allerdings, den Leuten klarzumachen, dass es die mageren Böden sind, die die Schmetterlinge brauchen. Da sehe ich kein zweischneidiges Schwert, sondern die Chance für Aufklärung. Es geht ja nicht darum, Werbung für Tagebaue zu machen, sondern die Existenz dieser Flächen für eine Diskussion über den Zustand unserer Landschaft zu nutzen.

  4. Armin Dahl sagt:

    Hier die dazu gehörende Literatur:
    KUNZ, W. (2002): Ein ungewöhnlich häufiges Vorkommen von Papilio machaon LINNAEUS, 1758, Colias hyale (LINNAEUS, 1758) und Pyronia tithonus (LINNAEUS, 1767) im Sommer 2001 auf den Abgrabungsflächen von Fortuna-Garsdorf bei Grevenbroich (Lep., Papilionidae, Pieridae et Satyridae).
    Melanargia, 14: 21-22, Leverkusen

    KUNZ, W. (2004): Der Braunkohle-Tagebau als Ort der Wiederansiedlung seltener Tagfalter und anderer Organismen: Was wird durch Rekultivierung zerstört?
    Entomologie heute, 16: 245-255, Düsseldorf

  5. Werner Kunz sagt:

    Herrn Jelinek ist zu danken, dass er auf die Idee gekommen, diese Exkursion durchzuführen und dabei schon im Vorfeld zu betonen, wo man hinfahren muss, um diese Rote-Liste-Art zu finden.

    Meinen ersten „Melanargia“-Artikel habe ich 2002 über hyale geschrieben. Dazu hatte mich Helmut Kinkler ermuntert, der nicht wahrhaben wollte, dass es im Tagebau von einem Falter wimmelt, den er fast schon abgeschrieben hatte. In dieser Publikation findet sich der Satz: „Die Rhein-Braun-Abgrabungsflächen im Dreieck zwischen Grevenbroich, Bergheim und Jülich haben einen solchen seltenen Biotop neu entstehen lassen, dessen Reichtum an gefährdeten Vögeln und Insekten seinesglei¬chen sucht, ganz im Gegensatz zur verbreiteten Volksmeinung von der „öden Mondlandschaft Garzweiler“.

    Werner Kunz, 11.09.17

  6. Karl-Heinz Jelinek sagt:

    Sehr schön geschrieben 🙂

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