September – Exkursion am Schlangenberg.

Zuweilen passen länger im Voraus geplante Leuchttermine mit dem tatsächlich dann einsetzenden Wetter definitiv nicht überein. Zuweilen hingegen harmonieren sie in exzellenter Weise miteinander und man staunt beinahe, was beispielsweise zum ungefähren Zeitpunkt der Tag- und Nachtgleiche noch alles möglich ist.

Zum Beispiel eben, dass ein Wetter herrscht, das noch eindeutige Anklänge an den Sommer birgt. Weshalb man nicht erst zur festgelegten Uhrzeit für den von Dr. Wolfgang Vorbrüggen organisierten Leuchtabend am Schlangenberg, bei Stolberg, im Großraum Aachen, eintrifft, sondern bereits zu Beginn des Nachmittags, wenn die Sonne herrlich wärmt – und die Herbstzeitlosen malvenfarbig leuchten lässt.

Gewiss, die meisten Blüten sind verschwunden. Aber noch immer duften dezent einige Thymian-Polster in der Sonne, hier und da blüht noch das gelbe Galmei-Veilchen, der violette Kopf von Flockenblumen lockt noch das eine oder andere Insekt. Unter den Schmetterlingen ist an diesem 21. September der Kleine Feuerfalter (Lycaena phlaeas) der häufigste Falter, meist sind seine Farben noch sehr frisch. Das Kleine Wiesenvögelchen (Coenonympha pamphilus) verhält sich viel diskreter, auch der Gemeine oder Hauchhechel-Bläuling (Polyommatus icarus) hält mehr von Ungestörtheit als von Zurschaustellung. Aber sie sind da … Und dann fliegt noch entlang der sonnigen Flanken des Schlangenbergs ein Gelbling (Colias alfacariensis). Mehr noch: eine halbe Dutzend Postillionen (Colias croceus) eilen dort und patrouillieren und wenden. Und setzten sich gegen Ende des Nachmittags an nektarspendende Blüten. Die größere Überraschung liefern die Kleinen Perlmuttfalter (Issoria lathonia). Sie sonnen sich, besuchen manchmal eine Blüte, fliegen eifrig umher auf einer kleineren Fläche, auf der noch Galmei-Veilchen blühen, ein Pärchen finden zusammen, ein Weibchen legt zwei Eier …

Wer zu Beginn des Herbstes den Schlangenberg besucht bekommt nur noch eine blasse Ahnung dessen, wie das Gebiet im Sommer aussieht: Abertausende von gelben Galmei-Veilchen überziehen dann das buckelige Gelände, rosa, violette, weiße Blumen sind dabei, und zahlreiche Schmetterlinge, die das Blütenangebot schätzen.

Einst war das Gebiet am Schlangenberg ein Abbaugebiet für Schwermetalle, wie Zink, Blei und Cadmium. Bereits die Römer gruben dort Löcher, um die seltenen Erze, darunter auch den Galmei (Sammelbegriff für verschiedene schwefelfreie Zinkerze) zu gewinnen. Bis ins 18. Jahrhundert wurde kleinräumiger Tagebau betrieben – die zahlreichen Löcher und Buckel auf dem Gelände (Abbautrichter und –halden) zeugen noch davon. Vom späteren unterirdischen Abbau in Stollen ahnt der Besucher nichts mehr; die Benutzung des Gebiets durch die Bundeswehr im 20. Jahrhundert gehört nun auch der Vergangenheit an. Verblieben sind die immer noch schwermetallhaltigen Böden, die es einer herkömmlichen Flora schwer machen, sich üppig zu entfalten. Stattdessen nehmen Spezialisten mit den giftigen Bodenverhältnissen vorlieb. Das deutschlandweit einzigartige gelbe Galmei-Veilchen (Viola lutea ssp. calaminaria), die rosa blühende Galmei-Grasnelke (Armeria maritima ssp. halleri), die weiße Frühligsmiere (Minuartia verna), das Galmei-Hellerkraut (Thlaspi calaminare) haben Techniken und Taktiken entwickelt, um die Schwermetalle entweder unschädlich zu machen oder gewinnbringend einzusetzen. Wofür bewundernde Botaniker von weither anreisen.

Wie gesagt: Von dieser sommerlichen Blütenpracht ist an diesem 21. September nicht mehr sehr viel zu sehen. Von der Anhöhe des Schlangenbergs (276 m) blickt man auf eine eher steppenähnliche Pflanzenstruktur hin. Einzelne Kiefer stehen im Gelände, nach Osten hin begrenzt das Gebiet ein Wald mit Saum aus Kiefern und Birken, davor gedeiht in einzelnen Büschen das Heidekraut (Calluna); nach Norden sind Fichten und Buchen zu erkennen. Im Übergang von Waldsaum zur Grasfläche gedeihen einzelne Sträucher (Schlehe, Rose, Brombeere…).

Die Leuchttürme zur Anlockung der Nachtfalter stellen wir am Ostrand des Geländes auf. Ein klarer Nachthimmel breitet sich aus, es kühlt zwar etwas ab, aber die Jacke wird nicht benötigt. Wo noch einzelne Bäume beiderseits des Weges stehen bilden sich erstaunlichen Wärmeinseln …

Was erwartet einen Nachtfalterfreund bei solcher Witterung in einem solchen Gelände bei dieser Jahreszeit? Natürlich einige Herbsteule wie die Bleich-Gelbeule (Cirrhia icteritia), die Violett-Gelbeule (Xanthia togata), die Rotbuchen-Gelbeule (Tiliacea aurago), die Rötliche Herbsteule (Agrochola helvola) oder die Schwarzgefleckte Herbsteule (Agrochola litura). Aber auch einzelne weniger gängige Arten, wie der Herbst-Kiefern-Nadelholzspanner (Pennithera firmata), die Graue Spätsommer-Bodeneule (Eugnorisma glareosa) – ein typisches Heidetier – oder die Graubraune Frühherbsteule (Ammoconia caecimacula), die als wärmeliebende Art gern Offenland-Biotope wie Magerrasen und südlich ausgerichtete Hänge besiedelt. Erstaunlicherweise ist an diesem Abend aber der Buchsbaumzünsler am besten vertreten, sowohl in weißen wie in dunklen Exemplaren, obgleich auf dem gesamten Schlangenberg kein einziger Buchs wächst.

Als gegen Mitternacht etwas Wind aufkommt, daraufhin der Mond sich ankündigt, haben die Nachtfalter längst beschlossen, dass es gewinnbringendere Aufenthaltsorte gebe als an den beleuchteten Stoffzylindern der zweibeinigen Homo sapiens. Und so zieht auch diese Spezies – durchaus zufrieden mit dem Tag – sich ebenfalls zurück.

Quellenverzeichnis:

STEINER, A. et al. (2014): Die Nachtfalter Deutschlands. Ein Feldführer. – BugBook Publishing, 878 Seiten. Oestermarie (Dänemark)

BOTHE, H. (2014):  Die Pflanzenwelt der Eifel. 26 faszinierende Entdeckungstouren auf Rundwanderwegen, Quelle & Meyer Verlag, 328 Seiten. Wiebelsheim.

www.lepiforum.de
www.wikipedia.de

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