Mosel-Arbeitstreffen in Zeiten von Corona

Panorama-Blick vom Frühstücksraum auf den Annaberg bei Schweich.

Die diesjährige Mosel-Exkursion fand unter erschwerten Bedingungen statt, wegen der Virenseuche nur als kleines Arbeitstreffen, und bei nicht gerade optimalen Wetterbedingungen. Spaß gemacht hat es trotzdem, und gute Ergebnisse gab´s allemal.

Freitagsmorgens vor der Anreise zur diesjährigen Mosel-Exkursion war der Garten noch leicht bereift, die vergangenen Nächte waren alle eiskalt gewesen, die Nachtfalter an den Lampen konnte man an einer Hand abzählen. Aber mit dem festen Vorsatz, sich weder von der Corona-Pandemie noch vom scharfen Ostwind abhalten zu lassen, starteten wir in Richtung Schweich. Tagfalter waren dort offenbar Mangelware, Kleiner Heufalter, Mauerfuchs, ein paar Weißlinge: Das Jahr 2020 brachte uns den sogenannten „Juni-Dip“ – das Flugzeitloch zwischen den Überwinterern und den Sommerfaltern – schon Mitte Mai.

Der erste Leuchtplatz am Oberhang des Fellerbaches südlich von Longuich war wunderschön, tatsächlich endete aber der Lichtfang in einer eiskalten Nacht, bei 6°C brachen wir um ca. 1.00 Uhr ab. Magere 40 Großschmetterlingsarten standen da auf dem Zettel, darunter als moseltypische Arten unter anderem zahlreiche Heide-Streifenspanner – Perconia strigillaria, Holzrindeneule – Egira conspicillaris und Kleiner Gabelschwanz – Furcula bifida. Der erste Tag endete mit einer kleinen Wildschweinfamilie mit einem halben Dutzend Frischlingen, die unseren Weg querten. Im Tal unten war es eiskalt, knapp am Bodenfrost.

Priesner # 11

Samstagmorgens bot sich dann aus der Unterkunft in Longuich ein fantastischer Blick auf die Weinberge, mit der Aussicht auf einen warmen Sonnentag. Nach dem Frühstück zog es uns an den Annaberg bei Schweich, an dessen Oberhang sich kilometerlang Weinbergsbrachen entlangziehen. Wenn nichts fliegt, dann muss man sich etwas einfallen lassen: Zum Glück hatte Armin Radtke zu Hause noch in die Gefriertruhe gegriffen und ein echtes Schätzchen mitgebracht: Ein Pheromonpräparat, das jetzt schon mehr als 30 Jahre auf dem Gummistöpsel hat: Ernst Priesner hatte in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts eine Menge verschiedener Präparate an Kollegen verschickt, um die Wirkung der Pheromone auf verschiedene Arten zu testen. Eines davon, Priesner Nummer 11, lag seit über 25 Jahren unbenutzt auf Eis, bis zum Mai 2020.

Manchmal wird man sogar als kleiner Hobbyfaunist von Demut gepackt! Keine 20 Meter schaffte die Tagesexkursion, schon besserte sich die Stimmung: Rote Ampfer-Glasflügler (Pyropteron chrysidiformis (ESPER, [1782]) folgten der Duftspur des Präparates und umschwirrten uns, beziehungsweise den uralten, verheißungsvollen Gummistöpsel aus dem Max-Planck-Institut in Seewiesen, wo Ernst Priesner arbeitete: Die Präparate von damals wirken unverändert, jedes ein kleines Denkmal für den Forscher, der im Juli 1994 in den Alpen bei Garmisch-Partenkirchen seine Lockstofffallen kontrollieren wollte und seitdem verschollen ist.

Ampferglasflügler auf der Spur von Priesner Nr 11. Foto: Armin Dahl

Moselufer bei der Staustufe Detzem (Foto: Armin Dahl)

Uli Retzlaff und Armin Radtke (Foto: Armin Dahl)

Einmal angestachelt, brachten wir an verschiedenen Stellen weitere Pheromonfallen aus, die mit „modernen“ Präparaten der Pherobank in den Niederlanden bestückt waren. Der abendliche Leuchtplatz wurde ausgekundschaftet, auf dem Rückweg dann die nächste Überraschung: Synanthedon conopiformis. Der Alteichen-Glasflügler gilt als besonders wärmeliebend, im Arbeitsgebiet der R.-W. Lepidopterologen sind nur wenige Flugstellen an Rhein, Mosel und Sieg bekannt.
Und weil die Sache schon mal so schön in Fahrt war, förderte der Nachmittag einen weiteren Vertreter der Sesien zu Tage: Eselswolfsmilch-Glasflügler leben im Überflutungsbereich der Mosel an der namenstiftenden Pflanze (Euphorbia esula). Mit ein wenig Übung lassen sich die winzigen Falterchen von den zahlreichen Wespen und Schwebfliegen unterscheiden, die in den blühenden Wolfsmilchbeständen entlang der Moselufer herumsurren.

Eselswolfsmilch mit Ch. tenthrediniformis (Foto: Armin Dahl)

Eselswolfsmilch mit Ch. tenthrediniformis (Foto: Armin Dahl)

Nach kurzer Verschnaufpause in einem Gartenlokal in Ensch an der Mosel kam am Abend dann endlich der Lichtfang am Annaberg in Schweich. Aber vorher noch einmal kurz ein Rückblick auf die Randbedingungen: Die gesamte Moselregion, normalerweise rappelvoll mit Touristen, war während der drei Tage dauernden Exkursion mehr oder weniger ausgestorben, die Bewohner warteten sehnsüchtig auf das Ende des „Corona-Lockdowns“, Übernachtung und Verköstigung waren nur unter strengen Auflagen möglich. In einem Hotelbetrieb mit 40 Betten zu zweit alleine im Frühstücksraum zu sitzen, bedient von der mit Mundschutz bewaffneten Chefin, das ist schon sehr speziell. Die Moselaner nahmen es allerdings erstaunlich gelassen, unser Übernachtungsörtchen Longuich ist mindestens seit dem 1. Jahrhundert nach Christus besiedelt („Longus Vicus“ = Langes Dorf), an der Römischen Weinstraße sind die Bewohner fast so entspannt wie in der Toskana.

Zurück zum Annaberg: In der späten Dämmerung waren alle Lampen aufgebaut, da stellte sich noch Besuch ein: Die OrganisatorInnen der „Woche der Artenvielfalt„, bewaffnet mit einer Kiste Gläser und – das gabs noch nie – leckeren Spezialitäten aus der Region, zum Beispiel der exzellenten Weinlage „Trittenheimer Apotheke“. Bei so viel aromatischen Stoffen ließen auch die Nachtfalter nicht auf sich warten, und so ging der Abend flott herum. Am Ende standen 80 Großschmetterlingsarten auf den Listen, bei klarem Himmel und niedrigen Temperaturen konnten wir zufrieden sein. Wir erinnern uns noch deutlich an den Leuchtabend vom vergangenen Jahr, damals  hatten wir am Annaberg keine 60 Arten zusammenbekommen, und ausserdem versank die Truppe im Dauerregen.

Der Sonntag war dann wieder ein strahlender Sommertag, den wir zur Sondage ins Ruwertal nutzten, in dem es ebenfalls tolle südexponierte Weinbergsbrachen und Hecken gibt, und verwunschene Dörfchen wie Sommerau, mit Burg, Weinbergen und immerhin 75 Einwohnern.

Zum Abschluss noch ein paar Falter- und Landschaftsbilder. Im kommenden Jahr werden wir einen erneuten Anlauf wagen, dann hoffentlich mit mehr Teilnehmern und besserem Wetter.

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