Aktion borelii: Wunderbare Funde in Schloßböckelheim an der Nahe

Karte des Nahegebiets westlich von Bad Kreuznach. Die blauen Linien zeigen die Grenzen der Meßtischblätter 6112 / 6212. Rote Markierung: der Felsenberg. © opentopomap (CC BY-SA 3.0)

Seit 20 Jahren pflegt die Arbeitsgemeinschaft einige faunistisch herausragende Flächen an den Nahe westlich von Bad Kreuznach. Mit fast 1300 nachgewiesenen Lepidopteren-Arten ist der Felsenberg Spitzenreiter in unserem Arbeitsgebiet. Bei goldenem Oktoberwetter wurde 2021 die „untere Pflegefläche“ gründlich entbuscht. Ohne Pflege wären die meisten der Trockenrasen an den Nahehängen schon vom Wald überwuchert.

Endlich wieder eine Aktion an der Nahe, fast wie in guten alten Vor-Corona-Zeiten! Nachdem im vergangenen Jahr der Pflegeeinsatz ausgefallen war, in diesem Frühjahr auch nichts stattfinden konnte, rief Heinz Schumacher jetzt wieder zum Arbeitseinsatz auf – und konnte 12 Aktive meist von weit her anlocken!

Bilder vom Einsatz und Drumherum

Wegen schwankender Wetteraussichten begann ein kleiner Trupp unter der Leitung von Heinz Schumacher bereits am Freitagnachmittag mit den Arbeiten. Es kamen im unteren Bereich der unteren Pflegefläche vor allem die Freischneider zum Einsatz. In den zweieinhalb Jahren seit unserer letzten Aktion dort war der Schlehen-Aufwuchs auf dieser südexponierten, steilen Fläche nach den extrem warm-trockenen letzten Jahren zwar nicht besonders hoch, aber doch dicht und kräftig. Der Herbst ist keine günstige Zeit, um die Schlehen zu schwächen, aber 2021 ging es halt nicht anders. Im nächsten Jahr werden wir dann sehen, in wieweit sie schon wieder ausgetrieben sind.

Plötzlich dichte Rauchwolken, die naheaufwärts hinter der nächsten Flußbiegung hervorquollen, begleitet von den Martinshörnern der aus allen Richtungen anrückenden Feuerwehren: Brannte etwa einer der Hänge? Wie sich später herausstellte, waren wohl durch Brandstiftung 120 Heuballen in Flammen aufgegangen, konnten aber mit vereinten Kräften gelöscht werden.

Der Brandgeruch stieg uns noch den ganzen folgenden Leuchtabend in die Nase. Da war es schon besser, sich auf das Konzert der Weinhähnchen (Oecanthus pellucens) zu konzentrieren! An Licht und Köder konnten zudem viele seltene Arten, die in diesem herausragenden Gebiet ein Refugium haben, bewundert werden. Eine gelungenes Jubiläum – schließlich engagiert der Verein sich seit nunmehr 20 Jahren für den Erhalt der wertvollen Habitate am Felsenberg.

Faunistische Raritäten

Am Samstag wurde im oberen und in den randlichen Bereichen von Hand noch einzeln stehender Gehölz-Aufwuchs herausgenommen, auch von Ginster, Brombeeren und ausläufertreibenden Rosen, und das Schnittgut von der Fläche weggetragen. Der Nachmittag ging dann bei bestem Wetter nahtlos in die Beobachtung interessanter Arten über – ob Italienische Schönschrecke Calliptamus italicus, Rote Röhrenspinne Eresus collari oder Gottesanbeterin Mantis religiosa, es gibt eine wunderbare Welt auch außerhalb der Lepidopteren-Fauna!

Auf einen Pflegeeinsatz auf einer anderen Fläche haben wir  verzichtet – der Aufwuchs dort war sehr viel begrenzter, und wir hätten vermutlich mehr Flurschaden durch das Betreten verursacht als dem Schmetterlingsschutz gedient.

An beiden Nachmittagen kam der Austausch untereinander – und teilweise überhaupt erst einmal das Kennenlernen – nicht zu kurz. Dabei durften wir den köstlichen Kuchen verspeisen, den Frau Schumacher gebacken und ihrem Mann mitgegeben hatte oder den am nächsten Tag das Ehepaar Dahl mitbrachte.

Spannend und für manche der „neueren“ Mitglieder auch eine Herausforderung wurden die Leuchtabende. Das Wetter spielte mit, es war warm und bedeckt, der Wind hatte sich gelegt, also ideale Bedingungen. Die Artenvielfalt selbst Anfang Oktober ist berauschend, so viele Seltenheiten!

Ganz besonders freuten wir uns über insgesamt fünf Individuen der Haarstrangeule Gortyna borelii. Diese FFH-Art ist nach den Anhängen II und IV der FFH-Richtlinie der EU besonders geschützt und eine der Zielarten unserer Pflegeanstrengungen. Sie wurde im Meßtischblatt 6112 Waldböckelheim zuletzt im Jahr 2012 nachgewiesen, im unmittelbar südlich am Felsenberg anschließenden MTB Meisenheim zuletzt 2017. Obwohl etwa Martine Goerigk im den letzten Jahren schon mehrere Versuche unternommen hatte, die Art während ihrer Flugzeit zu Gesicht zu bekommen, war ihr das bisher nicht gelungen. Es waren schon Sorgen aufgekommen …. Doch nun gleich fünf Tiere am Licht, das kann sich sehen lassen! Die nächstgelegenen Fundorte der in Deutschland vom Aussterben bedrohten (RL 1, siehe Literaturangabe) Haarstrangeule liegen entlang des Rheins südlich von Mainz. Dort wächst die Nahrungspflanze der borelii-Raupe, der Echte Haarstrang, allerdings in einem völlig anderen Lebensraum, nämlich in den Auenwiesen und an den Hochwasserdeichen entlang des Rheins (vgl. ERNST, 2005)

Auch die übrige Artenliste ist teils ein Who is who der Raritäten: ob der Dunkle Schmuckspanner Crocallis tusciaria, die Mittelrheintal-Frühherbsteule Ammoconia senex, die Graslilieneule Episema glaucina, die Ockerbraune Herbsteule Agrochola laevis, die Dunkelbraune Brombeereule Dysgonia algira oder das sich weiter ausbreitende Purpur-Prachteulchen Eublemma purpurina, das jetzt erstmals auch an der Nahe nachgewiesen wurde. Durch seine schiere Größe allein beeindruckte der Windenschwärmer Agrius convolvuli.

Zu den Funden an Köder und Licht kamen noch zahlreiche Tagfalterfunde und Raupennachweise, etliche Blattminierer und  Sackträgermotten (Coleophoridae) wurden beobachtet, so dass wir insgesamt bisher mehr als 110 Arten von dem Wochenende zusammentragen konnten, davon immerhin 90 „Makros“ inklusive der Tagfalterarten. Einige Mithelfer haben ihre Funde in Observation.org eingegeben, dort können sie inklusive weiterer Belegfotos sowie der „Beifänge“ eingesehen werden.

Tolle Beifänge

Lange Artenlisten mit vielen seltenen Arten sind eine schöne Bestätigung für 20 Jahre kontinuierlicher Betreuung der Fläche durch unseren Verein. Denn im Januar 2001 konnte Heinz Schumacher eine Vereinbarung mit der Gemeinde über die Pflege der Flächen erreichen und die Maßnahmen starten. Ziel ist es, die Verbuschung der blütenreichen, mageren und trockenen Felskuppen zu stoppen und den Lebensraum besonders seltener, vom Aussterben bedrohter Arten wie etwas der Haarstrangeule zu erhalten.

Ein gelungenes Wochenende, allenthalben wird viel Lob verteilt und Vorfreude auf den nächsten Einsatz kundgetan! Ein Großes Dankeschön an alle Helfer, und alle die unter dem Stichwort „Aktion borelii“ ihre Bilder für diesen Beitrag zur Verfügung gestellt haben!


Literatur:

ERNST, M. (2005): Verbreitung der Haarstrangwurzeleule (Gortyna borelii Pierret 1837) in Hessen. Naturschutz und Landschaftsplanung 37 (12): 376-383

Wachlin, V. & R. Bolz (2012): Rote Liste und Gesamtartenliste der Eulenfalter, Trägspinner und Graueulchen (Lepidoptera: Noctuoidea) Deutschlands. Naturschutz und Biologische Vielfalt 70 (3), 197-239.

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6 Antworten zu Aktion borelii: Wunderbare Funde in Schloßböckelheim an der Nahe

  1. Oswald Walg sagt:

    Hallo Schmetterlingsfreunde,
    hatte in den ersten Jahren die Arbeiten unterstützt. In den letzten Jahren hat es terminlich bei mir nicht gepasst. Bin jetzt in Altersteilzeit und habe deshalb mehr Zeit. Heinz Schumacher kann mich über den nächsten Einsatz informieren. Ich werde diesen dann auch unserem Bürgermeister mitteilen. Teile Ihm auch eure interessanten Beobachtungen und Funde mit. Vielleicht kann ich auch wieder die Presse mit ins Boot holen. Hatte am Anfang ja schon mal geklappt.
    Liebe Grüße aus dem schönen Schloßböckelheim
    Oswald Walg

    • Brigitte Schmälter sagt:

      Hallo Herr Walg,
      das ist eine sehr gute Nachricht, vielen Dank! Ich werde auf jeden Fall Herrn Schumacher daran aufmerksam machen, das wird ihn auch freuen.
      Bis zum nächsten Mal in Schloßböckelheim!
      Viele Grüße
      Brigitte Schmälter

  2. Heimbach, Hermann Josef sagt:

    Hallo Brigitte,
    nicht nur wunderbare Funde in Schloßböckelheim, sondern auch ein wunderbarer Artikel!! Was der Verein seit 20 Jahren hier vor Ort geleistet hat, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Als kaum einer auch nur den Begriff Biodiversität kannte, hat sich der Verein unter Federführung von Heinz Schumacher durch Pflegemaßnahmen für die Erhaltung der biologischen Vielfalt eingesetzt. Da bleibt nur die Hoffnung dass diese Arbeiten auch in den nächsten 20 Jahren fortgesetzt werden!
    Danke an alle Mitstreiter!
    Ein lang geplanter Urlaub hat mich diesmal daran gehindert, teilzunehmen, beim nächsten Einsatz bin ich hoffentlich wieder dabei.
    Hajo

    • Brigitte Schmälter sagt:

      Hallo Hajo,
      danke für das Lob – und es wird bestimmt weitere Einsatzmöglichkeiten geben!
      Viele Grüße
      Brigitte

  3. Vielen Dank für den schönen Beitrag und vor allem für euer Engagement bei der Pflege. Ich finde, das lohnt sich und ich wünsche euch noch mehr Unterstützung von Gemeinde und Öffentlichkeit für die Zukunft.

    • Brigitte Schmälter sagt:

      Hallo Ronny,

      herzlichen Dank für die nette Rückmeldung. Ja, die örtliche Gemeinde usw. hält sich meist zurück, aber wir hatten auch vor ein paar Jahren schon mal einen Ortsbürgermeister da, der uns sogar zu einem Fest eingeladen hatte, das gerade stattfand und wo wir dann abends verköstigt wurden. Vielleicht müßten wir noch mehr die Werbetrommel rühren, um auch die Lokalpresse anzulocken, nicht nur die Falter!

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