Zwischen Staunen und Bewunderung – unsere Microlepidoptera

Die aktuellste Veröffentlichung zur Anzahl von Schmetterlingen in Deutschland stammt aus dem Jahr 2017. Danach gibt es in Deutschland 3.682 Arten (1). Gezählt wurde die Verbreitung in vier Zeitstufen; die erste deckte die Epoche bis 1900 ab, die letzte die Jahre 2001-2016. Da 10% bis 15% der Arten als ausgestorben oder verschollen gelten, bleiben immer noch ca. 3.166 Arten, die man in Deutschland findet – natürlich nicht überall und nicht jedes Jahr.

Diese Zahl kann man aufteilen nach Schmetterlingen, die tagsüber fliegen und Nachtfaltern, die hauptsächlich nachts aktiv sind. Danach gibt es 190 Arten von Tagschmetterlingen (2). Andererseits wurde auch eine Kategorie von “tagaktiven Nachtfaltern” definiert, zu der 179 Arten zählen, wie Zygenidae, Arctiinae, Sesiidae und erstaunlich viele andere.(3).

Weiterhin unterscheidet man zwischen Großschmetterlingen und Kleinschmetterlingen, wobei – nicht immer konsequent – nach der Größe sortiert wurde. Letztere werden auch Microlepidoptera oder “Micros” genannt. Da in Lit. (2) 1350 Großschmetterlinge genannt werden, resultieren ca. 1816 Arten (58%) von “Micros”. Lit. (4) zählt 59 Familien von Microlepidoptera für Europa auf. Nicht alle kommen auch in Deutschland vor. Ein Überblick von W. Biesenbaum (5) zitiert Beobachtungen von Micros aus 42 Familien für das „Obere Mittelrheintal“, eine Gegend die nur 150 km südlich von Solingen liegt, wo wir wohnen.

Für uns bedeuten diese Zahlen, daß es eine sehr große Anzahl von Kleinschmetterlingen – aufgeteilt in sehr viele Familien – gibt. Und die Anzahl der Arten in dieser Gruppe wird noch wachsen, da viele Lepidopterologen sich jetzt mit dieser Gruppe beschäftigen, nachdem die Großschmetterlinge bereits intensiv erforscht wurden.

Wir selbst fotografieren die verschiedenen Insekten nur und sammeln sie nicht. So werden unsere Beobachtungen oft nicht für die Dokumentationen der Wissenschaftler akzeptiert, da viele Arten nicht allein aufgrund von Fotografien unterschieden werden können.

Aber die Fülle der Bücher mit Fotos von Faltern unter natürlichen Bedingungen, die es früher gar nicht gab, zeigt, wie groß das Interesse der Bevölkerung an solchen Fotos ist.
Auch sammeln wir ja wertvolle Daten für das Auftreten (Ort und Zeit) der Micros, die wir auf Art-Niveau bestimmen können. So haben wir z.B. Agnoea subochreella fotografiert, die in der Liste (Lit.5) nicht verzeichnet war – ein typischer Fall von Migration mit dem Klimawandel.

Unser wichtigstes Ziel ist es, die Schönheit und bunte Vielfalt dieser kleinen Geschöpfe zu zeigen.
Für die Leser dieses newsletters haben wir 18 Fotos von von Micros ausgewählt, die wir mit wenigen Ausnahmen in den letzten drei Jahren in unserer Umgebung fotografiert haben. Davon sogar zwei Drittel bei uns am Haus oder im Garten.

Jeder von Ihnen hat sicher seine besonderen Lieblinge einer Art oder interessiert sich für eine bestimmte Familie von Schmetterlingen. Die Oecophoridae (Faulholzmotten) z.B. sind geradezu farbenprächtig oder durch besondere Kennzeichen auffallend. Bei den Gracillariidae (Blatt-Tütenmotten) besticht – wie schon der Name ausdrückt – die graziöse Erscheinung. Eine weitere Familie von unwiderstehlichem Charme sind die Ypsolophidae (Schabenmotten). Wir könnten hier endlos weiter die Schönheiten der Micros beschreiben, die bei uns Staunen und Bewunderung auslösen.

Hoffentlich erfüllen die Fotos auch Ihr Herz mit Freude, und Sie beginnen, diese Juwelen in Ihrer Gegend zu suchen und zu bewundern. Viele sitzen tagsüber auf Pflanzen oder kommen nachts zum Licht. Und es ist nicht übertrieben festzustellen, daß noch viele Micro-Arten darauf warten, entdeckt zu werden, z.B. bei den Blattminierern.
In einer Zeit, wo viele Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht sind, kann es tröstlich sein, daß auch unbekannte Schätze noch entdeckt werden können.

Aktuelle Daten und Fotos
https://www.inaturalist.org/observations?place_id=any&user_id=wolfachim&verifiable=any

Literatur
(1) Gaedike, R.; Nuss, M.; Steiner, A.; Trusch, R. (Hrsg.) (2017): Verzeichnis der Schmetterlinge Deutschlands (Lepidoptera) (Entomofauna Germanica 3). 362 S., Dresden
(2) A. Steiner, U. Ratzel, M. Top-Jensen & M. Fibiger (2014): Die Nachtfalter Deutschlands  BugBookPublishing , ISBN978-3-00-043862-2
(3) Ulrich, R. (2018)  Tagaktive Nachtfalter, Kosmos-Naturführer, ISBN: 9783440158272
(4) Parenti, U. (2000): A Guide to the Microlepidoptera of Europe, ISBN 88-86041-36-5
(5) Biesenbaum, W. (2011) Kleinschmetterlinge des Mittelrheingebietes, Melanargia 23 (2): 69-154

 

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