Die Brombeereule unterwegs nach Norden!

Dysgonia algira, D-NRW Mülheim/Ruhr, Erddeponie Kolkerhof, 1. Juli 2023 (Foto: Armin Dahl)

Der Klimawandel beschert uns exotisch anmutende Arten. Aktuell gibt es weitere Funde von Dysgonia algira, jetzt auch aus dem Ruhrgebiet / Niederrhein.

Bei einem Leuchtabend am 30. Juni / 1. Juli 2023 in Mühlheim/Ruhr haben wir zu unserer angenehmen Überraschung ein Exemplar der Brombeereule – Dysgonia algira (Linnaeus, 1767) angetroffen. Unser Fund stellt den zur Zeit nördlichsten (uns) bekannten Nachweis dieser Art in Deutschland dar. Fast zeitgleich wurde am 30. Juni 2023 ein weiterer, ziemlich abgeflogener Falter der Brombeereule in Neuss gefunden. Beide Fundorte liegen naturräumlich in der Mittleren Niederrheinebene.

Erst am  26. August 2020 gelang Karl-Heinz Böttinger der Erstfund dieser Art  in Nordrhein-Westfalen, im Rheintal bei Köln-Rath (vgl. Schmetterlinge Deutschlands) . Ein weiterer Nachweis von Thomas Wurzinger zwischen Bergisch-Gladbach und Leverkusen stammt vom 10. September 2021. Der erste 2023er-Fund von D. algira im Gebiet der Arbeitsgemeinschaft erfolgte am 19. Mai durch Wolfgang Brüggemann am Felsenberg bei Schloßböckelheim/Nahe. Seitdem wurden an mehreren Orten, vor allem entlang der Mosel, Falter der Brombeereule angetroffen.
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Traumpfade durch vergiftete Landschaften


Der Mosel-Apollofalter, der wohl berühmteste Schmetterling im Arbeitsgebiet, geht seit etwa zehn Jahren dramatisch zurück. Parallel dazu sind im Weinbau seit dieser Zeit neue Spritzmittel im Einsatz, die nicht nur für Pilze giftig sind. Man kann an Zufall glauben – wir tun es nicht. Die Aufsichts- und Umweltbehörden, die Weinbaulobby und einige Umweltverbände wissen sehr wohl, was vorgeht, drücken aber die Augen fest zu oder sind auf Tauchstation.

Der Apollofalter an der Mosel stirbt aus, und am Ende will es keiner gewesen sein. Dabei liegen die Fakten auf dem Tisch, das Ganze ist kein großes Geheimnis: Die in der unmittelbaren Umgebung der Apollofalter-Lebensräume per Hubschrauber versprühten, angeblich für Falter unschädlichen Fungizide sind weitaus giftiger als bisher offiziell bekannt, reichern sich zudem in der Umwelt an, und wirken auch auf Insekten. Die Bundes- und Landesbehörden wissen seit geraumer Zeit davon, schieben sich aber gegenseitig die Zuständigkeit zu, wie schon einmal in den 80er Jahren.

Mit einem solchen Vorwurf mag man sich einen Haufen Ärger einhandeln, immerhin sind da Landwirtschaftsverbände, Chemiekonzerne mit mächtigen Rechtsabteilungen, und nicht zuletzt eine Menge Winzer mit ihren Familien auf der Bühne. Deshalb an dieser Stelle: Alles, was wir hier zeigen, sind für jeden öffentlich zugängliche Fakten, keine Meinungen oder Behauptungen!

Seit Monaten recherchieren wir dazu und sammeln Material, haben dazu Stellungnahmen von Behörden, Protokolle von Gesprächen und aufschlussreiche E-Mails zu dem Thema in unseren Schubladen. Der Versuch einiger Mitglieder der AG, mit Anfragen und Telefonaten etwas zu erreichen, hat bisher nichts gebracht. Unter der Hand bekommen wir zwar Unterstützung, aber passieren tut NICHTS. Das Thema nervt gehörig, muss jetzt aber einfach mal raus ans Licht!

Wir haben dafür eine extra Seite auf unserer Homepage eingerichtet, auf der wir in einem ersten Schritt einige Dokumente ablegen, damit sich jede(r) selbst in Bild machen kann.

>> zur Dossier-Seite / Apolloschutz

„Schmetterlinge schützen! Das ist unsere Aufgabe“ steht vorne auf dem Werbeflyer unserer Arbeitsgemeinschaft. Auch wenn es manchmal weh tut! Der Apollofalter, Wahrzeichen und Sympathieträger der Untermosel, ist mittlerweile extrem selten, und die eifrig beworbenen „Traumpfade“ durch seine Lebensräume sind nur noch leere Kulissen.

Das Geknatter der Hubschrauber an der Untermosel ist die Begleitmusik des Artensterbens! Das hat absolut gar nichts mit Respekt vor der Natur oder Artenschutz zu tun. Hier geht es nur um Profit. Eine besonders geschützte Schmetterlingsart wird für das Luxus-Produkt Wein geopfert.

Seit zehn Jahren werden wieder persistente, halogenierte Fungizide versprüht, die die Umwelt dauerhaft belasten. Unserer Ansicht nach ist der großflächige Einsatz dieser Wirkstoffe im Umfeld der Apollofalter-Populationen zumindest mitverantwortlich für den starken Rückgang, ob es den Verantwortlichen passt oder nicht. Und das „Schwarze Peter“- Spiel der Behörden muss ein Ende haben. Sonst werden wir den Apollofalter an der Mosel verlieren!

Oder soll das der viel beschworene Insektenschutz in Deutschland sein? Wenn wir nicht einmal in der Lage sind, eine besonders geschützte Schmetterlingsart zu erhalten, dann drängt sich der Verdacht auf: Insektenschutz im Jahr 2023: alles nur hohles Gerede, absolut gar nichts dahinter!

 

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Das Moorteufelchen Nascia cilialis neu für das Bergische Land

Kühl-feuchte Bachtäler liegen oft unter dem Radar der Entomologen. Dabei könnte sich die Nachsuche lohnen: Vor allem Feuchtgebiets-Arten werden oft übersehen oder breiten sich unbemerkt aus. Manche mögen´s lieber kalt!

Am Ostrand von Düsseldorf liegt der Abshof, fast genau im Zentrum des FFH Gebietes Rotthäuser Bachtal. Der private Naturschutzhof fördert auf vielfältige Weise die Biodiversität. Gedankt wird dies durch eine sehr hohe Zahl an seltenen Arten. Das Besondere an dem Tal sind der Rotthäuser Bach, der ihm den Namen gab, seine Quellen und Feuchtbiotope, Fischteiche und ausgedehnte Schilfflächen. Hinzu kommen wertvolle Erlen-, Eschen- und Weichholzauenwälder sowie Hainsimsen- Buchenwälder. Die Talsohle liegt bei knapp 100m NN, das nächste größere Feuchtgebiet liegt im Eller Forst, in etwa sieben Kilometer Entfernung, die Entfernung zur Rheinuferpromenade der Landeshauptstadt beträgt etwa zehn Kilometer Luftlinie.

Moorteufelchen – Nascia cilialis, D-NRW Düsseldorf Abshof, 8. Juni 2023. Foto: Martine Goerigk

Die Schmetterlingsfauna des Abshofs wird seit einigen Jahren +/- systematisch untersucht, was schon eine Reihe regional seltener Feuchtgebiets-Arten wie Arenostola phragmitidis, Sedina buettneri und Macrochilo cribrumalis zu Tage gefördert hat. Die Station ist z.B. auch regelmäßiger Fundort von Arctia caja, der Braune Bär fehlt ansonsten in der Region weitgehend. Die allermeisten entomologischen Daten zum Abshof sind bei observation.org erfasst.

Am 8. Juni 2023 konnte der Artenliste eine weitere Art hinzugefügt werden: Das zu den Rüsselzünslern (Crambidae) zählende Moorteufelchen Nascia cilialis (Hübner, 1796) wurde bei einem Lichtfang beobachtet. Die nächsten bekannten Vorkommen von N. cilialis lagen bislang im Schwalm-Nette-Gebiet und am Unteren Niederrhein, mehr als 60 bzw. 90 Kilometer entfernt.

Die Datenlage zu Nascia cilialis ist eher dürftig. Das Rote Kästchen markiert den Fund im TK 4707. Quelle: schmetterlinge-d.de, Stand 12. Juni 2023

Der Fund stellt den ersten Nachweis für den Naturraum Bergisches Land dar. Der nähere Fundort ist eine feuchte Schafweide, die mit Obstbäumen bestanden ist. Unmittelbar angrenzend befindet sich die Talsohle und der Rotthäuser Bach, der Bereich stellt sich als feuchte Hochstaudenflur mit Dominanz von Schilf und Großseggen dar. Die Umgebung des Hofes ist bei den lokal tätigen Entomologen als „Kaltluftloch“  gefürchtet, trotz der Nähe zur Großstadt herrschen hier häufig raue Bedingungen, wie in vielen Bachtälern im Bergischen Land und Sauerland. Vielleicht ist auch dort der Moorteufel los!

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Der Eichenzweig-Glasflügler – Paranthrene insolitus: unterkartiert oder wirklich selten?

Eichenzweig-Glasflügler Paranthrene insolitus; Friesheimer Busch, 9. Juni. 2023. Foto: Karl-Heinz Jelinek

Weitere Funde des Eichenzweig-Glasflüglers in der Niederrheinischen Bucht werfen einige Fragen auf. Ist die Art wirklich so selten, oder wurde nicht ausreichend danach gesucht? Wo ist der Lebensraum dieser Art?

Mit dem Einsatz künstlicher Pheromone hat die Erforschung der Glasflügler in den letzten Jahrzehnten einen enormen Aufschwung erlebt. Die Kenntnis über die Verbreitung vieler Arten ist gewachsen. Aber dennoch gilt, dass das Pheromon zur richtigen Zeit am richtigen Ort wirken muss.

Erst im Jahr 1991 wurde Paranthrene insolitus Le Cerf, 1914 für das Arbeitsgebiet der Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen nachgewiesen (Schumacher 1991), kurz nachdem der Erstnachweis für Deutschland erbracht wurde (Köhler 1991). Damals wurde noch das Synonym Paranthrene novaki Toševski, 1987 als Name für die Art verwendet. Der Fundort lag in Ruppichteroth im Kartenblatt TK 25/MTB 5110, einer Gemeinde im Rhein-Sieg-Kreis rund 30 Kilometer östlich von Bonn, wo auch Heinz Schumacher seinen Wohnsitz hat.

In den Folgejahren wurden weitere Nachweise in den angrenzenden MTB 5111 und 5210 gemacht, der letzte im Jahr 1995 (vgl. Datenbank Schmetterlinge AG Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen). Weitere Beobachtungen kamen nicht hinzu, und in den Roten Listen von NRW wurde Art nur als im Bergischen Land vorkommend geführt (Dudler et al. 1999; Schumacher et al. 2011). Laut Roter Liste Deutschlands gilt die Art als selten und nicht gefährdet (Rennwald et al. 2011).

Am 28.05.2020 konnte ich dann mit Hilfe des Wageningen Pheromons „insolita“ drei  Falter im Waldgebiet bei Erftstadt nachweisen (Schumacher, 2021). Das war der Erstfund für die Niederrheinische Bucht. Der Fundort war auf einer als Mittelwald im Rahmen eines LIFE-Projektes gepflegten Fläche, auf der einzelne Eichen stehen geblieben sind. In der aktuellen Roten Liste gilt die Art nun für das Bergische Land als verschollen und für die Niederrheinische Bucht durch extreme Seltenheit (potenziell) als gefährdet (Schumacher & Vorbrüggen, 2021).

Fundort auf der Ville in dem erwähnten Mittelwald, zum Zeitpunkt des Erstfundes für die Niederrheinische Bucht am 28.5.2020. Foto: Karl-Heinz Jelinek.

In den Jahren 2022 und 2023 habe ich das Pheromon im ehemaligen Munitionsdepot am Friesheimer Busch in Erftstadt ausgebracht, einem mit einzelnen Eichen bestandenen, als Wiesenkomplex vom NABU Rhein-Erft gepflegten Gelände. Dort konnte ich in den Zeiträumen 3.-10.06.2022 und 5.-9.06.2023 jeweils einen Falter in Unitrap-Fallen nachweisen.

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Noch ein Klimawandel-Gewinner? – Der Rote Ampfer-Glasflügler auf dem Vormarsch

Der Rote Ampfer-Glasflügler, Pyropteron chrysidiformis (Esper, [1782]), ist eine wärmeliebende Art, die in der Vergangenheit im Rhein- und Moseltal und an der Nahe, vereinzelt auch an der Ahr beobachtet wurde. Jetzt gibt es zwei Nachweise im Nordwesten von Köln.

In den vergangenen fünf Jahren mehren sich die Funde, wie die Verbreitungskarte der Arbeitsgemeinschaft zeigt. Die nördliche Nachweisgrenze lag bislang im Siebengebirge südlich von Bonn.

Nachweise von Pyropteron chrysidiformis. Quelle: AG Rheinisch-Westfälische Lepidopterologen e.V. http://nrw.schmetterlinge-bw.de Stand 13. Juni.
Die beiden Neufunde in den TK25-Quadranten 5006,2 und 5007,1 sind durch die roten Sterne markiert.

Am 31. Mai 2023 gelang nun die wohl erste Beobachtung des Roten Ampfer-Glasflüglers nördlich des Mittelrheintales: Fundort ist eine sehr warme, größere vegetationsarme Ödlandfläche am Rande eines Gewerbegebietes nahe Pulheim im Rhein-Erft-Kreis. Der Falter besuchte eine Blüte des Schmalblättrigen Greiskrauts (Senecio inaequidens), und der Beobachter – ein Stechimmen-Experte aus dem Entomologischen Arbeitskreis des NABU Köln – freute sich, dass er das hübsche Tier fotografieren konnte.

Elf Tage später konnte der zweite Nachweis erbracht werden: Bei einer Exkursion des entomologischen Arbeitskreises am 11.06.2023 im nordwestlichen Kölner Grüngürtel konnte ein Falter aus der Luft gekeschert werden. Dieser zweite Fundort liegt ca. 5km Luftlinie nordöstlich des ersten.

Roter Ampfer-Glasflügler (Pyropteron chrysidiformis) bei Pulheim. Foto: Frank Hartfeld

Nahrungspflanze für die Raupen des Roten Ampfer-Glasflügler ist vor allem der Schild-Ampfer Rumex scutatus, eine als „Schutt-Wanderer“ bekannte Pflanze. Diese wird nicht nur in Weinbauregionen an den Mauern gefunden, sondern auch entlang von Gleisanlagen, außerdem als Bestandteil der „Frankfurter Grünen Soße“ in Kräutergärten angebaut.

An den beiden neuen Fundorten wachsen der Krausblättrige Ampfer (Rumex crispus) und teils auch der Stumpfblättrige (Rumex obtusifolius).

Setzt sich der Trend der zurückliegenden warmen Jahre fort, ist zu erwarten, dass auch diese Art vermehrt in Nordrhein-Westfalen ankommt und auch in den vielfach genutzten Pheromonfallen zu finden sein wird. Die männlichen Falter von P. chrysidiformis „fliegen“ auf das Pherobank-Präparat SYMY, das normalerweise für Nachweise des Apfelbaumglasflügler Synanthedon myopaeformis eingesetzt wird.

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Lichterkette am Felsenberg

Beim Pflegeeinsatz am Felsenberg in Schloßböckelheim am 29. April 2023 war das Wetter günstig: nicht zu warm, nicht zu kalt, nicht zu windig, bedeckt. Da schafften wir mit gleich 15 Helfern an einem Nachmittag eine Menge! Abends kamen dann die Leuchtanlagen zum Einsatz. Biotop-Pflege, tolle Beobachtungen und ausgiebiger Austausch mit den KollegInnen: Die Nahe war einmal mehr die Reise wert!

Chef-Organisator Heinz Schumacher hatte im Vorfeld auf einen großen Aufruf zur Mitarbeit verzichtet, weil er fürchtete, dass sonst gar nicht genug Arbeit für alle vorhanden sei. So arbeiteten wir mit 15 Leuten in zwei Gruppen auf zwei Flächen. Ziel der Aktion war wie in den Vorjahren das Zurückdrängen des Schlehenaufwuchses auf den seit vielen Jahren von der AG betreuten Magerrasen. Alles war gut zu schaffen, ohne dass allzu viele Fußspuren die herrliche Flora und Fauna dort beeinträchtigten.

Danach ließen wir uns den leckeren Kuchen, den Elisabeth Schumacher wieder gebacken und ihrem Mann mitgegeben hatte, und auch die Schokoladentorte von Volker Gayk gern schmecken!

von links: Hans Dudler, Ulrich Retzlaff, Hajo und Brigitte Schmälter, Volker Gayk, Steffi Braun, Jan Buchner, Rudi Seliger, Heinz Schumacher, Susanne Kutter, Jörg Siemers, Martine Goerigk, Rolf Labonde, Bernd Bergmann, Hajo Heimbach, Rudi Pähler, nach dem Pflegeeinsatz am Felsenberg in Schloßböckelheim, 29. April 2023 (Foto: Armin Dahl)

Für den abendlichen Lichtfang war das Wetter dagegen weniger geeignet: es hatte in der Woche zuvor Nachtfröste gegeben, zudem viel Regen, der am Vortag wie aus Kübeln über den Felsenberg ausgeschüttet worden war – und das in einem ohnehin „späten“ und feuchten Frühjahr. Weiterlesen

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Auf dem Weg nach oben – 2023 ist ein Raupenjahr

In diesem Frühjahr erleben wir eine wahre Explosion beim Auftreten der kleinen Raupen unserer Nachtfalter. Die Gartenvögel freut es, die Förster wissen, dass auch kahlgefressene Bäume im Juni rasch wieder austreiben.

In den ersten beiden Mai-Wochen haben wir auf unseren Exkursionen rund um Solingen, in die Ohligser Heide/Engelsberger Hof und zum Jaberg in Hilden mindestens 15 verschiedene Raupen-Arten gefunden, darunter der Schneespanner Phigalia pilosaria, die Satelliteule Eupsilia transversa, der Kleine Frostspanner Operophtera brumata, die Spanner-Arten Agriopis leucophaearia und A. aurantiaria/marginaria, die Zweifleck-Kätzcheneule Anortha munda sowie die dekorative Kleine Kätzcheneule Orthosia cruda.

Sehr attraktiv sind die stets agressiv wirkenden, in ihrer Färbung und Zeichnung stark variierenden Raupen des Großen Frostspanners Erannis defoliaria.

Großer Frostspanner – Erannis defoliaria an Quercus auf dem Weg nach oben. Foto: Roland

Viele Bäume, vor allem Eichen und Ahorne,  zeigen total ausgefressene Blätter. Unter den Bäumen, in deren Krone die Raupen fressen, sind die bodennahen Pflanzen dicht mit den braunen Fraßknödeln bedeckt. Unter einigen Bäumen waren auch Teppiche von grünen Blattresten, die beim Fressen herunterfallen. Selbst die Buchen, an denen wir sonst kaum Raupen gefunden haben, zeigen nun häufig Fraßspuren. In der Krautschicht fand sich ein Buchen-Frostspanner Operophtera fagata.

Bemerkenswert ist die hohe Anzahl an Raupen, die die Stämme der Bäume von unten nach oben hochwandern, meist Spanner, aber auch die Pyramideneule Amphipyra pyramidea. Bei einer Raupenlänge von 4 Zentimetern und einer Baumhöhe von 15 Metern (1: 375) ist das so als ob ein Mensch von 1,60 m Größe sich vornimmt, einen 600 Meter hohen Baum zu erklimmen,

Bodennah entdeckten wir die große Raupe vom Weidenbohrer Cossus cossus, sowie an Gräsern die Grasglucke Euthrix potatoria. Fast in jedem Strauch des Pfaffenhütchens finden sich die dicht mit Raupen bestückten Gespinstnester von Yponomeuta cagnagella. Viele kleinere grüne, schwach gezeichnete Raupen, kann man vom Foto nicht sicher bestimmen. Auch die Tortriciden-Raupen sind nicht sicher einzuordnen, mit Ausnahme von Torticodes alternella.

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Schmetterlinge im Garten – Eisenhut-Goldeule

Ein Suchtipp für den Hausgarten: Die Eisenhut-Goldeule Polychrysia moneta (Fabricius, 1787) ist eine der Schmetterlingsarten, die sich leichter über ihre Raupen als über die Falter nachweisen lassen.

Im Frühjahr kann man am Blauen Eisenhut (Aconitum napellus) die charakteristischen, durch die Raupen verursachten Veränderungen der Triebspitzen finden.  Auch am Gelben Eisenhut (Aconitum lycoctonum) und Rittersporn (Delphinium) kann sich die Suche lohnen.

Abbildung 1: Eisenhut-Goldeule – Polychrysia moneta, mittelalte Raupe an Aconitum napellus. Wuppertal-Elberfeld, ca. 260 m, 1. Mai 2023. Freilandfotos: Armin Radtke

Dieselbe Raupe, im Bild unten links. Ihr leicht geöffnetes Gespinst an der Triebspitze mit Kotspuren auf dem einen Blättchen oben rechts. Foto: Armin Radtke

Spätere Raupenstadien von Polychrysia moneta wandern von der Triebspitze nach unten und verstecken sich in herabhängenden Blättchen. Foto: Armin Radtke

Die vielen aktuellen Nachweise im Raum Wuppertal erfolgten sämtlich in Gärten (Kleingartenanlagen oder Hausgärten), natürliche Vorkommen der Pflanze sind auf höhergelegene Regionen beschränkt, z. B. in Eifel, Sauer-und Siegerland.

Nachweise von Polychrysia moneta. Quelle: AG Rheinisch-Westfälische Lepidopterologen e.V. http://nrw.schmetterlinge-bw.de Stand 3. Mai 2023

Ein Blick auf die Verbreitungskarte dieser Art in unserem Arbeitsgebiet zeigt, dass es früher viel mehr Nachweise gab. Ursache für den vermeintlichen Rückgang könnte sein, dass frühere Beobachter vermehrt auf Raupensuche gegangen sind. Daneben wurden in früherer Zeit womöglich Eisenhut Stauden auch verbreiteter in Bauerngärten angepflanzt.

Erwachsene Raupe von Polychrysia moneta im Porträt. Foto: Armin Dahl

Also: schaut beim nächsten Spaziergang durch die Kleingartenanlagen oder Vorgärten in Eurer Umgebung doch mal auf die Eisenhut-Stauden und sucht an den Triebspitzen nach den Spuren der Raupen.

Die Raupen lassen sich relativ leicht mit Blättern von Aconitum napellus durchfüttern und ergeben dann im Sommer die wunderschönen Falter mit den goldfarbigen „Moneten“- Makeln auf den Flügeln

Eisenhut-Goldeule – Polychrysia moneta, Wuppertal-Barmen, April 2017 leg. Ludger Buller, Zucht und Foto: Armin Radtke.

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Kreaturen der Nacht oder Lichtfang mit 4000 Teilnehmern

Unser „Kerngeschäft“ sind Schmetterlingskunde und Naturschutz, und dazu gehört immer auch ein wenig Werbung für die eigene Sache. Öffentlicher Lichtfang ist ein gutes Mittel, das Interesse ist aber meist begrenzt. Ganz anders der Auftritt bei der Düsseldorfer Nacht der Museen 2023: Der sprengte mit mehr als 4000 Besuchern völlig den Rahmen.

Langfristig angekündigte Termine zum „Mottenfang“ haben so ihre Tücken, das Wetter passt selten, und die Zahl der Teilnehmer ist meist überschaubar. Das Ganze noch in der Innenstadt von Düsseldorf, wo das Artenspektrum ausgedünnt ist. Meine Erwartungen sind gering, was den Erfolg der Aktion vor dem Löbbecke-Museum angeht.

Das Fernsehen soll auch da sein heißt es, Sendezeit aber noch vor der Tagesschau, da gibt es beim Lichtfang nichts zu sehen. Zur Sicherheit werden deshalb am Vorabend ein paar Nachtfalter in Döschen gepackt und müssen im Kühlschrank übernachten, als Demonstrationsobjekte, für alle Fälle.

Als ich dann – weit vor Sonnenuntergang – auf den Parkplatz vor dem Aquazoo einbiege, trifft mich fast der Schlag! Eine endlos lange, stetig wachsende  Menschenschlange bis fast zum Eingangstor, alle unterm Regenschirm, ein Live-Übertragungswagen mit Satellitenschüssel vor dem Gebäude, Getränkestand mit Extra-Schlange, der Eingangsbereich zum Museum ist eine wuselige Menge. Bildungsbürger, kostümierte Girlies, kulturinteressierte Townhipster, Menschen aller Länder, alle ausgehfein: Das übliche Fachpublikum mit Parka und Wanderschuhen ist das auf jeden Fall nicht!

Den ursprünglichen Plan, etwas seitlich im Park hinter dem Museum unsere Leuchttürme aufzubauen, können wir gleich vergessen, die Anlage muss auf die Wiese direkt vor den Eingang, es nieselt. Gefühlte 300 Augenpaare beobachten den Aufbau schweigend, nur ein paar Kinder trauen sich zu fragen „Was machen Sie da mit der Lampe und der Gardine.“ Zum Glück kommt Unterstützung durch das Aquazoo-Maskottchen, weitere Lichtanlagen werden aufgebaut, das Aggregat liefert Strom. Und die Fernsehleute von der WDR-Lokalzeit (ab Minute 13) kommen wegen des Andrangs nicht mehr durch bis zu uns, die wir die „Kreaturen der Nacht“ anlocken und live bestimmen sollen.

Hai-Light des Tages: Wenns der Sache hilft, kann ich mich sogar mit Knorpelfischen anfreunden. (Foto: Philipp Schroeder)

Sieben Stunden später, immer noch strömen Menschen an uns vorbei, die Straßenbahn ist voll, es fühlt sich an wie bei Annie Lennox „This City Never Sleeps“. Die Fledermäuse vom Teich am Museum sind jedoch schon lange im Bett. Es gab halt nichts zu fressen, einen Lichtfang mit derart schlechtem Anflug habe ich eigentlich noch nie erlebt, immerhin hat der Regen aufgehört.  Nicht mal zehn Arten Großschmetterlinge, das ist Mitte April praktisch Nichts. Vor dem Museum, zwischen den ganzen Straßenlaternen, war eigentlich nur ein einziger Falter erwähnenswert, die Kiefern-Eule Panolis flammea.

Schick und pelzig: Kieferneule – Panolis flammea, Düsseldorf, 22. April 2023 (Foto: Philipp Schroeder)

 

Zimtbär – Phragmatobia fuliginosa im Anflug. (Foto: Armin Dahl)

Ein einsamer Zimtbär – Phragmatobia fuliginosa ist hundertfach fotografiert und direkt bei Instagram gepostet worden. Mangels Anflug mussten auch die Falter vom Vorabend noch als Statisten mithelfen, und so kam auch noch der Birken-Zahnspinner zu seinem Auftritt. Stars des Abends waren eine träge Amerikanische Kiefernwanze und eine Echte Motte, beide aus einer Etagenwohnung in Wuppertal nach Düsseldorf eingeschmuggelt.

Wir drei „Experten“, Martine Goerigk, Armin Radtke und meine Wenigkeit,  haben etwas ausgefranste Mundwinkel, die Leuchttücher sind voller Schlamm, die Kaffeekanne leer, die Füße tun weh. Zusammen haben wir drei eine Unmenge an Fragen beantwortet, über Insekten, Klimawandel, Gartentipps verteilt und über Gott und die Welt diskutiert. Das Bestimmen der Falter mit den Apps von observation.org fasziniert alte und junge Naturforscher, ich habe auch ein paar Leute getroffen die ich vorher nur übers Internet kannte. Und hoffentlich haben wir einige von den mehr als 4000 gezählten Museum-„Nachtschwärmern“ für das Thema Entomologie begeistern können.

Ein dickes Dankeschön an Philipp Schroeder, stellvertretend für das Team vom Aquazoo Löbbecke Museum Düsseldorf, für perfekte Organisation und Unterstützung. Und so wie es aussieht werden wir auch im kommenden Jahr an gleicher Stelle unser geliebtes Hobby vor großem Publikum präsentieren dürfen!

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Wiederfund in Hessen nach mehr als 70 Jahren- Eupithecia irriguata

Eupithecia irriguata, FFH Mönchbruch, 10. April 2023 (Foto: Erik Opper)

Am 13. April 2022 konnte der Verfasser drei Exemplare (2x Männchen, 1x Weibchen) von Eupithecia irriguata (HÜBNER, [1813]) in der FFH-Heidelandschaft bei Mörfelden-Walldorf, südwestlich des Frankfurter Flughafens, bei einem Lichtfang nachweisen. Der Helle Eichenhain-Blütenspanner wurde in Hessen zuvor letztmals 1951 unweit von Kassel gesichtet.

Bereits am Folgetag konnte Hermann Falkenhahn ein weiteres Weibchen am Licht an gleicher Stelle beobachten. Auch 2023 gelang in der näheren Umgebung wieder ein Nachweis. Um die Stabilität der Population und das Verbreitungsgebiet der seltenen Art zu untersuchen, hat der Verfasser am  10. April 2023 etwa 800m entfernt von der Fundstelle aus 2022 einen erneuten Lichtfang unternommen. Dabei wurde der Fund von 2022 bestätigt – ein Exemplar von Eupithecia irriguata fand sich gegen 21:15 Uhr am Licht ein. Das Belegfoto wurde am Folgetag von Daniel Bartsch im Lepiforum bestätigt.

Eupithecia irriguata gilt bundesweit als vom Aussterben bedroht (RL1), aktuelle Nachweise liegen nur noch aus Bayern (RL 3) und Baden-Württemberg (RL1) vor. Bemerkenswert ist, dass selbst der in Südhessen lebende „EupitheciaPapst“ Karl Dietze (1851-1935) diese Art nur von Frankfurt kannte. Der letzte mir bekannte Nachweis von E. irriguata in Hessen stammt aus einem Eichenwald bei Heiligenrode im Osten von Kassel, wo Heinrich Reuhl die Art am 1. Mai 1951 beobachtete (REUHL, 1976)

Die engere E. irriguata-Fundstelle ist der ostexponierte Waldrand einer breiten Stromleitungstrasse auf Flugsanddecken. Der Baumbestand besteht aus Kiefern/Buchen-Forsten mit nur einzelnen randständigen älteren Stieleichen-Individuen (30-50 Stammdurchmesser), jedoch dem Dreifachen an nordamerikanischen Eichen (Quercus rubra/palustris).

Fundort von E. irriguata bei Mörfelden (Foto: Erik Opper)

Herauszuheben ist die Wärmegunst der sandigen Energietrasse, die windgeschützt inmitten von Forsten und Wäldern im Oberrheingraben liegt. Dank der regelmäßigen Mahd durch Hessen Forst unter der Anleitung von NSG-Schutzgebietsbetreuern konnte der gesamte Lebensraum für diese sehr seltene Art und eine Vielzahl weiterer Tag- und Nachtfalterarten optimal erhalten bleiben. Diese Art der Pflege gilt es auch zukünftig fortzusetzen.

Ich danke insbesondere meinem geschätzten Kollegen Hermann Falkenhahn für Bestimmung 2022 und die Lebensraumbeschreibung.

Literatur

REUHL, H. (1976): Die Großschmetterlinge („Macrolepidoptera“) Nordhessens VIII. „Heterocera“ (Nachtfalter). 3. Geometridae (Spanner). – PHILIPPIA 111/1: 45-62

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