Der Kamillenmönch – eine unterschätzte (= unterkartierte) Art

Eine aktuelle Untersuchung zeigt: Der angeblich so seltene Kamillenmönch, Cucullia chamomillae [DENIS & SCHIFFERMÜLLER], 1775), ist weitaus häufiger und weiter verbreitet als vielfach angenommen.

L5-Raupe, letztes Larvalstadium des Kamillenmönchs, gefunden am 24.5.2012 in Landau von Sascha Guckes (Foto: Ludger Wirooks)

Da mir die Diskrepanz eigener Zufallsbeobachtungen zu der gängigen Einstufung des Kamillenmönchs als sehr seltene und gefährdete Art schon lange ein Dorn im Auge war, nutzte ich im letzten Jahr die Gelegenheit, eine an der RWTH Aachen durchgeführte Bachelorarbeit zu diesem Thema zu initiieren und zu betreuen. Diese sollte sich per Raupensuche mit der Verbreitung und Biologie dieser als Falter kaum nachweisbaren Art befassen. Das Ergebnis überraschte sogar mich: In allen neun in den Naturräumen Niederrheinische Bucht, Niederrheinisches Tiefland und Eifel gelegenen Untersuchungsgebieten konnte die Art nachgewiesen werden – im Durchschnitt sogar an fast 1/3 aller 315 untersuchten Standorte.

Ein Ei des Kamillenmönchs, gefunden am 7.5.2012 in Landau von Sascha Guckes (Foto: Ludger Wirooks)

Dabei kamen auch viele interessante Ergebnisse zur Biologie heraus, z.B. zu Biotoppräferenzen, Phänologie und Futterpflanzenpräferenzen. Die Art scheint insgesamt die Geruchlose gegenüber der Echten Kamille zu bevorzugen, doch gibt es auch gewisse Indizien, dass die Futterpflanzenpräferenz sich im Laufe der Phänologie ändert, was vielleicht mit der der Größe der Pflanzen und dem Eiablageverhalten des Falter im Zusammmenhang stehen könnte. Interessant ist zudem auch die Beobachtung, dass die Art ihre größte Dichte in der viel gescholtenen Agrarlandschaft hat, während sie in innerstädischen Ruderalfluren, Beeten und Anlagen deutlich seltener ist. Die Erklärung hierfür liegt wohl darin, dass dort durch gärtnerische Tätigkeiten wie Mähen und „Unkrautjäten“ die Hälfte aller untersuchten Kamillenstandorte zerstört wurden bevor sich die Raupen hätten entwickeln können.

L1-Raupe des Kamillenmönchs, ex o., Eifund durch Sascha Guckes in Landau 7.5.2012 (Foto: Ludger Wirooks)

Einige Ergebnisse der Arbeit werden – angereichert mit eigenen Daten und Auswertungen – im nächsten Heft der Melanargia publiziert. Wer jetzt schon neugierig ist kann sich die Bachelorarbeit hier ansehen:

KNOBEN, H. (2021): Ökologische Untersuchungen zur naturräumlichen Verbreitung, Habitat- und Futterpflanzenpräferenzen, sowie Phänologie der Präimaginalstadien des Kamillenmönchs Cucullia chamomillae ([DENIS & SCHIFFERMÜLLER], 1775)

L2-Raupe des Kamillenmönchs, gefunden am 24.5.2012 in Landau von Sascha Guckes (Foto: Ludger Wirooks)

Wer selbst auf die Suche gehen will sollte dabei bedenken: Man kann zwar die ausgewachsene, dann recht große und auffällige Raupe durchaus auch optisch finden, doch wäre eine rein optische Suche sehr zeitaufwendig ähnlich wie die durchaus auch mögliche Suche der Eier.

L3-Raupe des Kamillenmönchs, gefunden am 24.5.2012 in Landau von Sascha Guckes (Foto: Ludger Wirooks)

Viel effektiver ist es zu klopfen, was im Übrigen auch leicht nebenbei beim Spaziergehen oder Tagfalterkartieren möglich ist, und zwar einfach mit Schmetterlingsnetz und Kartierbrett als Schläger: So konnte ich an einem dicht mit Kamille bewachsenen Ackerrand im Schritttempo in 1-2 Minuten bei ca. 100 Klopfschlägen an Echter Kamille zwei junge Raupen klopfen, in einem Blühstreifen an ca. drei Pflanzen mannshoch gewachsener Unechter Kamille kurz darauf bei zwei Schlägen eine halberwachsene Raupe. Die phänologisch beste Zeit ist übrigens Anfang bis Mitte Juni.

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3 Antworten zu Der Kamillenmönch – eine unterschätzte (= unterkartierte) Art

  1. Wirooks, Ludger sagt:

    zur der Frage zu Cucullia absinthii:
    ja, bei dem ist es nicht anders – da habe ich zwar nur eigene Daten ohne extra Forschungsarbeit, aber die Daten zeigen, dass man auch ihn im Grunde überall finden kann – in der Agrarlandschaft ebenso wie in innerstädtischen Ruderalfluren. Die Raupe habe ich zwar auch schon +/- zufällig mal optisch gefunden und der Sascha findet ja von allen Arten locker auch mal die Eier, aber das kostet normal wohl schon Zeit und Geduld. Klopfen ist da definitiv effektiver. Für den Beifußmönch halt im August und September.
    Gilt sicher auch für C. artemisiae, aber den gibt’s ja im Rheinland gar nicht, wohl in Westfalen und in Landau in der Pfalz z.B.

    Gerade sehe ich, dass das System hier irgendwie leider meine L4-Raupe verschluckt hat, die eigentlich noch am Ende des Beitrags stand. Eigentlich wollte ich alle Stadien in dem Beitrag zeigen – keine Ahnung, was da passiert ist. Jedenfalls sind die Raupen auch in klein im Grunde mit niemandem verwechselbar, sogar in L1 sieht man gleich, dass es der Kamillenmönch sein muss.
    Insofern wäre die Art gut geeignet für irgendwelche Monitoringuntersuchungen in der Agrarlandschaft.
    Es gab im Übrigen auch einige anderen Arten in der Bachelorarbeit, v.a. massenhaft Macdunnoughia confusa, Eupithecia centaureata und noch andere.

    viele Grüße,
    Ludger

  2. Karl-Heinz Jelinek sagt:

    Auch ich bedanke mich für diesen informativen Beitrag. Durch Absuchen habe ich hier und da immer mal wieder eine Raupe gefunden, wenn die Blüte verräterische Fraßspuren aufwies. Dann will ich es doch auch mal mit Klopfen versuchen. Mir stellt sich darüber hinaus die Frage, ob es sich mit Cucullia absinthii nicht ähnlich verhält!

  3. Brigitte Schmälter sagt:

    Prima Beitrag, vielen Dank an Dich, Ludger, und Hannah Knoben als Verfasserin der Arbeit! Es scheint ja das Klopfen eine vielversprechende und überraschend erfolgreiche Nachweis-Methode bei dieser Art zu sein, da bin ich gespannt, was das auslösen wird – an mir soll es jedenfalls nicht liegen …
    Viele Grüße
    Brigitte

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