Die Heidelbeer-Zwergminiermotte Stigmella myrtillella – eine vielfach übersehene Art?

Die intensive Beschäftigung mit den Zwergminiermotten (Nepticulidae) stößt nur bei einem kleinen Teil der Schmetterlingsforscher auf reges Interesse. Der Nachweis und die Bestimmung der winzigen Falter ist nun einmal nicht jedermanns Sache. Das Auffinden einer Art gelingt jedoch ungleich leichter, wenn man sich auf die Suche nach den Blattminen begibt. Ein Suchtipp für den Spätsommer.

Auch für den ungeübten Forscher ist der Nachweis an Wirtspflanzen relativ einfach, an denen nur wenige Insektenarten minieren. Ein Beispiel ist die Heidelbeere (Vaccinium myrtillus). Laut www.bladmineerders.nl gibt es sieben Minierer an Heidelbeere, davon drei Blattsackfalter (Gattung Incurvaria), zwei Miniersackträger (Coleophora), ein Wickler (Tortricidae) und Stigmella myrtillella (Nepticulidae). Das Fraßbild der erstgenannten Arten ist jedoch vollkommen anders als bei S. myrtillella.

Für den Nachweis der Art ist es deshalb völlig unerheblich, ob noch eine Raupe darin miniert oder das Blatt schon leer ist. Das Gewirr an Heidelbeerblättern lässt nur vordergründig eine Suche aussichtslos erscheinen. Im Auflicht wirken die Minen wie vertrocknete Stellen, dadurch sind sie jedoch sehr auffällig. Hat man aber erst einmal Minen entdeckt, gelingt das weitere Auffinden recht schnell.

Mine von Stigmella myrtillella im Auflicht, NRW, Ostwestfalen, Stukenbrock, 19. August 2024 (Foto: Dieter Robrecht)

Das Aussehen der Minen hängt davon ab, wo das Ei abgelegt wurde, am Blattrand oder in der Nähe der Mittelrippe.

Eiablage am Blattrand: Der Kotgang verläuft zunächst ziemlich gerade am Blattrand entlang und mündet in einem Fleck. NRW, Ostwestfalen, Bielefeld-Sennestadt, 25. August 2024 (Foto: Dieter Robrecht)

Eiablage in der Nähe der Mittelrippe: Der Kotgang beginnt mit einer Reihe von S-Kurven und mündet in einem Fleck. NRW, Ostwestfalen, Willebadessen, 28. August 2024 (Foto: Dieter Robrecht)

Es stellte sich mir die Frage, ob Stigmella myrtillella mit der Heidelbeere weit verbreitet vorkommt oder doch eher selten ist. Letzteres ließ die Verbreitungskarte bei „Melanargia – Schmetterlingsportal für Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz“ vermuten, in der  bis Anfang August 2024 nur 10 Meßtischblatt-Viertelquadranten belegt waren.

Verbreitungskarte von Stgmella myrtillella, Stand Anfang August 2024.

Nachweiskarte von Stgmella myrtillella, Stand Anfang August 2024. Quelle: portal.melanargia.de

 

Deshalb suchte ich gezielt zwischen dem 16. und 28. August 2024 in Ostwestfalen einige Biotope auf, in denen Heidelbeere wächst. Dabei konzentrierte ich mich auf unterschiedliche MTB-Viertelquadranten, um rasch eine Verbreitung in der Fläche nachweisen zu können. Wie erwartet fand ich an halbschattigen bis schattigen Stellen jeweils innerhalb von fünf Minuten die ersten Minen. Das Ergebnis ist auf der aktualisierten Verbreitungskarte dargestellt: 13 neue schwarze Kästchen zieren die Karte, weitere werden folgen.

Nachweiskarte von Stgmella myrtillella mit Focus auf Ostwestfalen, Stand Ende August 2024. Quelle: portal.melanargia.de

Nachweiskarte von Stgmella myrtillella mit Focus auf Ostwestfalen, Stand Ende August 2024. Quelle: portal.melanargia.de

Dieser schnelle Erfolg führt mich zur Annahme, dass Stigmella myrtillella mit der Heidelbeere weit verbreitet vorkommt, und in (fast) jedem Heidelbeerbestand zu finden ist. In den an Nordrhein-Westfalen angrenzenden Niederlanden und ebenso in Belgien gibt es bereits zahlreiche Nachweise.

Lebensraum von Stigmella myrtillella, NRW, NSG Hühnermoor bei Harsewinkel. 30. August 2024 (Foto: Dieter Robrecht)

Nachtrag:

Verlassene Mine von Stigmella myrtillella, NRW, NSG Hühnermoor bei Harsewinkel. 30. August 2024 (Foto: Dieter Robrecht)

Literatur und Links
BORKOWSKI, A. (1994): Die Zwergminiermotten (Lep., Nepticulidae) der Länder Berlin und Brandenburg mit einer Stellungnahme zu ihrer Behandlung in der Roten Liste der gefährdeten Tiere. — Entom.Nachr.Ber., 38: 145-173, Dresden

JOHANSSON, R., NIELSEN, E.S., NIEUKERKEN, E.J. VAN, & GUSTAFSSON, B. (1990): The Nepticulidae and Opostegidae (Lepidoptera) of North West Europe. — Faun.Entom. Scand., 23, part 1 & part 2, København

ROBRECHT, D., VAN NIEUKERKEN, E. & WITTLAND, W. (2024): Die Lepidopterenfauna der Rheinlande und Westfalens, Band 21, Familie Nepticulidae

SOBCZYK, T., STÖCKEL, D., GRAF, F., JORNITZ, H., KARISCH, T. & WAUER, S. (2018): Die Schmetterlingsfauna (Lepidoptera) der Oberlausitz. Teil 5: Kleinschmetterlinge (Microlepidoptera) 1. Teil. Micropterigidae (Urmotten), Eriocraniidae (Trugmotten), Nepticulidae (Zwergminiermotten), Opostegidae, Heliozelidae (Erzglanzmotten), Adelidae (Langhornmotten), Prodoxidae (Rosen-Blattsackmotten), Incurvariidae (Miniersackmotten), Tischeriidae (Schopfstirnmotten), Meessiidae und Tineidae (Echte Motten), Roeslerstammiidae, Douglasiidae (Wippflügelfalter), Bucculatricidae (Zwergwickler), Gracillariidae (Blatttütenmotten, Miniermotten und Faltenminierer), Batrachedridae, Momphidae (Fransenmotten), Blastobasidae, Autostichidae, Amphisbatidae, Cosmopterigidae (Prachtfalter), Gelechiidae (Palpenmotten), Alucitidae (Federgeistchen), Pterophoridae (Federmotten), Pyralidae und Crambidae (Zünsler). — Entom.Nachr. Ber., Beih. 22, (= Beiträge zur Insektenfauna Sachsens, Bd. 20), Dresden

ELLIS, WN 2001-2024. Plant parasites of Europe: leafminers, galls and fungi. https://bladmineerders.nl – Vaccinium myrtillus (zuletzt aufgerufen am 30 August 2024)

observation.org: Nachweise von Stigmella myrtillella  (altes Design, nur validierte Funde). (zuletzt aufgerufen am 30 August 2024)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Eine Antwort zu Die Heidelbeer-Zwergminiermotte Stigmella myrtillella – eine vielfach übersehene Art?

  1. Carl-Peter Blumenthal sagt:

    Guten Morgen,
    ein wirklich sehr interessantes Beispiel, welches anregt selbst aktiv auf die Suche zu gehen. Aus diesem Grund herzlichen Dank für diesen außerordentlich motivierenden und anregenden Beitrag.
    Herzlichen Dank, Dieter!
    Liebe Grüße
    Carl-Peter Blumenthal

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