Naturschutz auf den Kopf gestellt: Die Roteiche wird Baum des Jahres

Invasive Roteichenverjüngung in der Wahner Heide. © Holger Sticht, BUND

Die Roteiche Quercus rubra soll Baum des Jahres 2025 werden, ein invasiver Forstbaum, der das Bodenleben schädigt und praktisch keinen Lebensraum für einheimische Insekten bietet. „Not in my forest“ kann ich da nur sagen. Ein Meinungsbeitrag.

Stell Dir vor, die Rheinisch-Westfälischen Lepidopterologen machten den Maiszünsler zum „Schmetterling des Jahres“. Der Falter hat doch immerhin das Potential, die derzeit üble Nutzung der Landschaft durch die lebensfeindlichen Mais-Monokulturen, zum Beispiel im Münsterland, zu beenden. Zumindest der Presse-Rummel wäre gesichert. Ob die Aktion am Insektensterben etwas ändert, sei mal dahingestellt, das Ganze wäre trotzdem eine – Schnapsidee!

In ähnlicher Weise danebengelangt hat nun eine Organisation der besonderen Art, der Verein Baum des Jahres e. V., der gerade die Roteiche zum „Baum des Jahres 2025“ ausgerufen hat.

Wie geht das vor sich? Hier mal wörtlich zitiert von der Webseite des Vereins: „Vertreter der Mitglieder des Kuratorium Baum des Jahres treffen sich einmal im Jahr im Herbst in Berlin anlässlich der Ausrufung des jeweiligen Jahresbaumes, wo sie beraten und beschließen, welche drei Baumarten den Mitgliedern [..des Vereins..] zur Abstimmung vorgeschlagen werden sollen. Die Mitgliedsorganisationen informieren ihre Kreise über den jeweils aktuellen Jahresbaum und verpflichten sich dabei auf die Urheberschaft des Vereins Baum des Jahres e.V. hinzuweisen.“

Im oben genannten Kuratorium des Vereins tummeln sich Interessensvertretern der Forstindustrie, aber auch seriöse Naturschutzorganisationen und Behörden, neben dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND), die Deutsche Dendrologische Gesellschaft (DDG), der Robin Wood e. V., das Thünen-Institut für Forstgenetik (TI) und das Julius Kühn-Institut (JKI) – Institut für Waldschutz.

Jetzt ist mir nicht bekannt in welchem gesundheitlichen Zustand die Kuratoriumsmitglieder bei der Sitzung in Berlin waren, aber dem einen oder anderen muss vorher doch ein dickerer Ast oder ähnliches auf den Kopf gefallen sein. Anders ist es nicht zu erklären, dass eine invasive Baumart (laut Bundesamt für Naturschutz), die den Boden schädigt und auf der praktisch keine Insekten leben, zum Baum des Jahres gewählt wird. Was für ein Armutszeugnis! Schirmherr der peinlichen Veranstaltung und oberster Baumfreund ist übrigens Cem Özdemir von den GRÜNEN, der aktuelle Bundes-Landwirtschaftsminister. Verzweiflung macht sich breit: Wo soll man nur in Zukunft sein Kreuzchen machen auf dem Wahlzettel?

Ein paar Zitate zum „Baum des Jahres“

Für unsere heimischen Wälder ist die Roteiche allerdings eine Katastrophe. Ihr Laub ist für viele Bodenlebewesen sehr giftig. Zudem breitet sie sich in durch Forstwirtschaft stark aufgelichteten Wäldern invasiv aus. Es ist also keine gute Idee, diese Baumart hier bei uns zu pflanzen.“
Peter Wohlleben, Förster und Autor, auf @instagram, 27.10.24
„Das ist eine schlechte Botschaft für den Biodiversitätsschutz. Hier sollten sich alle in ihren Verbänden deutlich dagegen positionieren!“
Tobias Krause, Biodiversitätsbeauftragter der Landeshauptstadt Düsseldorf, 27.10.24
Der Anbau der Rot-Eiche kann daher keinesfalls unterstützt und keineswegs empfohlen werden, denn es gilt nicht nur einseitig eine Holzproduktion zu sichern, sondern auch die Biologische Vielfalt im Wald und im Forst. […] Während die heimische Stiel-Eiche (Quercus robur) 570 Arten der Vergleichsgruppen an Tieren und Pilzen auf sich vereinen konnte, kommt die Rot-Eiche gerade einmal auf 84, [….]  Der Einsatz der Rot-Eiche steht damit im direkten Widerspruch zum Erhalt und zur Wiederherstellung lebendiger, stabiler Waldgesellschaften.
Achim Baumgartner (BUND NRW Naturschutzstiftung/BUNDzentrum Rhein-Sieg)

Ich will hier gar nicht weiter auf Details eingehen, die in Entomologenkreisen landläufig bekannt sind. Dass ich mit meiner Meinung nicht alleine dastehe, zeigen die beigefügten Zitate von Menschen die bekannter sind als ich.

Nur so viel: Die Amerikanische Roteiche Quercus rubra ist als Lebensraum für Insekten praktisch ein Totalausfall, gemessen an den einheimischen Stiel- und Traubeneichen. Sie macht den Boden kaputt und mindert die Biodiversität. Die Roteiche wächst schnell und bringt raschen Ertrag gerade WEIL keine Insekten daran leben. Die vom Verein genannte „Sonderaufgabe“ , man könne mit der Roteiche schöne Brandschutzstreifen in die brandenburgischen Kiefern-Monokulturen pflanzen, zeigt auf, wes Geistes Kind die Initiatoren der Aktion sind. Einen solchen Baum des Jahres auszuweisen kann nur erwerbsgetriebenen Forstleuten und Funktionären einfallen. Da geht es um Geld, mit Naturschutz und Biodiversität hat das NICHTS zu tun. Es schadet aber allen anderen Organisationen, die ein „XY des Jahres“ ausrufen, mit ehrlicher Absicht im Namen des Arten- und Biotopschutzes.

Im Fall der Roteiche gibt es von mir ein klares Not In My Forest! Setzt Euch dafür ein, dass in Euren heimischen Wäldern keine Roteichen unter falscher Flagge als Wohltaten für den Wald verkauft werden! Geht auf die Förster und Privatwaldbesitzer zu, die das trotzdem tun, ob aus Profitstreben oder Unkenntnis! Schaut den Politikern auf die Finger, die euch einen Quark erzählen, wenn es um Klimaschutz und Artenvielfalt im Wald geht. Veräppeln können wir uns selbst!

Eure Meinung zu dem Thema dürft Ihr gerne im Kommentarfeld unter diesem Beitrag abgeben, oder wir sehen uns dann Ende November am Stand der Arbeitsgemeinschaft auf dem Westdeutschen Entomologentages in Düsseldorf.

Literatur und Links:

Aufderheide, U., C. Peters, K. Mody & H. Marxen-Drewes (1924): Zukunfts- oder Klimabäume: Wie gut sind die Arten zur Förderung der Biodiversität geeignet? Naturschutz und Landschaftsplanung, 56 (8): 14-23.  DOI: 10.1399/NuL.52180

Bundesamt für Naturschutz: https://neobiota.bfn.de/invasivitaetsbewertung/gefaesspflanzen.html

Małgorzata, S.  Ł. Piechnik & A. Stefanowicz (2020): Invasive red oak (Quercus rubra L.) modifies soil physicochemical properties and forest understory vegetation. – Forest Ecology and Management, Volume 472, https://doi.org/10.1016/j.foreco.2020.118253 https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0378112720310227

https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/klimafolgen-anpassung/anpassung-an-den-klimawandel/anpassung-auf-laenderebene/handlungsfeld-wald-forstwirtschaft

https://baum-des-jahres.de/   und die dazugehörige Baumkönigin

Nachträge aus der Diskussion:

Nieukerken, E. J. van, Doorenweerd, C., Ellis, W. N., Huisman, K. J., Koster, J. C.,
Mey, W., Muus, T. S. T., Schreurs, A. 2012. Bucculatrix ainsliella Murtfeldt, a
new North American invader already widespread in northern red oaks (Quercus
rubra) in Western Europe (Bucculatricidae). Nota Lepidopterologica 35, 135-
159

Vor T.; Spellmann H.; Bolte A.; Ammer C. 2015: Potenziale und Risiken eingeführter Baumarten, Band 7, Göttinger Forstwissenschaften, Universitätsverlag Göttingen, S.219-267

 

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Raupen des Ölbaum-Zünslers an Liguster – eine unbemerkte Invasion?

Raupe von Palpita vitrealis an Liguster, 1. Oktober 2024, Gransdorf (Rheinland-Pfalz). Foto: Alexander Franzen

Der Ölbaum-Zünsler – Palpita vitrealis (ROSSI, 1794) ist aus Zentral- und Nord-Europa als sporadischer Irrgast bereits seit dem 19. Jahrhundert bekannt. Seit der Jahrtausendwende wird er in Deutschland vermehrt beobachtet, zuletzt alljährlich. Kann sich die Art hier erfolgreich etablieren?

Palpita vitrealis (Synonym: Palpita unionalis) ist kosmopolitisch verbreitet, den Kern seines Areals bilden die Subtropen der Alten Welt. Die Raupen der ernähren sich von den Blättern verschiedener Ölbaumgewächse (Oleaceae) und treten in Ölbaum- und Jasmin-Kulturen als ökonomisch relevante Schädlinge in Erscheinung.

In Europa gilt P. vitrealis lediglich in küstennahen Gebieten des mediterranen Südens als bodenständig, beispielsweise in Andalusien. Dort können die weiß-transparenten Falter ganzjährig beobachtet werden. Im Jahr 2024 wurde P. vitrealis in Deutschland bemerkenswert häufig nachgewiesen, allein auf www.observation.org wurden bis Anfang Oktober mehr als 200 Beobachtungen aus 13 Bundesländern dokumentiert.

Über die Ursachen dieser Entwicklung lassen sich – wie so oft – nur Vermutungen anstellen. Denkbar ist, dass die subtropische P. vitrealis im Süden Europas von den vielfach ungewöhnlich milden Wintern und heißen Sommern der letzten Jahre profitiert hat, weshalb sich möglicherweise mehr Falter auf den Weg nach Norden machen (können) als dies früher der Fall war. Wetterlagen, die den Einflug mediterraner Wanderfalter begünstigen, sind allerdings nicht signifikant häufiger geworden, als sie es früher waren. Auch koinzidiert das Auftreten des Falters in Deutschland zwar oft, aber eben nicht immer mit solchen Wetterlagen.

Raupe von Palpita vitrealis an Liguster, 1. Oktober 2024, Gransdorf (Rheinland-Pfalz). Foto: Alexander Franzen

Fakt ist jedoch auch, dass immer wieder Eier, Raupen, Puppen oder Falter eingeschleppt werden. Insbesondere der Ölbaum, die bevorzugte Nahrungspflanze der Raupen, wird im Süden im großen Stil für den Export kultiviert und erfreut sich hierzulande einer wachsenden Beliebtheit. In Gartencentern, Baumärkten und selbst beim Discounter werden Olivenbäume vertrieben, mit und ohne tierische Untermieter. Effekte des Klimawandels wie auch die zunehmende Verschleppung durch den Handel mit mediterranen Gehölzen sind jedoch letztendlich nur zwei der vielen Faktoren, die in Prozessen wie diesem eine Rolle spielen können.

Von einer beginnenden festen Etablierung des Ölbaum-Zünslers in Deutschland ist vorerst nicht auszugehen, denn kein Entwicklungsstadium von P. vitrealis ist in der Lage anhaltende winterliche Kälte und Frost zu überdauern. Bisher liegen keine Hinweise auf erfolgreiche Überwinterungen vor, Imagines wurden in Deutschland ausschließlich in den Monaten Juni bis November beobachtet. Aus dem atlantischen Westen Europas sind ebenfalls keine Freiland-Nachweise aus dem Frühling bekannt; selbst im mediterranen Süd-Frankreich ist dies die Ausnahme.

Da ein permanentes Vorkommen also (noch) ausgeschlossen werden kann, die Anzahl der aktuellen Nachweise durch Einflug- und Einschleppungs-Ereignisse aber nicht zufriedenstellend zu erklären ist, wirft die derzeit zu beobachtende Invasion der Ölbaum-Zünsler weiterhin Rätsel auf – zumal aus Deutschland bislang keine Freiland-Nachweise von Eiern oder Raupen bekannt waren.

Dies änderte sich erst vor einigen Wochen, als Annette von Scholley-Pfab in München-Gern mehrere Falter von P. vitrealis bei der Ei-Ablage an Liguster beobachtete und im Lepiforum über eine erfolgreiche ex larva-Zucht berichtete. Obwohl der zu den Ölbaumgewächsen (Oleaceae) zählende Gewöhnliche Liguster (Ligustrum vulgare) als Nahrungspflanze des Ölbaum-Zünslers hinreichend bekannt ist, wurde die Suche nach den Raupen von Palpita vitrealis an dieser Pflanze bisher offenbar vernachlässigt. Vom genannten Beitrag im Lepiforum inspiriert stattete ich am 1. Oktober 2024 einigen Liguster-Sträuchern, die im Zuge des Baus der Autobahn A60 bei Gransdorf (Rheinland-Pfalz) gepflanzt wurden, einen Besuch ab. Fraß-Spuren, verlassene Gespinste und schwarze Kot-Krümel verrieten bereits auf den ersten Blick, dass hier Raupen am Werk waren. In einem zusammengerollten Blatt fand ich schließlich die etwa 20mm lange, charakteristisch blaugrün gefärbte Raupe von P. vitrealis. Die überwiegend nachtaktive Raupe verließ ihr in einem zusammengerollten Blatt angelegtes Gespinst nur zur Nahrungsaufnahme (die gereichten Liguster-Blätter wurden regelrecht skelettiert!) und verpuppte sich in der Nacht zum 5. Oktober 2024.

Der Gewöhnliche Liguster (Ligustrum vulgare) ist im größten Teil Deutschlands heimisch und ähnlich wie der Ovalblättrige Liguster (Ligustrum ovalifolium) eine beliebte Gartenpflanze – und möglicherweise ein Teil der Lösung des Rätsels um die alljährliche Ölbaum-Zünsler-Flut: Sollten sich die Nachkommen eingeflogener oder eingeschleppter Falter hierzulande nicht nur ausnahmsweise an Liguster entwickeln (was erst durch weitere Beobachtungen abgesichert werden sollte!), ist das gehäufte Auftreten von Palpita vitrealis wenig erstaunlich: Liguster-Sträucher stehen anders als Ölbaum oder Jasmin flächendeckend und in geradezu unbegrenzter Anzahl zur Verfügung.

Starker Anstieg der Nachweise von Palpita vitrealis in Deutschland, Stand 10. Oktober 2024
Quelle: Observation International © 2024

Da die Entwicklung vom Ei zur Imago unter optimalen Bedingungen innerhalb von nur drei bis vier Wochen abgeschlossen werden kann, werden möglicherweise sogar mehrere Generationen ausgebildet, solange die Witterung dies zulässt. Falls sich diese Vermutung bestätigen sollte, handelt es sich bei Palpita vitrealis anders als bisher vermutet nicht nur um einen gelegentlichen Einwanderer, sondern um einen Vermehrungsgast.

Link:
Palpita vitrealis, Bilder und Verbreitungskarte bei PlantwisePlus Knowledge Bank

 

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Beobachtungen des Labkrautschwärmers Hyles gallii beim Tagebau Inden

Lebensräume für wärmeliebende Arten – dafür sind die Braunkohlereviere im Rheinland bekannt. Die trockenen und sonnigen Standorte sind ein lohnendes Ziel für die Suche nach Schwalbenschwanz, Mauerfuchs und Co. Dabei stöberten wir Mitte August 2024 unverhofft einen ruhenden Labkrautschwärmer in der trockenen Staudenvegetation auf, und ein paar Tage später fand sich dort auch die Raupe.

Wärmeliebende Insekten zählten zu den Zielarten, die uns im Spätsommer 2024 regelmäßig an den Rand des Braunkohletagebaus Inden im Kreis Düren führten. Neben den bereits erwähnten Falterarten ist z.B. auch die Kleine Zangenlibelle in den dortigen Gewässern zuhause. Und es gibt immer wieder neue Überraschungen, wie den Vermehrungsnachweis des Labkrautschwärmers Hyles gallii. Wir fanden den Falter, beobachteten wie sich die Raupe eingrub, und dokumentierten die Entwicklung der Puppe in den folgenden 19 Tagen.

Tag 0: Die Raupe gräbt sich ein

Am 26. August, neun Tage nach der Begegnung mit dem Falter, hörten wir ein paar dutzend Meter von seinem Fundort entfernt ein leises Rascheln in der Vegetation. Der Urheber fand sich schnell: eine dicke Raupe des Labkrautschwärmers. Emsig und für uns scheinbar ziellos lief sie kreuz und quer über den steinigen und spärlich bewachsenen bis nackten Boden.

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Wiederfund des Ampfer-Zwergminierfalters (Enteucha acetosae) in Hessen

Am 18. September 2024 gelang mir, mehr oder weniger zufällig, der Nachweis einiger besetzter Minen des Ampfer-Zwergminierfalters (Enteucha acetosae) auf einer Waldwiese im Messeler Hügelland zwischen Darmstadt und Dieburg. Soweit mir bekannt wohl ein Erstnachweis für Südhessen und ein Wiederfund für Hessen.

Dass ich die Art überhaupt auf dem Schirm hatte, war nur der Tatsache zu verdanken, dass ich vor kurzem über ein Foto gestolpert war, und da die Minen ja doch recht auffällig und hübsch sind, den Entschluss gefasst hatte, irgendwann einmal danach zu suchen. Eigentlich hatte ich die gezielte Nachsuche in der Umgebung aber mangels neuerer Nachweise im Umkreis von gut 100 km sofort verworfen. Eigentlich hatte ich auch nur eine Raupe vom Brombeerspinner (Macrothylacia rubi) in der Wiese sitzen gesehen, als mir eine Rumex acetosa Pflanze ins Blickfeld geriet. Auffällig war sofort ein mit sieben noch besetzten Minen befallenes Blatt, deren rote Kringel, zumindest wenn man die Mine vor seinem inneren Auge hat, doch Aufmerksamkeit erregen. An einem weiteren Blatt waren noch vier ältere schon verlassene Minen zu finden. Da es an dem Tag schon später Abend war und die Sonne bereits untergegangen war, konnte ich auf die Schnelle keine weiteren besetzten Pflanzen ausmachen.

Besetzte Minen von Enteucha acetosae an Rumex acetosa. Mainzer Berg zwischen Darmstadt und Dieburg. 18. September 2024. (Foto: Dennis Sanetra)

Die Ampfer-Pflanze stand so ziemlich inmitten der Wiese in einem dichten Rasen aus Festuca rubra. Die Wiese ist eine selten (ob überhaupt?) gemähte, kleine Waldwiese, die zumindest dieses Jahr nicht gemäht wurde und wahrscheinlich hauptsächlich als Wildäsungsfläche dient. Durch die ausgebliebene Mahd hat sich ein Mosaik aus allen möglichen Sukzessionstadien gebildet. An vielen Stellen dominiert Festuca rubra zusammen mit Luzula campestris und einigen Kräutern wie Rumex acetosa oder Veronica chamaedrys. Rumex acetosella ist vor allem an Stellen die von Wildschweinen aufgewühlt wurden flächendeckend häufig. Von den Seiten dringt Calamagrostis epigejos und Prunus spinosa in die Fläche ein. Zusätzlich ist ein Feuchtigkeitsgradient durch die relativ starke Hangneigung vorhanden. Am Hangfuß ist es sehr nass und Binsen dominieren fleckenweise. Der Wald um die Fläche herum ist generell forstlich beeinflusster Buchenwald, an der Südseite befindet sich allerdings ein schöner wärmebegünstigter Hang mit Traubeneichen, Birken-Zitterpappel-Sukzessionswald und Besenginster.

Mit Minen besetzte Pflanze von Rumex acetosa in der Wiese. Mainzer Berg zwischen Darmstadt und Dieburg. 18. September 2024. (Foto: Dennis Sanetra)

Waldwiese als Habitat von Enteucha acetosae. Die besetzten Rumex acetosa Pflanzen befanden sich auf halber Hanghöhe etwa in der Mitte der Wiese, besetzte Pflanzen von Rumex acetosella waren direkt am linken unteren Bildrand auf von Wildschweinen aufgewühltem Boden. Rechts im Bild ist der wärmebegünstigte Südhang zu sehen. Mainzer Berg zwischen Darmstadt und Dieburg. 18. September 2024. (Foto: Dennis Sanetra)

Am folgenden Tag besuchte ich die Stelle erneut und unterzog die Fläche nochmals einer genaueren Nachsuche. Weiterlesen

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Die Heidelbeer-Zwergminiermotte Stigmella myrtillella – eine vielfach übersehene Art?

Die intensive Beschäftigung mit den Zwergminiermotten (Nepticulidae) stößt nur bei einem kleinen Teil der Schmetterlingsforscher auf reges Interesse. Der Nachweis und die Bestimmung der winzigen Falter ist nun einmal nicht jedermanns Sache. Das Auffinden einer Art gelingt jedoch ungleich leichter, wenn man sich auf die Suche nach den Blattminen begibt. Ein Suchtipp für den Spätsommer.

Auch für den ungeübten Forscher ist der Nachweis an Wirtspflanzen relativ einfach, an denen nur wenige Insektenarten minieren. Ein Beispiel ist die Heidelbeere (Vaccinium myrtillus). Laut www.bladmineerders.nl gibt es sieben Minierer an Heidelbeere, davon drei Blattsackfalter (Gattung Incurvaria), zwei Miniersackträger (Coleophora), ein Wickler (Tortricidae) und Stigmella myrtillella (Nepticulidae). Das Fraßbild der erstgenannten Arten ist jedoch vollkommen anders als bei S. myrtillella.

Für den Nachweis der Art ist es deshalb völlig unerheblich, ob noch eine Raupe darin miniert oder das Blatt schon leer ist. Das Gewirr an Heidelbeerblättern lässt nur vordergründig eine Suche aussichtslos erscheinen. Im Auflicht wirken die Minen wie vertrocknete Stellen, dadurch sind sie jedoch sehr auffällig. Hat man aber erst einmal Minen entdeckt, gelingt das weitere Auffinden recht schnell.

Mine von Stigmella myrtillella im Auflicht, NRW, Ostwestfalen, Stukenbrock, 19. August 2024 (Foto: Dieter Robrecht)

Das Aussehen der Minen hängt davon ab, wo das Ei abgelegt wurde, am Blattrand oder in der Nähe der Mittelrippe.

Eiablage am Blattrand: Der Kotgang verläuft zunächst ziemlich gerade am Blattrand entlang und mündet in einem Fleck. NRW, Ostwestfalen, Bielefeld-Sennestadt, 25. August 2024 (Foto: Dieter Robrecht)

Eiablage in der Nähe der Mittelrippe: Der Kotgang beginnt mit einer Reihe von S-Kurven und mündet in einem Fleck. NRW, Ostwestfalen, Willebadessen, 28. August 2024 (Foto: Dieter Robrecht)

Es stellte sich mir die Frage, ob Stigmella myrtillella mit der Heidelbeere weit verbreitet vorkommt oder doch eher selten ist. Letzteres ließ die Verbreitungskarte bei „Melanargia – Schmetterlingsportal für Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz“ vermuten, in der  bis Anfang August 2024 nur 10 Meßtischblatt-Viertelquadranten belegt waren.

Verbreitungskarte von Stgmella myrtillella, Stand Anfang August 2024.

Nachweiskarte von Stgmella myrtillella, Stand Anfang August 2024. Quelle: portal.melanargia.de

 

Deshalb suchte ich gezielt zwischen dem 16. und 28. August 2024 in Ostwestfalen einige Biotope auf, in denen Heidelbeere wächst. Dabei konzentrierte ich mich auf unterschiedliche MTB-Viertelquadranten, um rasch eine Verbreitung in der Fläche nachweisen zu können. Weiterlesen

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Mosel-Apollofalter (nur noch) in den Medien

„Das Problem ist quasi dass er uns zwischen den Händen stirbt“, sagt Jörg Hilgers, Biotopbetreuer im Landkreis Mayen-Koblenz. Die Bemühungen der Arbeitsgemeinschaft rund um den „Schmetterling des Jahres 2024“ ziehen ihre Kreise. Fakt ist, dass die Art im Jahr 2024 einen historischen Tiefstand erreicht hat, was die Nachweise der Falter angeht. Ob es gelingt den Falter durch Erhaltungszucht zu retten ist zumindest fraglich. Und die Fungizide spielen – entgegen aller Bekundungen – anscheinend doch eine Rolle beim Aussterben der Art. Den folgenden Beitrag des SWR vom 26. August wollen wir Euch nicht vorenthalten, bildet Euch selbst eine Meinung dazu.

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Beitragstext des SWR
„Den Mosel-Apollo-Falter gibt es nur an der Mosel. Noch. Jörg Hilgers ist der Biotopbetreuer im Landkreis Mayen-Koblenz und seit 2021 mit einem Erhaltungsprojekt betraut. Dazu gehört, verbuschte Brachflächen freizuschneiden oder Futterpflanzen anzusiedeln, aber vor allem: Ursachenforschung zu betreiben. Denn ein Spritzmittel gegen Pilze im Weinbau steht unter Verdacht – andererseits ist der Falter auf den Weinbau angewiesen, er braucht die Trockenmauern und offenen Flächen zum Überleben. Das Vorkommen des seltenen Schmetterlings ist in den vergangenen zehn Jahren extrem zurückgegangen.“

 

Die von uns recherchierten Fakten findet Ihr wie gewohnt unter melanargia.de/apolloschutz

 

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Wiederfund des Zweizahn-Winkelspanners Euphyia biangulata in der Niederrheinischen Bucht

Gute Naturschutzarbeit wird belohnt: der Zweizahn-Winkelspanner Euphyia biangulata (Haworth, 1809), der in der Obstblütenlandschaft Botzdorf-Hennessenberg bei Bornheim ans Licht kam, ist ein Wiederfund dieser Art in der Niederrheinischen Bucht.

Die alte Kulturlandschaft, genannt „Obstblütenlandschaft Botzdorf-Hennessenberg“ in Bornheim, steht größtenteils unter Naturschutz und ist reich strukturiert mit vielen verschiedenen Biotopen wie Wäldchen, Hecken, Obstwiesen, Weiden, Wildkrautäckern, Brachen sowie offenen Sandflächen und Kleingewässern. Hier engagieren sich eine Reihe von Initiativen und Vereinen und pflegen die Flächen in Handarbeit. Mit vielen Kartierungen wurden schon beeindruckende Artenlisten verschiedenster Organismengruppen erstellt [1].  Mein Mann Hajo Schmälter und ich tragen nach und nach einiges an Nachtfalterarten zusammen. Wir freuen uns nicht nur selbst über seltene Falter, sondern auch darüber, den Akteuren dort immer wieder den Lohn ihrer Mühen vor Augen führen zu können.

Euphyia biangulata, Bornheim, 18. August 2024  (Foto: Brigitte Schmälter)

Der Abend des 18.08.2024 ließ sich „durchwachsen“ an, zwar blieb es trocken, doch kam Wind auf, der die Leuchtürme und auch die Falter heftig durcheinanderschüttelte und uns schon ans Abbauen denken ließ. Die Artenliste des Abends war mittelprächtig, doch konnte ich der dortigen Gesamtliste von mehr als 300 Nachtfalterarten weitere zehn  hinzufügen. Und darunter ragte Euphyia biangulata besonders hervor,  ein augenscheinlich frischer Falter mit schönen Grüntönen. Diese hübsche und auffällige Art kann man eigentlich weder übersehen noch verwechseln, wenn man sie zu Gesicht bekommt.

Die Art gilt in Nordrhein-Westfalen nach der Roten Liste von 2021 insgesamt als gefährdet (Kategorie 3), in der Niederrheinischen Bucht (NRBU) als ausgestorben oder verschollen [4].

In der Verbreitungskarte von Euphyia biangulata im Melanargia-Portal gibt es einige Funde in Quadranten, die über die Grenze der Niederrheinischen Bucht hinaus reichen [6]. Diese habe ich an Hand der originalen Datenbankeinträge überprüft. Zwei Funde vor 2021 im Grenzbereich zur Niederrheinischen Bucht sind ganz knapp außerhalb der NRBU gelegen, einmal flog ein Falter 2013 Ludger Wirooks im Propsteier Wald bei Eschweiler ans Licht, wobei die Naturraumgrenze durch diesen Wald läuft. 2017 fand Heinz Schumacher einen Falter bei Königswinter im NSG Siebengebirge, am Felsfuß des Drachenfelses oberhalb der Weinberge. Dieses Habitat ist faktisch dem Naturraum Eifel/Siebengebirge zuzurechnen, auch wenn es formal noch in der Bucht liegt. Doch wurde die Grenzziehung der Naturraumgrenzen schon mehrfach als zu grob kritisiert [3], sie passt in vielen Einzelfällen, so auch am Drachenfels, nicht zu den tatsächlichen Gegebenheiten. Alle anderen biangulata-Funde in Quadranten, durch die Naturraumgrenzen der Niederrheinischen Bucht (NRBU) verlaufen, liegen  im Naturraum Eifel/Siebengebirge.

Wenn es ein Wiederfund ist, muss es eigentlich alte Funde geben, zumal in der Roten Liste von 2011 die Art in der NRBU noch in Kategorie 2 geführt wurde. Möglicherweise beruhte das jedoch auf der irrtümlichen Zuordnung des Kottenforstes bei Bonn mit den dortigen Funden zur NRBU, wie mir zu Ohren kam. Der Kottenforst gehört allerdings naturräumlich zur Eifel. Bisher habe ich jedenfalls keine alten Funde in der Bucht ausfindig machen können. Der neue Fundort des Zweizahn-Winkelspanners in Bornheim liegt eindeutig in der Niederrheinischen Bucht, auch wenn er am Vorgebirge bereits etwas höher liegt als die Rheinebene.

E. biangulata wird als Art der Wälder und Waldränder beschrieben, wobei sie auch mit kühlen Lagen zurechtkommt, [2] und [5]. Außerdem braucht sie eher feuchte Habitate, wo Sternmieren der Gattung Stellaria, die (Haupt-) Nahrungspflanzen ihrer Raupen, z.B. an feuchten Wegrändern wachsen – also eher andere Sternmieren als die bekannte Vogelmiere, die als Acker- und Gartenunkraut bekannt ist. Vielleicht gefällt der Art daher die Obstblütenlandschaft, wo es auch solche feucht-schattigen Bereiche gibt, die selten gemäht werden. Wo dagegen die Wegränder von Waldwegen und Straßen häufig und gründlich „abrasiert“ werden, kann die Art nicht überleben.

Literatur und Links:

[1], Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., Kreisgruppe  Rhein-Sieg (2024): Pflanzen und Tiere in der Obstblütenlandschaft Bornheim
https://www.bund-rsk.de/fileadmin/rheinsieg/Publikationen/Obstbluetenlandschaft2024-kl.pdf

[2] Ebert, G. [Hrsg.] (2001): Die Schmetterlinge Baden-Württembergs. Band 8: Nachtfalter VI. – 541 S.; Stuttgart (Ulmer).

[3] Schumacher, H. & Vorbrüggen, W. (2013): Kritische Anmerkungen zur Abgrenzung der Großlandschaften in Nordrhein-Westfalen – Melanargia, 25: 26-29, Leverkusen

[4] Schumacher, H. & Vorbrüggen, W. (2021): Rote Liste und Artenverzeichnis der Schmetterlinge – Lepidoptera – in Nordrhein-Westfalen. 5. Fassung, Stand: Makrolepidoptera Dezember 2020, Stand Mikrolepidoptera März 2021. – Melanargia, 33, Beiheft 1: 1-174, Leverkusen

[5] Steiner, A., Ratzel, U., Top-Jensen, M. & Fibiger, M. (2014): Die Nachtfalter Deutschlands. Ein Feldführer. – Østermarie (BugBook Publishing)

[6] Melanargia-Portal, Verbreitungskarte von Euphyia biangulata, https://portal.ag-rh-w-lepidopterologen.de/Lepi/EvidenceMap.aspx?Id=444714 abgerufen am 19.08.2024

Obstblütenlandschaft Bornheim: Aktuelle Daten bei observation.org

 

 

 

 

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Wechsel an der Spitze des Vereins

Neue Aufstellung: Die Mitglieder des alten und neuen Vereinsvorstandes vor dem Gebäude des Bahnhofs in Eitorf. Von links: Heinz Schumacher, Wolfgang Vorbrüggen, Brigitte Schmälter, Karl-Heinz Jelinek, Tim Laußmann, Jörg Siemers, Armin Radtke, Daniel Müller, Armin Dahl. Verhindert waren Günter Swoboda, Thomas Carl Reifenberg und Klaus Hanisch. 3. August 2024

Auf der Mitgliederversammlung in Eitorf am 3. August 2024 übergaben die seit Jahrzehnten tätigen Vereinsvorstände Wolfgang Vorbrüggen und Heinz Schumacher ihre Ämter an die nächste Generation. Tim Laußmann und Jörg Siemers stehen ab sofort an der Spitze des Vereins. Der Übergang in der Führungsetage wurde im Anschluss an die Sitzung durch Exkursionen in die nähere Umgebung harmonisch abgerundet.

Nach 34 Jahren iss jetzt auch mal gut!“ fährt es aus Wolfgang Vorbrüggen heraus. Zuvor hatte er den anwesenden Mitgliedern des Vereins die Gründe für den Rückzug aus der Spitze der Arbeitsgemeinschaft dargelegt und einen kurzen Abriss der zurückliegenden Jahrzehnte gegeben. Und auch Heinz Schumacher legte danach sein Amt als stellvertretender Vorsitzender nieder. Der Übergang war zum Glück keine richtige Überraschung, sondern von langer Hand vorbereitet. Wolfgang und Heinz bleiben dem Verein in der 2. Reihe des Vorstands treu, werden ihr Wissen weitergeben und als Berater zur Verfügung stehen.

Tim Laußmann, promovierter Chemiker aus Leverkusen, hatte als Zivildienstleistender schon „unter“ dem Altmeister Friedhelm Nippel mit Schmetterlingen zu tun, er wird zukünftig den Verein als 1. Vorsitzender weiterführen. Als ausgewiesener Tagfalterexperte und hervorragender Fotograf ist er zudem vertraut mit moderner Technik. Seine Steckenpferde ist das Kleine Nachtpfauenauge Saturnia pavonia, und aktuell der Kampf  gegen das Aussterben des Mosel-Apollofalters.

Mit Jörg Siemers aus Köln-Vogelsang steht ihm jetzt ein 2. Vorsitzender zur Seite, der den Arbeitskreis Entomologie des NABU Köln leitet und sich nicht nur für Mikros und Blattminierer begeistern kann, sondern auch die „Citizen Scientists“ rund um naturgucker und observation fest im Blick hat. Jörg hat sich unter anderem auch durch Zähigkeit und Verhandlungsgeschick im Umgang mit dem komplexen Datenbank-Portal des Vereins ausgezeichnet, und arbeitet im „Nebenjob“ bei der Telekom in Bonn.

Die Mitgliederversammlung in der ehemaligen Schalterhalle des Bahnhofs in Eitorf mit allen Regularien, Vorstandswahlen, kleinen Satzungsänderungen und ansonsten überschaubarer Tagesordnung war von Brigitte und Hajo Schmälter perfekt organisiert worden. Der alte Vorstand ist entlastet, die Vereinskasse gut gefüllt und geprüft, die allfälligen Abstimmungen verliefen mit wenigen Enthaltungen einstimmig ab.

Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Phengaris nausithous) mit seinem Parasiten, der Schlupfwespe Neotypus melanocephalus,

Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Phengaris nausithous) mit seinem Parasiten, der Schlupfwespe Neotypus melanocephalus, Eitorf, 3. August 2024. Foto: Bernd Gregarek

Im Anschluss an den ausgesprochen harmonisch verlaufenen offiziellen Teil ging es unter Führung von Heinz Schumacher und Brigitte Schmälter in die Steinbrüche der Umgebung, und zu den Ameisenbläulingen in den Wiesen entlang der Sieg. Die Exkursionen bei schweißtreibendem Wetter waren ebenfalls erfolgreich, auf den Bläulingswiesen gab es viele Falter aus nächster Nähe, und im Steinbruch bei Unkelmühle viele Spanische Fahnen (Euplagia quadripunctaria) auf Wasserdost und in den Felswänden. Eine rundum gelungene Veranstaltung, so macht das Vereinsleben Spaß! Und deshalb folgt hier gleich noch eine Premiere auf dieser Webseite, das

Grußwort des neuen Vorstandes
Tim Laußmann und Jörg Siemers

Liebe Vereinsmitglieder, liebe Freundinnen und Freunde der Schmetterlinge.

Nach vielen Jahren haben sich unser Vorsitzender, Wolfgang Vorbrüggen, und sein Vertreter, Heinz Schumacher, entschieden, den Staffelstab weiterzureichen. Das bedauern wir sehr, haben aber auch großes Verständnis für die Entscheidung. Glücklicherweise verlassen die beiden unseren Vorstand nicht, sondern stehen weiterhin als Beisitzer mit Rat und Tat zur Verfügung. Für die geleistete Arbeit und ihren unablässigen Einsatz möchten wir den beiden im Namen des Vereins unseren herzlichen Dank aussprechen, denn wir wissen auch, dass die Vorstandsarbeit viele administrative Aufgaben mit sich bringt, die sich nur selten großer Beliebtheit erfreuen. Die ausgesprochen freundschaftliche Atmosphäre und der beeindruckende Zusammenhalt im Verein ebenso wie die wertvolle und partnerschaftliche Zusammenarbeit mit allen anderen Vorstandsmitgliedern haben uns überzeugt, den Vorsitz im Vorstand zukünftig zu übernehmen. Wir möchten den Verein weiterhin „am Laufen halten“, so dass sich die Mitglieder jederzeit sinnvoll einbringen können und eine gute und zuverlässige Infrastruktur vorfinden.

Hierzu gehören u.a. die Datenbank, der Internetauftritt und insbesondere unser Vereinsheft „Melanargia“. Denn im Mittelpunkt der Vereinstätigkeit soll weiterhin der satzungsgemäße Hauptzeck unserer Arbeitsgemeinschaft stehen, nämlich den Bestand an Schmetterlingsarten im rheinisch-westfälischen Faunengebiet zu erfassen, seine Veränderungen sowie die Ökologie und Verbreitung der einzelnen Arten wissenschaftlich zu erforschen und die Ergebnisse zu veröffentlichen. Hier dürfen wir uns keiner Illusion hingeben – die Artenkenntnis lag und liegt immer mehr in der Hand von Privatpersonen und auch beim Erhalt der Lebensräume sind unsere geliebten Schuppenflügler auf unser ehrenamtliches Engagement angewiesen. Wirklich erfreulich ist, dass unser Verein durch Euch, liebe Vereinsmitglieder, und durch Eure verschiedenen Talente und Kenntnisse diese Leistungen erbracht hat und weiter erbringt.

Für einen Verein mit einem für die breite Bevölkerung vielleicht etwas abseitigen Tätigkeitsschwerpunkt ist ein Altersdurchschnitt von deutlich über 50 Jahren nicht untypisch. Umso schöner ist es, dass es in den vergangenen Jahren gelungen ist, zahlreiche junge Leute für das Hobby Schmetterlingskunde zu begeistern. Dies haben wir vor allem unserer erstklassig administrierten Homepage und unserem Auftritt in den so genannten „sozialen Medien“ zu verdanken, sowie dem unermüdlichen Einsatz einzelner Vereinsmitglieder (wir verweisen z.B. auf die WhatsApp-Gruppe „Lepidioten und Mottenzotten“). Wir halten diesen Punkt – in unserer Satzung als „Förderung der Jugend“ bezeichnet – für die zentrale Zukunftsaufgabe unseres Vereins. Hier bitten wir um rege Beteiligung: Organisation von Exkursionen (auch im ganz kleinen Rahmen), Beratung in Sachen Ausstattung und Artenkenntnis, aber auch die kostenlose Abgabe von nicht mehr benötigtem Equipment. Hier sehen wir uns auf einem guten Weg!

Es gibt aber auch kritische Punkte, über die wir uns Gedanken machen: unser unermüdlicher Schriftleiter Günter Swoboda braucht dringend Unterstützung. Hier suchen wir insbesondere „Reviewer“ mit besonderer Artenkenntnis zu bestimmten Schmetterlingsfamilien, um die hohe Qualität unserer Publikationen auch in Zukunft gewährleisten zu können. Die Erstellung und der Versand der „Melanargia“ ist mit einem gleichfalls hohen Zeitaufwand und auch körperlicher Anstrengung verbunden. Dies kann nicht genug gewürdigt werden. Daher ist es umso wichtiger, Personen zu finden, die sich als Vertreter und Unterstützer von Günter einbringen können.

Ein weiterer Punkt ist die Bearbeitung der Landessammlung im Löbbecke-Museum. Auch hier werden wahrscheinlich in Zukunft wieder helfende Hände benötigt, um die Kontinuität der Arbeit in einem überschaubaren Rahmen zu gewährleisten. Erfahrung bei der Präparation und bei der Arbeit mit Sammlungen sind nützlich.

Liebe Vereinsmitglieder, der Verein lebt einzig und allein davon, dass ihr euch einbringt. Wenn ihr also Beiträge für unsere „Melanargia“ oder für die Homepage liefern könnt: immer her damit! Es muss nicht perfekt sein, ihr bekommt jede Menge Unterstützung von erfahrenen Autoren und unserem Schriftleiter! Und noch ein Appell an alle Kreativen und Künstler in unserem Verein: Wir würden gerne Eure eigenen kreativen Beiträge zusätzlich für den Internetauftritt unseres Vereins nutzen: Habt Ihr kurze (Handy-)Videos mit informativem und / oder kreativem Inhalt, die wir für unseren YouTube-Kanal „MothHunters“ nutzen könnten? Habt Ihr Fotos oder Kunstwerke, die wir auch über den Instagram- oder Facebook-Account des Vereins posten können? Es besteht auch Bedarf an einer kreativen Gestaltung von Informationsblättern zu verschiedenen Themen, die wir im Rahmen von Veranstaltungen verteilen können. Alles das trägt zu einer besseren Sichtbarkeit des Vereins, insbesondere bei jungen Menschen, bei.

Abschließend noch eine Anmerkung: die weitere, behutsame Digitalisierung des Vereins und seiner Kommunikationswege ist von großer Bedeutung, dennoch sind wir Freunde des geschriebenen bzw. des gedruckten Wortes. Daher wird es unsere Vereinspublikationen auch weiterhin in gedruckter Form geben. Nichts ist schöner als ein gebundenes Buch, und: es ist auch in 200 Jahren noch lesbar! Denkt daran: das geschriebene Wort ist das, was von uns bleibt!

Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit und ein aktives Vereinsleben!

Herzliche Grüße

Tim Laußmann und Jörg Siemers

 

 

 

 

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@MothHunters – Moselexkursion 2024 auf youtube

Hier mal zur Abwechslung ein Video aus unserem Mottenkanal @MothHunters auf  youtube, zusammengestellt von Tim Laußmann. Exkursionsgebiet war die Moselschleife bei Zell, und die zugehörigen Seitentäler. Mehr als 350 Tag- und Nachtfalterarten an einem Wochenende, und das obwohl ein Leuchtabend komplett ins Wasser fiel: Fast 20 Teilnehmende werden Lichtfänge und Tagesexkursion nicht vergessen!

Und noch eine Erinnerung: Bitte meldet uns ALLE Termine zu Euren Exkursionen, Vorträgen und anderen entomologischen Veranstaltungen aus unserem Arbeitsgebiet.  Alle Termine findet Ihr in unserem Kalender.

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Immer weniger Tagfalter – Wie weit ist der Naturschutz vom Artenschutz entfernt?

Fast zwei Drittel aller Tagfalterarten sind in Deutschland in den letzten 100 Jahren seltener geworden, aber 15 % der Landesfläche Deutschlands sind Schutzgebiete. Irgendetwas scheint daran nicht zu stimmen.

Thüringische Landschaft in der Nähe von Schmalkalden, dargestellt um 1870 durch den Maler JOHANN HEINRICH RUDOLPH. Der Hügel ist baumlos, und der Boden ist nur
spärlich bewachsen. Die offenen Sandflächen und Abbruchkanten boten diversen Insekten einen idealen Lebensraum. Eine solche Landschaft ist im heutigen Deutschland fast verschwunden (Abdruck mit freundlicher Genehmigung von VERONIKA TÜRCKE geb. RUDOLPH).

Die Tagfalter der Eifel, einst artenreich verbreitet von den Kalkrasen im Raum Blankenheim im Norden bis zu den Bachtälern im Raum Bitburg/ Prüm im Süden – wo sind sie heute? Wo sind die Zeiten von Friedhelm Nippel und Helmut Kinkler geblieben?
Ich bin Zeitzeuge des völligen oder fast völligen Verschwindens von 8 Tagfalterarten in den letzten 60 Jahren in der Eifel:

Dickkopffalter: Pyrgus carthami, Pyrgus serratulae,
Feuerfalter: Lycaena virgaureae,
Bläulinge: Pseudophilotes baton,
Perlmuttfalter: Fabriciana niobe, Fabriciana adippe,
andere Nymphaliden: Limenitis reducta, Satyriden: Hipparchia fagi.

Hinzu kommen noch fünf Arten, die vor 50 Jahren in der Eifel noch deutlich weiter verbreitet waren, aber heute nur noch ganz wenige letzte Restvorkommen haben. Dazu gehören:
Dickkopffalter: Hesperia comma,
Bläulinge: Polyommatus dorylas,
Scheckenfalter: Euphydryas aurinia, Melitaea diamina, Melitaea athalia.

Welche dieser Arten hat die Gründung des Nationalparks Eifel gerettet? Wildkatze, Uhu und Schwarzstorch sind keine Indikatoren einer Biotopverbesserung. Wir haben sie nur, weil sie nicht mehr geschossen werden und weil wir wieder viel Wald haben.

Video: Der Naturschutz läuft den Zielen des Artenschutzes oft zuwider

Einige Ursachen für das Verschwindens der Arten sind eindeutig zu erkennen. Wo sind die Habitate geblieben: die Felskanten mit Lasiommata maera, die feuchten Talsohlen mit über den Schlamm rieselnden Quellwassern mit Lycaena hippothoe? Die Vegetation überwuchert alles. Man sieht doch, warum diese Arten dort nicht mehr leben können. Unsere Landschaft hat diese Stellen, die durch ein spezielles Mikroklima ausgezeichnet waren, verloren. Es fehlen offene vollsonnige Magerrasen mit Felsbändern. Viele ehemalige Raupenlebensräume sind verschattet. In den Jahrzehnten der Klimaerwärmung ist es den Larven zu kalt geworden.

Es fehlt nicht an unberührter Natur (wie viele Menschen meinen), sondern an der historischen Nutzung der Natur. Seit 200 Jahren gibt es kaum noch Hüte-Beweidung. Die Rinder sind im Stall. Die Gehölzentnahme aus den Wäldern findet nicht mehr statt. Die land- und forstwirtschaftliche Nutzung sorgt für eine homogene Gleichförmigkeit der Flächen.

Im „Verbreitungsatlas der Tagfalter“ ist alles übersichtlich für die einzelnen Arten zusammengefasst:

  • Wir brauchen Oberbodenabtragung, breitere unbefestigte Wege in der Feldflur, weitläufige lichte Forstwege. Wertvolle Tagfalter-Habitate werden durch die Rekultivierung von Abgrabungsstellen vernichtet.
  • Tagfalter sind durch „naturnahen“ Waldbau gefährdet. Wir brauchen mehr Rodungen und Holzschläge, Schlagfluren und Leitungstrassen mit Saumgesellschaften und Lichtinseln in den Wäldern. Es gibt kein „gezieltes Kahlschlagmanagement“. Wir haben zu viele Dunkelwälder mit zu dichtem Überschirmungsgrad der Baumkronen.
  • Wir brauchen eine nachhaltige Beseitigung von Bäumen und Gebüschen, vor allem an Böschungen.
  • „Käferkalamitäten“ finden zu selten statt.

Ich finde diese notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Tagfalter nicht als oberste Priorität in den Programmen der Naturschutzverbände und der Politik. Im Gegenteil:
Die „Neuauflage der Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt“ benennt als Ziel die „natürliche Entwicklung auf 5 % der Waldfläche“, wo fast keine forstlichen Eingriffe mehr stattfinden sollen (https://www.bfn.de/waldnaturschutz-und-nachhaltige-waldbewirtschaftung). Das hilft keinem Tagfalter.
Deutschland wird weiter zuwachsen und viele Tagfalter werden weiter verschwinden. Wir haben uns daran gewöhnt. Wer glaubt heute noch, dass Lycaena virgaureae vor 50 Jahren in den Tälern der Südeifel ein „häufiger“ Falter war?

Wir müssen die Habitate verändern. Fort mit der üppigen Vegetation und dem wuchernden „Grün“. Aber wer will das? Fabriciana niobe kam noch im 19. Jahrhundert in allen deutschen Bundesländern vor. Wer vermisst schon diesen Falter? Das Verschwinden der Arten ist den Menschen gleichgültig. Waldsterben geht halt mehr unter die Haut als Schmetterlingssterben; die Bevölkerung geht dafür nicht auf die Straße.


Dr. Werner Kunz ist Professor für Biologie, er lebt im „Unruhestand“ in Grevenbroich

https://www.kunz.hhu.de/

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