Arbeitsgemeinschaft und DUH klagen gegen Hubschrauberspritzung an der Mosel

Der Erhalt des Mosel-Apollofalters ist für die Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen e.V. sehr wichtig. Nun haben wir zusammen mit der Deutsche Umwelthilfe (DUH)  vor dem Verwaltungsgericht Koblenz Klage gegen die Ausnahmegenehmigung für die Hubschrauberspritzung von Pestiziden in Rheinland-Pfalz eingereicht.

Liebe Vereinsmitglieder, liebe Freundinnen und Freunde des Mosel-Apollofalters,

wie bereits auf unserer Internetseite mehrfach berichtet, steht die dramatisch negative Bestandsentwicklung des Mosel-Apollofalters nach unserer Ansicht in Zusammenhang mit dem Versprühen einer Vielzahl von Pflanzenschutzmitteln aus der Luft im unmittelbaren Umfeld der felsigen Lebensräume des Schmetterlings. Die Spritzungen finden zwischen Mai und August alle 8 bis 10 Tage statt.

Zusammen mit der aktuellen Ausgabe der „Melanargia“ haben wir im vergangenen Jahr einen Spendenaufruf versendet. Am 13. Dezember 2024 haben wir nun, zusammen mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH), beim Verwaltungsgericht Koblenz eine umfangreiche Klageschrift gegen die durch das Land Rheinland-Pfalz erteilten Ausnahmegenehmigungen für die Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln per Luftfahrzeug – zurzeit im Regelfall Hubschrauber – eingereicht. Gleichzeitig geht die DUH mit unserer fachlichen Begleitung auf Bundesebene gegen die Genehmigung der Mittel für die Anwendung aus der Luft vor.

Die Entscheidung zur Klage ist uns nicht leichtgefallen, und bedeutet für unseren Verein mit 330 Mitgliedern eine große Kraftanstrengung und finanzielle Belastung. An dieser Stelle sprechen wir den zahlreichen Spenderinnen und Spendern unseren herzlichen Dank aus! Weitere Spenden sind selbstverständlich jederzeit willkommen.

Darüber hinaus sind wir sehr froh, dass die DUH uns als starker Partner zur Seite steht. Vorausgegangen waren mehr als zwei Jahre, in denen wir uns intensiv mit einer Vielzahl von Schreiben an Bundes- und Landesbehörden sowie an Ministerien für eine Einschränkung der Hubschrauberspritzungen eingesetzt haben. Die Diskussion lief weitgehend zwischen uns und den zuständigen Behörden sowie Vertretern des Weinbaus (Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau, Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum) ab, kam jedoch Ende 2023 an die Öffentlichkeit, als den Winzerinnen und Winzern mögliche Einschränkungen bei der Hubschrauberspritzung bekannt gegeben wurden. Die daraufhin in den Medien öffentlich geführte Debatte wurde leider auf einen Konflikt zwischen Winzern und Naturschützern reduziert, obwohl es nie unsere Absicht war, den Weinbau in Frage zu stellen.

Dabei ist die Gemengelage ausgesprochen kompliziert: Während sich das Umweltbundesamt und das Bundesamt für Naturschutz klar gegen die Fortsetzung der Hubschrauberspritzungen positionierten, wurde durch die lokalen Behörden dennoch entschieden, die Spritzungen – mit einer in den „Apollogebieten“ seit dem Jahr 2024 eingeschränkten Auswahl an Chemikalien – fortzuführen. Gleichzeitig wird Geld investiert, um den Mosel-Apollofalter und die Rebflächen zu „entflechten“: Ehemalige Lebensräume in den Nebentälern der Mosel sollen wiederhergestellt werden und der Apollofalter soll dort angesiedelt werden. Derartige Umsiedlungsprojekte müssen nicht unbedingt erfolgreich sein, auch wenn sie sicherlich gut gemeint sind. Die Logik, weshalb der Weinbau und der Apollofalter nicht mehr zueinander passen, obwohl die im Pflanzenschutz verwendeten Stoffe doch angeblich unschädlich sein sollen, hat sich uns letzten Endes nicht erschlossen. Unser Vorschlag, das Naturschutzgebiet Brauselay durch eine EU-geförderte Maßnahme unter Einbeziehung der lokalen Winzer für den Erhalt des Apollofalters qualitativ aufzuwerten, stieß allenfalls auf halbherzige Gegenliebe.

Bei den Gesprächen mit den Behörden vor Ort ist uns klar geworden, dass eine grundsätzliche Meinungsverschiedenheit in der Auslegung der Naturschutzgesetzgebung besteht. Von einem durch die Behördenvertreter propagierten „Schulterschluss“ von Landwirtschaft und Naturschutz kann keine Rede sein. Gleichzeitig wurde uns deutlich gemacht, wie sehr der Weinbau von dem Chemikalieneinsatz abhängig ist. Die Formel lautet: Ohne intensiven Einsatz von Pflanzenschutzmittel gibt es keinen Wein – dies ist bei Monokulturen wenig überraschend. Wir haben verstanden, dass der Weinbau auf Grund zunehmender Resistenzen und invasiver Schädlinge in einer schwierigen Lage steckt. Die Auswahl der Pflanzenschutzmittel ist zunehmend eingeschränkt. Innovative Konzepte beim Pflanzenschutz fehlen und somit wird an den Pflanzenschutzkonzepten aus den 1970er Jahren festgehalten.

Als durch das Umweltbundesamt anerkannte Umweltvereinigung fokussieren wir uns auf den Erhalt der Natur und der eindrucksvollen Artenvielfalt an der Mosel. Auch das ist ein wichtiges Kapital der Moselregion, und sollte als touristischer Wirtschaftsfaktor mehr Wertschätzung erfahren. Wir würden uns eine personelle und finanzielle Stärkung des behördlichen Naturschutzes in Rheinland-Pfalz wünschen.

Ziel der Klage ist es, den Mosel-Apollofalter an seinen natürlichen Standorten vor dem Aussterben zu bewahren. Wir hoffen auf eine eingehende verwaltungsrechtliche Überprüfung der Ausnahmegenehmigungen für den Pflanzenschutzmitteleinsatz aus der Luft mit Hubschraubern und Drohnen. Hierdurch wird Rechtssicherheit für alle Beteiligten geschaffen, welche in ein umweltverträglicheres Konzept beim Pflanzen- und Insektenschutz münden kann und somit dauerhaft eine nachhaltige und rentable Nutzung der Rebflächen ermöglicht wird.

Herzliche Grüße und besten Dank an alle die unser Anliegen unterstützen!
Dr. Tim Laußmann
Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen e.V.

Pressemitteilung und Hintergrundpapier

>> Drohende Ausrottung des Mosel-Apollofalters: Deutsche Umwelthilfe und Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen reichen Klage gegen Pestizideinsatz in Rheinland-Pfalz ein.

>> Hintergrundpapier zur Klage gegen die Anwendung von Pestiziden mit Luftfahrzeugen

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Spanische Flagge – Euplagia quadripunctaria: Schmetterling des Jahres 2025

Schmetterling des Jahres 2025: Die Spanische Flagge

Schmetterling des Jahres 2025: Die Spanische Flagge – Euplagia quadripunctaria (PODA, 1761)
Rheinland-Pfalz, Altenahr. 7. August 2014 (Foto: Tim Laußmann)

Schmetterling des Jahres 2025 ist die Spanische Flagge (Euplagia quadripunctaria). Die BUND NRW Naturschutzstiftung und die Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen e.V. haben den bunten Nachtfalter gemeinsam ausgewählt.

Die Spanische Flagge breitet sich seit einigen Jahren immer weiter nach Norden aus. Das haben Bürger*innen über online-Plattformen dokumentiert. Über Webseiten wie Observation.org und mobile Apps wie ObsIdentify können Naturbegeisterte ihre Beobachtungen schnell per Handyfoto festhalten, und liefern so viele Millionen wichtige wissenschaftliche Daten.

Mit Hilfe der Bevölkerung ergibt sich so eine deutlich verbesserter Kenntnisstand, und auch das Bewusstsein für die lokale Artenvielfalt wird über Citizen Science gefördert.

Die Spanische Flagge ist während seiner Hauptflugzeit im August auch tagsüber aktiv. Ihre Flügel sind schwarz-weiß gemustert, wodurch sie leicht zu bestimmen ist. Dennoch ist die Spanische Flagge zwischen Zweigen und Stängeln nur schwer zu entdecken. Sobald sie auffliegt oder ihre Vorderflügel öffnet, werden die leuchtend orangeroten Hinterflügel sichtbar. Diese Warnfärbung tragen auch etliche weitere der zu den „Bärenspinnern“ (wiss. Arctiinae) gehörenden Arten,  sie schützt die Schmetterlinge vor Fressfeinden.

Mit gut fünf Zentimetern Spannweite gehört die Spanische Flagge zu den größeren Nachtfalter-Arten. Beim Betrachten des Falters fällt zuerst die schwarze Grundfarbe mit weißen Zeichnungselementen auf, vor allem die drei großen weißen Streifen, einer vorn und zwei weiter hinten, die je nach Individuum ein V bis Y bilden. Mit diesem Muster ist er im Geäst oder Gewirr von Stängeln hoher Stauden gerade bei Sonnenlicht gut getarnt. Wenn er allerdings auffliegt oder die Vorderflügel spreizt, sieht man die orange-roten, selten auch gelben Hinterflügel mit schwarzen Flecken. Auch der Leib ist rot-orange mit schwarzen Flecken. Die rote Farbe dient der Warnung, denn Fressfeinde wie Vögel schrecken einen Augenblick zurück und geben dem Falter damit genug Zeit zur Flucht. Das kann für den Vogel auch von Vorteil sein, denn wie viele Bärenspinnerarten enthält die Körperflüssigkeit des Falters Giftstoffe.

Wasserdost ist die Lieblingspflanze zum Nektarsaugen

Als Nektarpflanze bevorzugt die Spanische Flagge den Gewöhnlichen Wasserdost (Eupatorium cannabinum). Sie findet aber auch an vielen anderen Blüten Nahrung. Mit einer Flügelspannweite von etwa fünf Zentimetern gehört sie zu den größeren Nachtfaltern Europas. Die Spanische Flagge lebt vor allem in strukturreichen Landschaften mit Hecken, Waldrändern und blütenreichen Wiesen, die durch Flächenverbrauch und intensive Landwirtschaft bedroht sind. Die Schmetterlinge kommen auch in naturnahen Gärten vor.

Raupe der Spanischen Flagge

Raupe der Spanischen Flagge – Euplagia quadripunctaria (PODA, 1761)
Rheinland-Pfalz, Reil/Mosel, 23. Mai 2015 (Foto: Tim Laußmann)

Dieser Nachtfalter ist nicht nur nachts unterwegs, sondern auch tagaktiv! Im August, zu seiner Hauptflugzeit, kann man ihn im Sonnenschein an Rändern von Waldwegen, an Säumen von Wäldern oder Gebüschen, am Ufer von Bächen und Gräben oder in ehemaligen Steinbrüchen sehen, wenn er an seinen Lieblingspflanzen Nektar saugt. Denn dieser Bärenspinner hat, anders als etliche seiner Verwandten, einen gut entwickelten Saugrüssel. Der Gewöhnliche Wasserdost als auffällige und bis mannshoch wachsende Staude ist nicht zu übersehen. Es lohnt sich, an den Blüten nach dem Falter zu schauen – wenn man ihn nicht schon umherfliegen sieht und vielleicht zunächst an einen Tagfalter denkt. Er ist jedoch nicht auf den Wasserdost beschränkt – er nutzt auch viele andere Blütenpflanzen und kommt gerne in Gärten mit entsprechendem Angebot.

Rasante Ausbreitung nach Norden

Durch die höheren Temperaturen aufgrund der Klimakrise breiten sich viele wärmeliebende Schmetterlingsarten nach Norden und in höhere Lagen aus.  Galt Euplagia quadripunctaria früher als  seltener und gefährdeter Bewohner der Wärmegebiete vor allem Süddeutschlands, kommt er inzwischen auch in höheren Lagen und weiter nördlich vor. Die derzeitige nördliche Verbreitungsgrenze liegt in etwa vom Niederrhein über den Harz bis nach Berlin, und verschiebt sich ständig weiter nach Norden.

In den Nachbarländern sieht es ähnlich aus. Die Niederlande weisen Funde bis in die Höhe von Amsterdam auf. In England war der „Jersey Tiger“ bis vor wenigen Jahren auf die Kanalinseln und Teile der Südküste beschränkt. Heute ist der Süden gut besiedelt und Mittelengland erreicht. Generell reicht das Verbreitungsgebiet von Spanien über Süd- und Mitteleuropa, ostwärts bis an den Ural und im Südosten über Kleinasien bis in den Iran.

Die Verbreitung konnte durch das Engagement zahlreicher Bürgerwissenschaftler*innen quasi in Echtzeit dokumentiert werden. Digitale Werkzeuge wie die Plattform Observation.org und die App ObsIdentify ermöglichen es Naturbegeisterten, Funde schnell per Handyfoto zu bestimmen und so wichtige wissenschaftliche Daten bereitzustellen.

Spanische Flagge - Übersichtskarte der aktuellen Verbreitung. Grafik: Sofie Beckerbauer

Spanische Flagge – Übersichtskarte der aktuellen Verbreitung. Grafik: Sofie Beckerbauer
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Der Klimawandel begünstigt die Ausbreitung

Warum expandiert Euplagia quadripunctaria in Mitteleuropa so stark? Haupttreiber ist sicherlich die globale Erwärmung. Die steigenden Temperaturen befähigen etliche wärmeliebende Falterarten dazu, ihr Areal nach Norden und in die Höhe zu erweitern. Euplagia quadripunctaria ist dabei ein besonders eindrucksvolles Beispiel – das Auftauchen des großen Falters wird bemerkt, er ist leicht zu bestimmen, die Ausbreitung geschieht schnell. Das ist „Klimawandel zum Anfassen“. Dass zugleich viele weitere einheimische Arten abnehmen oder gar verschwinden, geschieht schleichend und im Verborgenen.

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Zwischen Planck und Kafka – Westdeutscher Entomologentag auf neuen Wegen

Ein buntes Völkchen versammelte sich am letzten Novemberwochenende in Düsseldorf zum Westdeutschen Entomologentag. Der WET 2024 fand nicht wie gewohnt im Löbbecke-Museum statt, sondern im nahegelegenen Max-Planck-Gymnasium. Und das war auch gut so!

Abbildung 1: Gerolsteiner Kleiderbügel-Ameise, Erstnachweis auf dem WET 2024. Der oder die Künstlerin ist unbekannt.

Schultoiletten sind normalerweise kein Orte, an denen man sich länger als nötig aufhält. Keine Klobrille, Graffiti an den Wänden, „Atmosphäre“ wie auf einer Autobahn-Raststätte. Und aus diesem „Stillen Örtchen“ dringen zudem ungewöhnliche Geräusche heraus, jemand liest laut aus einem Buch vor. Spätestens jetzt war klar, dass auf dem WET  2024 irgend etwas merkwürdiges im Gange war.

Die SchülerInnen des Gymnasiums hatten sich im Vorfeld der Veranstaltung mit dem Thema Insekten beschäftigt. Und so wurde nicht nur phantasievoll gebastelt, sondern auf dem Klo auch Kafkas „Verwandlung“ vorgelesen. Oberstufen-Pflichtlektüre vom Band, in Dauerschleife. Sofort steigen einem die alten Bilder von Kafkas Käfer Gregor Samsa in den Kopf, der auf dem Rücken liegt und mit Armen und Beinen rudert. Entomologie Heute, mal ganz anders!

Nach dieser eher ungewöhnlichen Einführung in die Insektenkunde ging der WET allerdings wie gewohnt mit Vorträgen an den Start! Engagierte Studierende mit neuen Projekten, Wissenschaftsmanager, die Ergebnisse jahrzehntelanger Forschung vorstellen, polternde Gelehrte, die endlich ein Umdenken im Naturschutz fordern. Dazwischen Schüler, Citizen Scientist-Experten, Behördenmenschen und lokale NaturschützerInnen. Insgesamt hatten sich für den WET über 140 Leute angemeldet, und die Aula des Gymnasiums bot großzügig Raum für die Vorträge, kleine Tischgruppen für die Kaffeepausen, und ein paar Infostände.

Zwei Tage waren dicht gepackt mit spannenden Beiträgen, Langeweile kam nie auf. Thematisch war wohl für jeden etwas dabei, hier eine kleine Auswahl aus dem Programm: Es kommen immer mehr und neue Arten durch den Klimawandel zu uns. Die Seehundläuse haben Superkräfte und lassen sich nicht abschütteln. In den Niederlanden boomt die Erforschung der „Schietmotten“ genannten Köcherfliegen, befeuert durch die Datenberge aus den Bürgerwissenschaften. Tropische Froschmücken kann man mit Gequake vom Band anlocken, das eröffnet völlig neue Möglichkeiten. Und es gab auch praktische Tipps für das Vereinsleben, am Rande der Entomologie: So berichtete der Düsseldorfer Sinnesökologie-Professor Klaus Lunau, dass die Einnahmen einer Spendendose steigen, wenn man ein Gesicht darauf abbildet!

Á propos Spendendose: Die Veranstaltung war gut besucht, der Service mit Kaffee, Keksen und Käsebrötchen lief wie am Schnürchen, das Bier beim Stehempfang am Abend war kühl und lecker. Die Arbeitsgemeinschaft war kopfstark vertreten, am Infostand gab es zahlreiche gute Gespräche, und die angebotene Literatur fand ebenfalls starkes Interesse. Für unseren Verein eine erstklassige Möglichkeit, unsere Themen zu präsentieren. Denn wir brauchen Geld! Nur so viel sei vorab verraten: Der Kampf für den Apollofalter geht in die nächste Runde. Einen Spendenaufruf dazu findet Ihr im nächsten Heft der Melanargia, das Anfang Dezember in den Briefkästen liegt.

Hier nur noch eine Schlußbemerkung: Die gesamte Veranstaltung wäre platzmäßig im Löbbecke-Museum gar nicht möglich gewesen, wo die beiden Seminarräume klein und schlecht belüftet sind, und man sich in den Pausen immer durch den Vorraum quetschen muss.

Das Max-Planck-Gymnasium als Partnerschule des Museums bietet dem WET die Möglichkeit, in Zukunft weiter zu wachsen. Danke für die schönen Kunstwerke und die großzügige Überlassung der Aula! Und besonderer Dank an Manuel König und das Organisationsteam vom Aquazoo-Löbbecke Museum!

 

 

 

 

 

 

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Naturschutz auf den Kopf gestellt: Die Roteiche wird Baum des Jahres

Invasive Roteichenverjüngung in der Wahner Heide. © Holger Sticht, BUND

Die Roteiche Quercus rubra soll Baum des Jahres 2025 werden, ein invasiver Forstbaum, der das Bodenleben schädigt und praktisch keinen Lebensraum für einheimische Insekten bietet. „Not in my forest“ kann ich da nur sagen. Ein Meinungsbeitrag.

Stell Dir vor, die Rheinisch-Westfälischen Lepidopterologen machten den Maiszünsler zum „Schmetterling des Jahres“. Der Falter hat doch immerhin das Potential, die derzeit üble Nutzung der Landschaft durch die lebensfeindlichen Mais-Monokulturen, zum Beispiel im Münsterland, zu beenden. Zumindest der Presse-Rummel wäre gesichert. Ob die Aktion am Insektensterben etwas ändert, sei mal dahingestellt, das Ganze wäre trotzdem eine – Schnapsidee!

In ähnlicher Weise danebengelangt hat nun eine Organisation der besonderen Art, der Verein Baum des Jahres e. V., der gerade die Roteiche zum „Baum des Jahres 2025“ ausgerufen hat.

Wie geht das vor sich? Hier mal wörtlich zitiert von der Webseite des Vereins: „Vertreter der Mitglieder des Kuratorium Baum des Jahres treffen sich einmal im Jahr im Herbst in Berlin anlässlich der Ausrufung des jeweiligen Jahresbaumes, wo sie beraten und beschließen, welche drei Baumarten den Mitgliedern [..des Vereins..] zur Abstimmung vorgeschlagen werden sollen. Die Mitgliedsorganisationen informieren ihre Kreise über den jeweils aktuellen Jahresbaum und verpflichten sich dabei auf die Urheberschaft des Vereins Baum des Jahres e.V. hinzuweisen.“

Im oben genannten Kuratorium des Vereins tummeln sich Interessensvertretern der Forstindustrie, aber auch seriöse Naturschutzorganisationen und Behörden, neben dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND), die Deutsche Dendrologische Gesellschaft (DDG), der Robin Wood e. V., das Thünen-Institut für Forstgenetik (TI) und das Julius Kühn-Institut (JKI) – Institut für Waldschutz.

Jetzt ist mir nicht bekannt in welchem gesundheitlichen Zustand die Kuratoriumsmitglieder bei der Sitzung in Berlin waren, aber dem einen oder anderen muss vorher doch ein dickerer Ast oder ähnliches auf den Kopf gefallen sein. Anders ist es nicht zu erklären, dass eine invasive Baumart (laut Bundesamt für Naturschutz), die den Boden schädigt und auf der praktisch keine Insekten leben, zum Baum des Jahres gewählt wird. Was für ein Armutszeugnis! Schirmherr der peinlichen Veranstaltung und oberster Baumfreund ist übrigens Cem Özdemir von den GRÜNEN, der aktuelle Bundes-Landwirtschaftsminister. Verzweiflung macht sich breit: Wo soll man nur in Zukunft sein Kreuzchen machen auf dem Wahlzettel?

Ein paar Zitate zum „Baum des Jahres“

Für unsere heimischen Wälder ist die Roteiche allerdings eine Katastrophe. Ihr Laub ist für viele Bodenlebewesen sehr giftig. Zudem breitet sie sich in durch Forstwirtschaft stark aufgelichteten Wäldern invasiv aus. Es ist also keine gute Idee, diese Baumart hier bei uns zu pflanzen.“
Peter Wohlleben, Förster und Autor, auf @instagram, 27.10.24
„Das ist eine schlechte Botschaft für den Biodiversitätsschutz. Hier sollten sich alle in ihren Verbänden deutlich dagegen positionieren!“
Tobias Krause, Biodiversitätsbeauftragter der Landeshauptstadt Düsseldorf, 27.10.24
Der Anbau der Rot-Eiche kann daher keinesfalls unterstützt und keineswegs empfohlen werden, denn es gilt nicht nur einseitig eine Holzproduktion zu sichern, sondern auch die Biologische Vielfalt im Wald und im Forst. […] Während die heimische Stiel-Eiche (Quercus robur) 570 Arten der Vergleichsgruppen an Tieren und Pilzen auf sich vereinen konnte, kommt die Rot-Eiche gerade einmal auf 84, [….]  Der Einsatz der Rot-Eiche steht damit im direkten Widerspruch zum Erhalt und zur Wiederherstellung lebendiger, stabiler Waldgesellschaften.
Achim Baumgartner (BUND NRW Naturschutzstiftung/BUNDzentrum Rhein-Sieg)

Ich will hier gar nicht weiter auf Details eingehen, die in Entomologenkreisen landläufig bekannt sind. Dass ich mit meiner Meinung nicht alleine dastehe, zeigen die beigefügten Zitate von Menschen die bekannter sind als ich.

Nur so viel: Die Amerikanische Roteiche Quercus rubra ist als Lebensraum für Insekten praktisch ein Totalausfall, gemessen an den einheimischen Stiel- und Traubeneichen. Sie macht den Boden kaputt und mindert die Biodiversität. Die Roteiche wächst schnell und bringt raschen Ertrag gerade WEIL keine Insekten daran leben. Die vom Verein genannte „Sonderaufgabe“ , man könne mit der Roteiche schöne Brandschutzstreifen in die brandenburgischen Kiefern-Monokulturen pflanzen, zeigt auf, wes Geistes Kind die Initiatoren der Aktion sind. Einen solchen Baum des Jahres auszuweisen kann nur erwerbsgetriebenen Forstleuten und Funktionären einfallen. Da geht es um Geld, mit Naturschutz und Biodiversität hat das NICHTS zu tun. Es schadet aber allen anderen Organisationen, die ein „XY des Jahres“ ausrufen, mit ehrlicher Absicht im Namen des Arten- und Biotopschutzes.

Im Fall der Roteiche gibt es von mir ein klares Not In My Forest! Setzt Euch dafür ein, dass in Euren heimischen Wäldern keine Roteichen unter falscher Flagge als Wohltaten für den Wald verkauft werden! Geht auf die Förster und Privatwaldbesitzer zu, die das trotzdem tun, ob aus Profitstreben oder Unkenntnis! Schaut den Politikern auf die Finger, die euch einen Quark erzählen, wenn es um Klimaschutz und Artenvielfalt im Wald geht. Veräppeln können wir uns selbst!

Eure Meinung zu dem Thema dürft Ihr gerne im Kommentarfeld unter diesem Beitrag abgeben, oder wir sehen uns dann Ende November am Stand der Arbeitsgemeinschaft auf dem Westdeutschen Entomologentages in Düsseldorf.

Literatur und Links:

Aufderheide, U., C. Peters, K. Mody & H. Marxen-Drewes (1924): Zukunfts- oder Klimabäume: Wie gut sind die Arten zur Förderung der Biodiversität geeignet? Naturschutz und Landschaftsplanung, 56 (8): 14-23.  DOI: 10.1399/NuL.52180

Bundesamt für Naturschutz: https://neobiota.bfn.de/invasivitaetsbewertung/gefaesspflanzen.html

Małgorzata, S.  Ł. Piechnik & A. Stefanowicz (2020): Invasive red oak (Quercus rubra L.) modifies soil physicochemical properties and forest understory vegetation. – Forest Ecology and Management, Volume 472, https://doi.org/10.1016/j.foreco.2020.118253 https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0378112720310227

https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/klimafolgen-anpassung/anpassung-an-den-klimawandel/anpassung-auf-laenderebene/handlungsfeld-wald-forstwirtschaft

https://baum-des-jahres.de/   und die dazugehörige Baumkönigin

Nachträge aus der Diskussion:

Nieukerken, E. J. van, Doorenweerd, C., Ellis, W. N., Huisman, K. J., Koster, J. C.,
Mey, W., Muus, T. S. T., Schreurs, A. 2012. Bucculatrix ainsliella Murtfeldt, a
new North American invader already widespread in northern red oaks (Quercus
rubra) in Western Europe (Bucculatricidae). Nota Lepidopterologica 35, 135-
159

Sobczyk, T. 2019: Rot-Eiche (Quercus rubra) und phytophage Schmetterlingsarten (Lepidoptera) – ist die Rot-Eiche eine Alternative zu heimischen Eichen-Arten? Naturschutz und Landschaftsplege in Brandenburg 28 (4): 32-29
Vor T.; Spellmann H.; Bolte A.; Ammer C. 2015: Potenziale und Risiken eingeführter Baumarten, Band 7, Göttinger Forstwissenschaften, Universitätsverlag Göttingen, S.219-267

 

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Raupen des Ölbaum-Zünslers an Liguster – eine unbemerkte Invasion?

Raupe von Palpita vitrealis an Liguster, 1. Oktober 2024, Gransdorf (Rheinland-Pfalz). Foto: Alexander Franzen

Der Ölbaum-Zünsler – Palpita vitrealis (ROSSI, 1794) ist aus Zentral- und Nord-Europa als sporadischer Irrgast bereits seit dem 19. Jahrhundert bekannt. Seit der Jahrtausendwende wird er in Deutschland vermehrt beobachtet, zuletzt alljährlich. Kann sich die Art hier erfolgreich etablieren?

Palpita vitrealis (Synonym: Palpita unionalis) ist kosmopolitisch verbreitet, den Kern seines Areals bilden die Subtropen der Alten Welt. Die Raupen der ernähren sich von den Blättern verschiedener Ölbaumgewächse (Oleaceae) und treten in Ölbaum- und Jasmin-Kulturen als ökonomisch relevante Schädlinge in Erscheinung.

In Europa gilt P. vitrealis lediglich in küstennahen Gebieten des mediterranen Südens als bodenständig, beispielsweise in Andalusien. Dort können die weiß-transparenten Falter ganzjährig beobachtet werden. Im Jahr 2024 wurde P. vitrealis in Deutschland bemerkenswert häufig nachgewiesen, allein auf www.observation.org wurden bis Anfang Oktober mehr als 200 Beobachtungen aus 13 Bundesländern dokumentiert.

Über die Ursachen dieser Entwicklung lassen sich – wie so oft – nur Vermutungen anstellen. Denkbar ist, dass die subtropische P. vitrealis im Süden Europas von den vielfach ungewöhnlich milden Wintern und heißen Sommern der letzten Jahre profitiert hat, weshalb sich möglicherweise mehr Falter auf den Weg nach Norden machen (können) als dies früher der Fall war. Wetterlagen, die den Einflug mediterraner Wanderfalter begünstigen, sind allerdings nicht signifikant häufiger geworden, als sie es früher waren. Auch koinzidiert das Auftreten des Falters in Deutschland zwar oft, aber eben nicht immer mit solchen Wetterlagen.

Raupe von Palpita vitrealis an Liguster, 1. Oktober 2024, Gransdorf (Rheinland-Pfalz). Foto: Alexander Franzen

Fakt ist jedoch auch, dass immer wieder Eier, Raupen, Puppen oder Falter eingeschleppt werden. Insbesondere der Ölbaum, die bevorzugte Nahrungspflanze der Raupen, wird im Süden im großen Stil für den Export kultiviert und erfreut sich hierzulande einer wachsenden Beliebtheit. In Gartencentern, Baumärkten und selbst beim Discounter werden Olivenbäume vertrieben, mit und ohne tierische Untermieter. Effekte des Klimawandels wie auch die zunehmende Verschleppung durch den Handel mit mediterranen Gehölzen sind jedoch letztendlich nur zwei der vielen Faktoren, die in Prozessen wie diesem eine Rolle spielen können.

Von einer beginnenden festen Etablierung des Ölbaum-Zünslers in Deutschland ist vorerst nicht auszugehen, denn kein Entwicklungsstadium von P. vitrealis ist in der Lage anhaltende winterliche Kälte und Frost zu überdauern. Bisher liegen keine Hinweise auf erfolgreiche Überwinterungen vor, Imagines wurden in Deutschland ausschließlich in den Monaten Juni bis November beobachtet. Aus dem atlantischen Westen Europas sind ebenfalls keine Freiland-Nachweise aus dem Frühling bekannt; selbst im mediterranen Süd-Frankreich ist dies die Ausnahme.

Da ein permanentes Vorkommen also (noch) ausgeschlossen werden kann, die Anzahl der aktuellen Nachweise durch Einflug- und Einschleppungs-Ereignisse aber nicht zufriedenstellend zu erklären ist, wirft die derzeit zu beobachtende Invasion der Ölbaum-Zünsler weiterhin Rätsel auf – zumal aus Deutschland bislang keine Freiland-Nachweise von Eiern oder Raupen bekannt waren.

Dies änderte sich erst vor einigen Wochen, als Annette von Scholley-Pfab in München-Gern mehrere Falter von P. vitrealis bei der Ei-Ablage an Liguster beobachtete und im Lepiforum über eine erfolgreiche ex larva-Zucht berichtete. Obwohl der zu den Ölbaumgewächsen (Oleaceae) zählende Gewöhnliche Liguster (Ligustrum vulgare) als Nahrungspflanze des Ölbaum-Zünslers hinreichend bekannt ist, wurde die Suche nach den Raupen von Palpita vitrealis an dieser Pflanze bisher offenbar vernachlässigt. Vom genannten Beitrag im Lepiforum inspiriert stattete ich am 1. Oktober 2024 einigen Liguster-Sträuchern, die im Zuge des Baus der Autobahn A60 bei Gransdorf (Rheinland-Pfalz) gepflanzt wurden, einen Besuch ab. Fraß-Spuren, verlassene Gespinste und schwarze Kot-Krümel verrieten bereits auf den ersten Blick, dass hier Raupen am Werk waren. In einem zusammengerollten Blatt fand ich schließlich die etwa 20mm lange, charakteristisch blaugrün gefärbte Raupe von P. vitrealis. Die überwiegend nachtaktive Raupe verließ ihr in einem zusammengerollten Blatt angelegtes Gespinst nur zur Nahrungsaufnahme (die gereichten Liguster-Blätter wurden regelrecht skelettiert!) und verpuppte sich in der Nacht zum 5. Oktober 2024.

Der Gewöhnliche Liguster (Ligustrum vulgare) ist im größten Teil Deutschlands heimisch und ähnlich wie der Ovalblättrige Liguster (Ligustrum ovalifolium) eine beliebte Gartenpflanze – und möglicherweise ein Teil der Lösung des Rätsels um die alljährliche Ölbaum-Zünsler-Flut: Sollten sich die Nachkommen eingeflogener oder eingeschleppter Falter hierzulande nicht nur ausnahmsweise an Liguster entwickeln (was erst durch weitere Beobachtungen abgesichert werden sollte!), ist das gehäufte Auftreten von Palpita vitrealis wenig erstaunlich: Liguster-Sträucher stehen anders als Ölbaum oder Jasmin flächendeckend und in geradezu unbegrenzter Anzahl zur Verfügung.

Starker Anstieg der Nachweise von Palpita vitrealis in Deutschland, Stand 10. Oktober 2024
Quelle: Observation International © 2024

Da die Entwicklung vom Ei zur Imago unter optimalen Bedingungen innerhalb von nur drei bis vier Wochen abgeschlossen werden kann, werden möglicherweise sogar mehrere Generationen ausgebildet, solange die Witterung dies zulässt. Falls sich diese Vermutung bestätigen sollte, handelt es sich bei Palpita vitrealis anders als bisher vermutet nicht nur um einen gelegentlichen Einwanderer, sondern um einen Vermehrungsgast.

Link:
Palpita vitrealis, Bilder und Verbreitungskarte bei PlantwisePlus Knowledge Bank

 

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Beobachtungen des Labkrautschwärmers Hyles gallii beim Tagebau Inden

Lebensräume für wärmeliebende Arten – dafür sind die Braunkohlereviere im Rheinland bekannt. Die trockenen und sonnigen Standorte sind ein lohnendes Ziel für die Suche nach Schwalbenschwanz, Mauerfuchs und Co. Dabei stöberten wir Mitte August 2024 unverhofft einen ruhenden Labkrautschwärmer in der trockenen Staudenvegetation auf, und ein paar Tage später fand sich dort auch die Raupe.

Wärmeliebende Insekten zählten zu den Zielarten, die uns im Spätsommer 2024 regelmäßig an den Rand des Braunkohletagebaus Inden im Kreis Düren führten. Neben den bereits erwähnten Falterarten ist z.B. auch die Kleine Zangenlibelle in den dortigen Gewässern zuhause. Und es gibt immer wieder neue Überraschungen, wie den Vermehrungsnachweis des Labkrautschwärmers Hyles gallii. Wir fanden den Falter, beobachteten wie sich die Raupe eingrub, und dokumentierten die Entwicklung der Puppe in den folgenden 19 Tagen.

Tag 0: Die Raupe gräbt sich ein

Am 26. August, neun Tage nach der Begegnung mit dem Falter, hörten wir ein paar dutzend Meter von seinem Fundort entfernt ein leises Rascheln in der Vegetation. Der Urheber fand sich schnell: eine dicke Raupe des Labkrautschwärmers. Emsig und für uns scheinbar ziellos lief sie kreuz und quer über den steinigen und spärlich bewachsenen bis nackten Boden.

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Wiederfund des Ampfer-Zwergminierfalters (Enteucha acetosae) in Hessen

Am 18. September 2024 gelang mir, mehr oder weniger zufällig, der Nachweis einiger besetzter Minen des Ampfer-Zwergminierfalters (Enteucha acetosae) auf einer Waldwiese im Messeler Hügelland zwischen Darmstadt und Dieburg. Soweit mir bekannt wohl ein Erstnachweis für Südhessen und ein Wiederfund für Hessen.

Dass ich die Art überhaupt auf dem Schirm hatte, war nur der Tatsache zu verdanken, dass ich vor kurzem über ein Foto gestolpert war, und da die Minen ja doch recht auffällig und hübsch sind, den Entschluss gefasst hatte, irgendwann einmal danach zu suchen. Eigentlich hatte ich die gezielte Nachsuche in der Umgebung aber mangels neuerer Nachweise im Umkreis von gut 100 km sofort verworfen. Eigentlich hatte ich auch nur eine Raupe vom Brombeerspinner (Macrothylacia rubi) in der Wiese sitzen gesehen, als mir eine Rumex acetosa Pflanze ins Blickfeld geriet. Auffällig war sofort ein mit sieben noch besetzten Minen befallenes Blatt, deren rote Kringel, zumindest wenn man die Mine vor seinem inneren Auge hat, doch Aufmerksamkeit erregen. An einem weiteren Blatt waren noch vier ältere schon verlassene Minen zu finden. Da es an dem Tag schon später Abend war und die Sonne bereits untergegangen war, konnte ich auf die Schnelle keine weiteren besetzten Pflanzen ausmachen.

Besetzte Minen von Enteucha acetosae an Rumex acetosa. Mainzer Berg zwischen Darmstadt und Dieburg. 18. September 2024. (Foto: Dennis Sanetra)

Die Ampfer-Pflanze stand so ziemlich inmitten der Wiese in einem dichten Rasen aus Festuca rubra. Die Wiese ist eine selten (ob überhaupt?) gemähte, kleine Waldwiese, die zumindest dieses Jahr nicht gemäht wurde und wahrscheinlich hauptsächlich als Wildäsungsfläche dient. Durch die ausgebliebene Mahd hat sich ein Mosaik aus allen möglichen Sukzessionstadien gebildet. An vielen Stellen dominiert Festuca rubra zusammen mit Luzula campestris und einigen Kräutern wie Rumex acetosa oder Veronica chamaedrys. Rumex acetosella ist vor allem an Stellen die von Wildschweinen aufgewühlt wurden flächendeckend häufig. Von den Seiten dringt Calamagrostis epigejos und Prunus spinosa in die Fläche ein. Zusätzlich ist ein Feuchtigkeitsgradient durch die relativ starke Hangneigung vorhanden. Am Hangfuß ist es sehr nass und Binsen dominieren fleckenweise. Der Wald um die Fläche herum ist generell forstlich beeinflusster Buchenwald, an der Südseite befindet sich allerdings ein schöner wärmebegünstigter Hang mit Traubeneichen, Birken-Zitterpappel-Sukzessionswald und Besenginster.

Mit Minen besetzte Pflanze von Rumex acetosa in der Wiese. Mainzer Berg zwischen Darmstadt und Dieburg. 18. September 2024. (Foto: Dennis Sanetra)

Waldwiese als Habitat von Enteucha acetosae. Die besetzten Rumex acetosa Pflanzen befanden sich auf halber Hanghöhe etwa in der Mitte der Wiese, besetzte Pflanzen von Rumex acetosella waren direkt am linken unteren Bildrand auf von Wildschweinen aufgewühltem Boden. Rechts im Bild ist der wärmebegünstigte Südhang zu sehen. Mainzer Berg zwischen Darmstadt und Dieburg. 18. September 2024. (Foto: Dennis Sanetra)

Am folgenden Tag besuchte ich die Stelle erneut und unterzog die Fläche nochmals einer genaueren Nachsuche. Weiterlesen

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Die Heidelbeer-Zwergminiermotte Stigmella myrtillella – eine vielfach übersehene Art?

Die intensive Beschäftigung mit den Zwergminiermotten (Nepticulidae) stößt nur bei einem kleinen Teil der Schmetterlingsforscher auf reges Interesse. Der Nachweis und die Bestimmung der winzigen Falter ist nun einmal nicht jedermanns Sache. Das Auffinden einer Art gelingt jedoch ungleich leichter, wenn man sich auf die Suche nach den Blattminen begibt. Ein Suchtipp für den Spätsommer.

Auch für den ungeübten Forscher ist der Nachweis an Wirtspflanzen relativ einfach, an denen nur wenige Insektenarten minieren. Ein Beispiel ist die Heidelbeere (Vaccinium myrtillus). Laut www.bladmineerders.nl gibt es sieben Minierer an Heidelbeere, davon drei Blattsackfalter (Gattung Incurvaria), zwei Miniersackträger (Coleophora), ein Wickler (Tortricidae) und Stigmella myrtillella (Nepticulidae). Das Fraßbild der erstgenannten Arten ist jedoch vollkommen anders als bei S. myrtillella.

Für den Nachweis der Art ist es deshalb völlig unerheblich, ob noch eine Raupe darin miniert oder das Blatt schon leer ist. Das Gewirr an Heidelbeerblättern lässt nur vordergründig eine Suche aussichtslos erscheinen. Im Auflicht wirken die Minen wie vertrocknete Stellen, dadurch sind sie jedoch sehr auffällig. Hat man aber erst einmal Minen entdeckt, gelingt das weitere Auffinden recht schnell.

Mine von Stigmella myrtillella im Auflicht, NRW, Ostwestfalen, Stukenbrock, 19. August 2024 (Foto: Dieter Robrecht)

Das Aussehen der Minen hängt davon ab, wo das Ei abgelegt wurde, am Blattrand oder in der Nähe der Mittelrippe.

Eiablage am Blattrand: Der Kotgang verläuft zunächst ziemlich gerade am Blattrand entlang und mündet in einem Fleck. NRW, Ostwestfalen, Bielefeld-Sennestadt, 25. August 2024 (Foto: Dieter Robrecht)

Eiablage in der Nähe der Mittelrippe: Der Kotgang beginnt mit einer Reihe von S-Kurven und mündet in einem Fleck. NRW, Ostwestfalen, Willebadessen, 28. August 2024 (Foto: Dieter Robrecht)

Es stellte sich mir die Frage, ob Stigmella myrtillella mit der Heidelbeere weit verbreitet vorkommt oder doch eher selten ist. Letzteres ließ die Verbreitungskarte bei „Melanargia – Schmetterlingsportal für Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz“ vermuten, in der  bis Anfang August 2024 nur 10 Meßtischblatt-Viertelquadranten belegt waren.

Verbreitungskarte von Stgmella myrtillella, Stand Anfang August 2024.

Nachweiskarte von Stgmella myrtillella, Stand Anfang August 2024. Quelle: portal.melanargia.de

 

Deshalb suchte ich gezielt zwischen dem 16. und 28. August 2024 in Ostwestfalen einige Biotope auf, in denen Heidelbeere wächst. Dabei konzentrierte ich mich auf unterschiedliche MTB-Viertelquadranten, um rasch eine Verbreitung in der Fläche nachweisen zu können. Weiterlesen

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Mosel-Apollofalter (nur noch) in den Medien

„Das Problem ist quasi dass er uns zwischen den Händen stirbt“, sagt Jörg Hilgers, Biotopbetreuer im Landkreis Mayen-Koblenz. Die Bemühungen der Arbeitsgemeinschaft rund um den „Schmetterling des Jahres 2024“ ziehen ihre Kreise. Fakt ist, dass die Art im Jahr 2024 einen historischen Tiefstand erreicht hat, was die Nachweise der Falter angeht. Ob es gelingt den Falter durch Erhaltungszucht zu retten ist zumindest fraglich. Und die Fungizide spielen – entgegen aller Bekundungen – anscheinend doch eine Rolle beim Aussterben der Art. Den folgenden Beitrag des SWR vom 26. August wollen wir Euch nicht vorenthalten, bildet Euch selbst eine Meinung dazu.

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Beitragstext des SWR
„Den Mosel-Apollo-Falter gibt es nur an der Mosel. Noch. Jörg Hilgers ist der Biotopbetreuer im Landkreis Mayen-Koblenz und seit 2021 mit einem Erhaltungsprojekt betraut. Dazu gehört, verbuschte Brachflächen freizuschneiden oder Futterpflanzen anzusiedeln, aber vor allem: Ursachenforschung zu betreiben. Denn ein Spritzmittel gegen Pilze im Weinbau steht unter Verdacht – andererseits ist der Falter auf den Weinbau angewiesen, er braucht die Trockenmauern und offenen Flächen zum Überleben. Das Vorkommen des seltenen Schmetterlings ist in den vergangenen zehn Jahren extrem zurückgegangen.“

 

Die von uns recherchierten Fakten findet Ihr wie gewohnt unter melanargia.de/apolloschutz

 

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Wiederfund des Zweizahn-Winkelspanners Euphyia biangulata in der Niederrheinischen Bucht

Gute Naturschutzarbeit wird belohnt: der Zweizahn-Winkelspanner Euphyia biangulata (Haworth, 1809), der in der Obstblütenlandschaft Botzdorf-Hennessenberg bei Bornheim ans Licht kam, ist ein Wiederfund dieser Art in der Niederrheinischen Bucht.

Die alte Kulturlandschaft, genannt „Obstblütenlandschaft Botzdorf-Hennessenberg“ in Bornheim, steht größtenteils unter Naturschutz und ist reich strukturiert mit vielen verschiedenen Biotopen wie Wäldchen, Hecken, Obstwiesen, Weiden, Wildkrautäckern, Brachen sowie offenen Sandflächen und Kleingewässern. Hier engagieren sich eine Reihe von Initiativen und Vereinen und pflegen die Flächen in Handarbeit. Mit vielen Kartierungen wurden schon beeindruckende Artenlisten verschiedenster Organismengruppen erstellt [1].  Mein Mann Hajo Schmälter und ich tragen nach und nach einiges an Nachtfalterarten zusammen. Wir freuen uns nicht nur selbst über seltene Falter, sondern auch darüber, den Akteuren dort immer wieder den Lohn ihrer Mühen vor Augen führen zu können.

Euphyia biangulata, Bornheim, 18. August 2024  (Foto: Brigitte Schmälter)

Der Abend des 18.08.2024 ließ sich „durchwachsen“ an, zwar blieb es trocken, doch kam Wind auf, der die Leuchtürme und auch die Falter heftig durcheinanderschüttelte und uns schon ans Abbauen denken ließ. Die Artenliste des Abends war mittelprächtig, doch konnte ich der dortigen Gesamtliste von mehr als 300 Nachtfalterarten weitere zehn  hinzufügen. Und darunter ragte Euphyia biangulata besonders hervor,  ein augenscheinlich frischer Falter mit schönen Grüntönen. Diese hübsche und auffällige Art kann man eigentlich weder übersehen noch verwechseln, wenn man sie zu Gesicht bekommt.

Die Art gilt in Nordrhein-Westfalen nach der Roten Liste von 2021 insgesamt als gefährdet (Kategorie 3), in der Niederrheinischen Bucht (NRBU) als ausgestorben oder verschollen [4].

In der Verbreitungskarte von Euphyia biangulata im Melanargia-Portal gibt es einige Funde in Quadranten, die über die Grenze der Niederrheinischen Bucht hinaus reichen [6]. Diese habe ich an Hand der originalen Datenbankeinträge überprüft. Zwei Funde vor 2021 im Grenzbereich zur Niederrheinischen Bucht sind ganz knapp außerhalb der NRBU gelegen, einmal flog ein Falter 2013 Ludger Wirooks im Propsteier Wald bei Eschweiler ans Licht, wobei die Naturraumgrenze durch diesen Wald läuft. 2017 fand Heinz Schumacher einen Falter bei Königswinter im NSG Siebengebirge, am Felsfuß des Drachenfelses oberhalb der Weinberge. Dieses Habitat ist faktisch dem Naturraum Eifel/Siebengebirge zuzurechnen, auch wenn es formal noch in der Bucht liegt. Doch wurde die Grenzziehung der Naturraumgrenzen schon mehrfach als zu grob kritisiert [3], sie passt in vielen Einzelfällen, so auch am Drachenfels, nicht zu den tatsächlichen Gegebenheiten. Alle anderen biangulata-Funde in Quadranten, durch die Naturraumgrenzen der Niederrheinischen Bucht (NRBU) verlaufen, liegen  im Naturraum Eifel/Siebengebirge.

Wenn es ein Wiederfund ist, muss es eigentlich alte Funde geben, zumal in der Roten Liste von 2011 die Art in der NRBU noch in Kategorie 2 geführt wurde. Möglicherweise beruhte das jedoch auf der irrtümlichen Zuordnung des Kottenforstes bei Bonn mit den dortigen Funden zur NRBU, wie mir zu Ohren kam. Der Kottenforst gehört allerdings naturräumlich zur Eifel. Bisher habe ich jedenfalls keine alten Funde in der Bucht ausfindig machen können. Der neue Fundort des Zweizahn-Winkelspanners in Bornheim liegt eindeutig in der Niederrheinischen Bucht, auch wenn er am Vorgebirge bereits etwas höher liegt als die Rheinebene.

E. biangulata wird als Art der Wälder und Waldränder beschrieben, wobei sie auch mit kühlen Lagen zurechtkommt, [2] und [5]. Außerdem braucht sie eher feuchte Habitate, wo Sternmieren der Gattung Stellaria, die (Haupt-) Nahrungspflanzen ihrer Raupen, z.B. an feuchten Wegrändern wachsen – also eher andere Sternmieren als die bekannte Vogelmiere, die als Acker- und Gartenunkraut bekannt ist. Vielleicht gefällt der Art daher die Obstblütenlandschaft, wo es auch solche feucht-schattigen Bereiche gibt, die selten gemäht werden. Wo dagegen die Wegränder von Waldwegen und Straßen häufig und gründlich „abrasiert“ werden, kann die Art nicht überleben.

Literatur und Links:

[1], Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., Kreisgruppe  Rhein-Sieg (2024): Pflanzen und Tiere in der Obstblütenlandschaft Bornheim
https://www.bund-rsk.de/fileadmin/rheinsieg/Publikationen/Obstbluetenlandschaft2024-kl.pdf

[2] Ebert, G. [Hrsg.] (2001): Die Schmetterlinge Baden-Württembergs. Band 8: Nachtfalter VI. – 541 S.; Stuttgart (Ulmer).

[3] Schumacher, H. & Vorbrüggen, W. (2013): Kritische Anmerkungen zur Abgrenzung der Großlandschaften in Nordrhein-Westfalen – Melanargia, 25: 26-29, Leverkusen

[4] Schumacher, H. & Vorbrüggen, W. (2021): Rote Liste und Artenverzeichnis der Schmetterlinge – Lepidoptera – in Nordrhein-Westfalen. 5. Fassung, Stand: Makrolepidoptera Dezember 2020, Stand Mikrolepidoptera März 2021. – Melanargia, 33, Beiheft 1: 1-174, Leverkusen

[5] Steiner, A., Ratzel, U., Top-Jensen, M. & Fibiger, M. (2014): Die Nachtfalter Deutschlands. Ein Feldführer. – Østermarie (BugBook Publishing)

[6] Melanargia-Portal, Verbreitungskarte von Euphyia biangulata, https://portal.ag-rh-w-lepidopterologen.de/Lepi/EvidenceMap.aspx?Id=444714 abgerufen am 19.08.2024

Obstblütenlandschaft Bornheim: Aktuelle Daten bei observation.org

 

 

 

 

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