Das weit im Süden der Eifel gelegene Bitburger Gutland wirkt auf den ersten Blick unscheinbar. Der hügelige Landstrich an der Grenze zu Luxemburg ist vor allem von der Landwirtschaft geprägt: Äcker und Wiesen, soweit das Auge reicht, dazwischen einzelne Wäldchen und Dörfer; hie und da eine Streuobstwiese. Positiv formuliert: In einer solchen Landschaft als Lepidopterologe mehr als den sprichwörtlichen „guten Durchschnitt“ zu erwarten, erscheint ambitioniert.
Tatsächlich muss man schon ganz genau hinschauen, um die in der ausgeräumten Landschaft vorhandenen Biodiversitäts-Hotspots nicht zu übersehen. Vielleicht liegt da auch der Grund, warum sich bislang nur einzelne Schmetterlingsforscher in den tiefen Süden der Eifel wagen – zumal die Mosel mit ihren attraktiven Zielen nur einen Steinwurf entfernt liegt, und auch der Norden der Eifel Raum für spannende Entdeckungen bietet. Doch es gibt sie auch im Gutland: Gebiete, in denen es sich lohnt, sich den Tag oder die Nacht um die Ohren zu schlagen.
Zu den interessantesten Lebensräumen im Bitburger Gutland zählen zweifellos die Kalk-Halbtrockenrasen submediterraner Prägung. Entstanden durch extensive Mahd oder Beweidung und früher landschaftsprägend, sind sie heute auf klägliche Reste zusammengeschrumpft und bilden kleine Refugien inmitten der intensiv genutzten Agrarlandschaft. Ihrer vegetationskundlichen Bezeichnung machen diese Gebiete alle Ehre, denn insbesondere die so genannten „Scharren“ an den Gipskeuper-Abhängen im Nims-Tal weisen ein trockenwarmes Kleinklima auf, das so manchem Mosel-Steilhang in nichts nachsteht. Eine Besonderheit dieses Halbtrockenrasen-Typs sind die mit lockerem Gesteinsschutt gefüllten Erosionsfurchen, die ihm ein charakteristisches Erscheinungsbild verleihen.
Naturkundlich interessierte Besucherinnen und Besucher kommen voll auf ihre Kosten: Neben botanischen Highlights wie der Hummel-Ragwurz (Ophrys holoserica), dem Lothringer Lein (Linum leonii) oder der Weißen Braunelle (Prunella laciniata) fühlen sich dort seltene Tagschmetterlinge wohl, etwa Magerrasen-Perlmuttfalter (Boloria dia), Thymian-Ameisenbläuling (Maculinea arion), Kleiner Schlehen-Zipfelfalter (Satyrium acaciae), Himmelblauer Bläuling (Lysandra bellargus), Alexis-Bläuling (Glaucopsyche alexis) oder Esparsetten-Widderchen (Zygaena carniolica); früher auch die Rostbinde (Hipparchia semele). Möglich macht’s die Kombination aus Klima, Geologie und der besonderen Lage in nächster Nähe zur Mosel als Einwanderungskorridor aus dem nahen Frankreich.
Darüber, welche Nachtschmetterlinge die hiesigen Kalk-Halbtrockenrasen bevölkern, ist weit weniger bekannt. Die letzten umfangreichen Aufsammlungen datieren auf die 1970er, als sich vor allem Friedhelm Nippel und Jochen Rodenkirchen um die Erforschung der lokalen Entomofauna verdient gemacht haben. Ob Trockenrasen-Flechtenbär (Setina irrorella), Getreide-Steppeneule (Oria musculosa), Skabiosenschwärmer (Hemaris tityus), Trockenrasen-Dickleibspanner (Lycia zonaria), Südlicher Eichen-Baumspanner (Peribatodes ilicaria) oder Einstreifiger Trockenrasen-Spanner (Aspitates gilvaria) – die Liste der damals angetroffenen Raritäten ist lang. Was davon noch übriggeblieben sein mag? Immerhin förderten die ersten Versuche, die Kalk-Halbtrockenrasen im Bitburger Gutland aus dem lepidopterologischen Dornröschenschlaf zu wecken, bereits eine Reihe von Besonderheiten zutage: So konnten im Laufe des Jahres 2023 beispielsweise das imposante Gelbe Ordensband (Catocala fulminea), die markante Randfleck-Wickeneule (Lygephila craccae), Hauhechel-Spanner (Aplasta ononaria) und Hauhechel-Glasflügler (Bembecia albanensis), der Braune Breitflügelspanner (Agriopis bajaria) und der erst im Dezember erscheinende Herbst-Kreuzflügel (Alsophila aceraria) nachgewiesen werden. Im Jahr 2020 wurde vor Ort auch die eigentlich eher in feuchteren Biotopen zu erwartende Striemen-Rindeneule (Acronicta strigosa) bestätigt, die in Rheinland-Pfalz inzwischen nur noch äußerst selten beobachtet wird. An der im Saum der Kalk-Halbtrockenrasen regelmäßig zu findenden Elsbeere (Sorbus torminalis) kommen die spezialisierten Nepticuliden Stigmella mespilicola, Stigmella torminalis und Stigmella hahniella vor. Letztere ist im Vereinsgebiet bis dato ausschließlich aus dem Gutland bekannt. Alles in allem liegen aktuelle Bestätigungen von rund 350 Arten aus der Ordnung der Schmetterlinge vor – da ist ganz klar noch Luft nach oben.
Im März 2024 konnten vor allem der in Rheinland-Pfalz spärlich vertretene Gestrichelte Lappenspanner (Trichopteryx polycommata) sowie die Braunband-Kätzcheneule (Orthosia opima) überzeugen. Letztere fand sich in der Nachmittags-Sonne an einem Grashalm sitzend, ganz ungeniert beim Verstecken der (Oster-)Eier. Dass diese exklusiven Eier nicht nur so manchem Forscher, sondern auch dem einen oder anderen Erzwespen-Weibchen den Tag versüßen könnten, scheint sie jedenfalls ebenso wenig zu beeindrucken wie der Trivialname Moorheiden-Frühlingseule. An den Habitat-Präferenzen der seltenen Orthosia opima scheiden sich die Geister: Offen oder bewaldet, feucht oder trocken – das „perfekte“ opima-Habitat scheint von Landschaft zu Landschaft zu variieren und über die diskutierten Ursachen herrscht (noch) kein abschließender Konsens. Klar ist, wie so oft, lediglich, dass unser Wissen über das Treiben der Tag- und Nachtfalter nach wie vor unvollständig ist. Aber genau dieser Umstand macht die Faunistik umso spannender!
Bleibt zu hoffen, dass Eier und Raupen allen Widrigkeiten zum Trotz überleben und ihren Entwicklungszyklus erfolgreich abschließen werden. Mit Sicherheit werden in den nächsten Jahren weitere Untersuchungen im Bitburger Gutland folgen, bei denen mit etwas Glück noch so mancher lepidopterologische Schatz gehoben werden könnte.
Allen Mitlesenden, Kolleginnen und Kollegen wünsche ich frohe Ostern und einen erfolgreichen Start in die Schmetterlings-Saison!
Weiterführende Literatur:
ROSLEFF-SÖRENSEN, E. (2012): Bemerkenswerte floristische und faunistische Beobachtungen in der Südeifel, Kreis Bitburg-Prüm, 2007-2011. Dendrocopos, 39: 131-138, Trier
ROSLEFF-SÖRENSEN, E. (2013): Zustand und Entwicklung von Kalkmagerrasen im FFH-Gebiet „Ferschweiler Plateau” in der Südeifel am Beispiel von Magerrasen aus Muschelkalk bzw. Keuper: NSG „Im Odendell bei Bettingen” und Scharren am „Sudigkopf” und „Lengenbüsch” bei Wettlingen. Dendrocopos, 40: 151-159, Trier
Danke an Autor und Webmaster für diesen schönen Osterbericht
Lieber Herr Franzen,
herzlichen Dank für diesen informativen und schönen Bericht.
Ich habe mich darüber sehr gefreut.
Allen Falterfreunden ein frohes Osterfest und eine sonnige Falterzeit.
Liebe Grüße
Peter Blumenthal
Lieber Herr Blumenthal,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Es freut mich sehr, dass Ihnen mein Beitrag gefallen hat.
Frohe Ostern und viele Grüße,
Alexander