Anfang März packt die „Mottenfänger“ eine gewisse Unruhe, die Leuchtanlage muss dringend mal wieder entstaubt werden, und die Batterien der Lichtfallen frisch geladen. Und weil es in der näheren Umgebung von Wuppertal kaum erstklassige Habitate mit Spitzenarten gibt, verabredet man sich gerne mal zu einer längeren Spritztour an die Mosel, die Ahr, oder den Mittelrhein. Ein kleiner Exkursionsbericht.
Dort gibt es schöne Plätze mit seltenen Arten, die zum Teil schon seit Jahrzehnten nicht mehr nachgewiesen wurden. Und es ist eigentlich immer ein wenig wärmer als zu Hause, das bedeutet verstärkte Flugaktivität bei den Faltern, und macht mehr Spaß. Wenn man schon die stundenlange Anfahrt in Kauf nimmt, dann gilt die Devise: „Einmal hin – alles drin“. Also wird am frühen Nachmittag alles eingeladen was irgendwie nach Lampe aussieht, und das Auto des Kollegen füllt sich rasch mit Generator, Lampen, Kabeltrommeln und Tüchern.
Nach einer guten Stunde Fahrt sind wir endlich in Rheinbrohl, am rechten Ufer des Mittelrheins zwischen Remagen und Koblenz. Dorthin hatte uns der Kollege eingeladen, und da gabs auch früher mal Valeria oleagina, die Olivgrüne Schmuckeule. An der Untermosel ist ihr Nachweis kein Problem, aber an Ahr und Mittelrhein ist das schöne Tier seit langem nicht mehr gefunden worden. Hajo Heimbach erwartete uns schon, und in der Dämmerung erreichten wir dann über ein paar Serpentinen die Rheinbrohler Lay, das Tagesziel.
Ein exponierter Felsbuckel hoch über dem Rheintal, mit trockenem Eichenwald, Grünland, Obstwiesen und Schlehenhecken im Mosaik, da kann beim Lichtfang nicht viel schiefgehen. Wenn nur der vermaledeite Ostwind nicht wäre! Und die Vegetation ist im Vergleich zum Köln-Düsseldorfer Raum noch lange nicht so weit entwickelt, die Schlehenblüten noch fest geschlossen. Mütze und dicke Jacke sind angesagt, als wir die Leuchttürme und Lichtfallen im Gelände verteilen, es windet kühl. Einer der LED-Türme muss sogar in den Windschatten hinter das Häuschen unter dem Sendemast, ohne den heutzutage kein Aussichtspunkt mehr auskommt. Ob das wohl was wird heute?
Immerhin ist die Aussicht fantastisch, wie sich das gehört auf dem Rheinsteig. Das Rheintal zu Füßen, dahinter die Eifel in der Ferne, im Rücken der Westerwald. 360° Rundumsicht an einem geschichtsträchtigen Platz: Hier haben schon die Römer übers Tal geschaut, im Tal unten beginnt der ehemalige römische Limes. Ein kleines Kapellchen erinnert an die Gefallenen des Deutsch-Französischen Krieges, auch im Zweiten Weltkrieg erlangte die Felskuppe durch massiven 10-tägigen Artilleriebeschuss und Luftangriffe im März 1945 traurige Berühmtheit. Heute ist davon nicht mehr viel zu sehen, der Arbeitskreis „Kulturlandschaft Rheinbrohl“ unter Führung unseres heutigen Gastgebers Hajo Heimbach kümmert sich seit vielen Jahren um die Rheinbrohler Lay. Heckenpflege, Offenhaltung durch Beweidung, die üblichen Probleme mit Besucherdruck und Müll, natürlich wird alles im Ehrenamt erledigt. Hajo war auch der vorläufig letzte, der dort oben Valeria oleagina nachweisen konnte, das war vor fast 30 Jahren. Unten im Tal gehen die Lichter an, und auch wir legen den Schalter um und kümmern uns um die Nachtfalter.
Zweieinhalb Stunden später sind wir von dem Gekraxel auf dem steilen Gelände ziemlich kaputt, und der Akku vom Handy ist vom fotografieren ziemlich leer. Auf dem digitalen „Zettel“ stehen über 30 Arten Lepidopteren, das ist eine sehr ordentliche Anzahl für einen 9. März. Die neue LED-Eimerfalle im Eichen-Krüppelwald ist voller Kätzcheneulen, auch Orthosia miniosa ist dabei. Die „besseren“ Frühjahrs-Geometriden Earophila badiata, Anticlea derivata und Aleucis distinctata sind in Anzahl angeflogen. Als der Generator ausschaltet flattert der erste Mondfleckspanner (Selenia dentaria) des Jahres noch schnell aus dem Gebüsch an die Lampe.
Und der LED-Leuchtturm hinter dem Häuschen am Sendemast hat den Vogel abgeschossen: Im Windschatten sammelten sich hier hunderte von Nachtfaltern am Licht, die vorher von einem blühenden Kirschpflaumenbaum angelockt worden waren. Beim Abbau der Lichtanlage heißt es immer ganz besonders aufpassen, die seltensten Falter werden oft als letzte entdeckt. Auch diesmal sitzt eine Rarität in der allerletzten Lichtfalle: Digitivalva granitella, mit dem schönen Deutschen Namen Dürrwurz-Rundstirnmotte, ein wärmeliebender „Mikro“.
Die Grüne Schmuckeule haben wir zwar leider nicht erwischt, warum auch immer. An der Untermosel bei Bremm konnten die Kollegen in der gleichen Nacht mehr als ein Dutzend frische Tiere von V. oleagina nachweisen. Vielleicht gelingt uns aber doch noch der Wiederfund an der Mittelmosel: In der Landessammlung steckt ein Falter aus meiner Heimatstadt Traben-Trarbach, aus dem April 1944. Auch dort gibt es bis heute noch tolle Schlehenhecken an den Felshängen. Man darf die Hoffnung nie aufgeben!
Der anstrengende Trip endet um Mitternacht, kurz vor Wuppertal ist es zwei Grad wärmer als am Mittelrhein. Aber die Leuchtanlagen sind entstaubt, die Saison 2024 kann kommen, und wir fahren bestimmt mal wieder an die Rheinbrohler Lay!
P.S. Danke an Justus Vogel für das oleagina-Bild. Wer sich genauer für die Artenliste vom 9. März 2024 in Rheinbrohl interessiert, der findet hier die komplette Liste mit den entsprechenden Links zu den Beobachtungen auf observation.org
„Dorthin hatte uns der Kollege eingeladen, und da gabs auch früher mal Valeria oleagina, die Olivgrüne Schmuckeule. An der Untermosel ist ihr Nachweis kein Problem, aber an Ahr und Mittelrhein ist das schöne Tier seit langem nicht mehr gefunden worden.“
Es verblüfft immer wieder aufs Neue, wie eng die rheinisch-westfälischen Lepidopterologen immer das Mittelrheingebiet definieren. An „unserem“ (hessischen) Mittelrhein jedenfalls gibt es Leuchtnächte, an denen V. olaegina die alles dominierende Art am Leuchtturm ist. Dieser Trend nahm m.E. sogar auch über die letzten Jahre zu.
Ist wegen Nachweislücken schwer zu sagen, aber davor es gab es wohl eine lange Phase mit nur sehr spärlichen oder gar Null-Nachweisen. Auch im Taubertal Baden-Württembergs beobachten ich und andere diese massiven Zunahmen.
jaja, hast ja Recht Hermann. Mittelrhein nördlich von Koblenz müsste es heißen.
Du darfst auch gerne Deine Daten beisteuern. Dann haben alle was davon.
VG Armin
Hat die Zunahme der V. oleagina Populationen eurer Meinung nach eher klimatische Gründe, oder spricht sie für eine voranschreitende Verbuschung (die Art lebt ja heimisch wohl vor allem an Schlehen) der Standorte?
Vorläufig ist die „Zunahme“ erst mal eine Vermutung, es gibt viel zu wenig Daten. Ich selbst fahre seit 2010 sehr unregelmäßig an die Mittelmosel, und jetzt hat endlich mal das Wetter gepasst, und ich hatte Zeit und drei Lichtfallen mit. Und wir haben jetzt ein paar Mitstreiter mehr die aus der Region kommen. Was die Verbrachung angeht, das sind vor allem Birken, weniger Schlehen.
Klasse Bericht, Armin – und für uns eine gute Vorbereitung auf das Artenspektrum, das uns gestern am Stux – rund 20 Wanderkilometer Rheinsteig weiter nördlich – erwarten sollte. Auf dem Plateau war es uns zu zugig, aber auf halber Höhe auf einer Lichtung zwischen Wald und zugewachsenen ehemaligen Weinbergsterrassen war es prima. Mit Klimawandel zum Anfassen: Es fand sich das früheste jemals in unserem Arbeitsgebiet nachgewiesene Silberspinnerchen Cilix glaucata am Turm ein!
Prima! jetzt fehlt nur noch jemand der mal ins Siegerland fährt und B. nubeculosa aus dem Gebüsch klopft…
Danke Armin, für den wie immer sehr spannenden Bericht!
Herzlichen Glückwunsch aus dem kühlen Norden – erstaunlich was bei euch im Süden schon alles fliegt! Wünsche euch allen eine ergiebige und spannende Saison 2024 !