Nachtfalter-Spurensuche am Rheinsteig

Es gibt zahlreiche Methoden Nachtfalter-Kartierungen durchzuführen, üblicherweise sind das  Lichtfang, Ködern oder Raupenklopfen. Das Aufsuchen von Fledermausquartieren gehörte bisher nicht zu den bevorzugten Mitteln der Datenerhebung des Autors.
Auf einer Wanderung entlang des Rheinburgenweges nördlich St. Goar war die Überraschung daher groß. Ein begehbarer Höhleneingang versprach, aufgrund früherer Erfahrungen anderenorts, Nachweise von an den Wänden oder der Höhlendecke sitzenden Tagpfauenaugen (Aglais io), Achat- (Phlogophora meticulosa) und Zackeneulen (Scoliopteryx libatrix).

Foto 1: Eingang zur Höhle am Rheinburgenweg nördlich St. Goar, Ansicht auf die schräg abfallende Wand, 22. Oktober 2025. (Alle Fotos: Armin Radtke)

Ein gänzlich anderes Bild zeigte sich dann beim Betreten der ca. 20 Quadratmeter großen, maximal fünf Meter hohen Höhle: An einer schräg zum Höhlenboden abfallenden Wand fanden sich zahlreiche Flügel von Nachtfalterarten aus der Familie der Eulenfalter (Noctuidae).

In situ Funde der Flügelreste von der Höhlenwand

Einzelne der Flügel hingen in Spinnennetzen, die Mehrzahl aber lag auf der Höhlenwand. Wären die Falter Opfer von Spinnen geworden, dann hätten auch ganze Körper zu finden gewesen sein müssen. Neben den Flügeln fanden sich ganz vereinzelt auch Schmetterlingsbeine, am ehesten, wenn Vorder- und Hinterflügel über ein Stück Cuticula noch verbunden waren, siehe Foto 3 bei Noctua pronuba und Foto bei Phlogophora meticulosa.

Oberhalb der Fundfläche ist die Höhlendecke sehr schartig. Leider konnte trotz nochmaligem Aufsuchen des Fundortes am nächsten Tag kein Foto einer dort an der Decke hängenden Fledermaus aufgenommen werden. Womöglich aber ist die Höhle gar kein permanentes Fledermausquartier. Die Fledermausexpertin Irina Würtele machte mich darauf aufmerksam, dass Fledermäuse während der Jagd ab und zu Fraßplätze aufsuchen, sich dort jeweils nur wenige Minuten aufhalten. Die hier vorgestellte Höhle muss dazu in den letzten Wochen mehrfach angeflogen worden sein. Das belegen die über ihre Flügelreste nachgewiesenen Spätsommer/Herbstarten:

Tabelle: Über Flügelreste nachgewiesene Arten und geschätzte Mindestanzahl der Individuen

K&R Nummer Artname Geschätzte Mindestanzahl
9056 Autographa gamma 2
9370 Helicoverpa armigera 1
9505 Phlogophora meticulosa 5
9562 Tiliacea citrago 1
9600 Conistra vaccinii 1
10096 Noctua pronuba 10
10100 Noctua fimbriata 1
10212 Xestia xanthographa 2
10346 Agrotis ipsilon 10
10351 Agrotis segetum 1


10238 Peridroma saucia 1 (Nachtrag! siehe Kommentare)

Darstellung ausgewählter Flügelreste von der Höhlenwand

Auffallend ist die offensichtliche „Vorliebe“ für die körperlich größeren Eulenfalterarten (P. meticulosa, N. pronuba und A. ipsilon). KÄSTNER (2014/15) zitiert mehrere andere Untersuchungen, bei denen festgestellt worden ist, dass Langohr-Fledermäuse bevorzugt Eulenfalter als Nahrung jagen. Wer zufällig oder im Rahmen von Schutzbemühungen die Gelegenheit hat, Fledermausquartiere und Fraßplätze zu besuchen, der sollte unbedingt auc mal einen Blick auf ihre „Hinterlassenschaften“ werfen.


Literatur

KÄSTNER, T.: Nachweise von Schmetterlingen (Lepidoptera) an zwei Langohr-Fraßplätzen (Mammalia: Chiroptera: Plecotus). Sächsische Entomologische Zeitschrift 8 (2014/2015): 230-234.

Ganz herzlich möchte ich mich bei Irina Würtele (Osnabrück) für ihre Kommentare und Anregungen bedanken!

 

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5 Antworten zu Nachtfalter-Spurensuche am Rheinsteig

  1. Hermann Falkenhahn sagt:

    Hallo Armin,
    sofern NRW über eine aktive Speläologen-Szene verfügt, könnte man denen auch eine Artenliste von Falter-Überwinterern an die Hand geben. In Hessen haben die Landesbehörden aus dieser Quelle Abertausende Datensätze von Höhlenschmetterlingsfunden erhalten. Einschränkend dazu ist zu sagen, dass keine Fledermaus-Frassreste erfasst wurden, sondern lediglich lebende, ruhende Falter.

    Vergleicht man Dein Höhlenergebnis mit den Daten aus Hessen, dann fällt bei Dir das Fehlen von Triphosa dubitata auf. Ich unterstelle jetzt mal, dass die Falter dieser Art noch nicht in Hibernation gegangen sind und noch herumfliegen.
    Es ist verblüffend, dass die Späleologen-Meldungen Hessens ein quasi flächenhaftes Vorkommen von Triphosa dubitata dokumentieren (ein Befund, der sich durch Daten, die mit den üblichen Erfassungsmethoden für Nachtfalter gewonnen worden sind, nicht ansatzweise abbilden liesse).
    Danke für Deine immer wieder anregenden Beiträge!

    Viele Grüsse aus Mittelhessen:
    Hermann

    • Armin Radtke sagt:

      Hallo Hermann,

      womöglich fand in der Höhle selbst gar keine Jagd auf Nachtfalter statt, die Fledermaus hat sich wahrscheinlich nur kurz zum Fressen aufgehalten. Womit dann in Ruhe an den Wänden und der Decke sitzende Falter gar nicht auf den Speiseplan mit aufgenommen wurden.

      Vielen Dank für Deinen anregenden Kommentar!

      Beste Grüße aus Wuppertal
      Armin

  2. Carl-Peter Blumenthal sagt:

    Liebe Schmetterlingsfreunde,
    ein sehr informativer Bericht!
    Herzlichen Dank für die Anregung Fledermausplätze in Augenschein zu nehmen!
    Leider sind dort nur rudimentäre Reste nach der Verspeisung durch die Fledermäuse übrig.

    Liebe Grüße
    Carl-Peter Blumenthal

  3. Axel Steiner sagt:

    Hallo Armin,
    du kannst deine Liste um eine Art erweitern: der Flügel rechts oben bei Agrotis ipsilon gehört zu Peridroma saucia.
    Manchmal ergeben Fledermausfraßplätze sogar faunistisch interessante Funde. Wir kannten beispielsweise seit Reutti (1898) keinen Nachweis von Phlogophora scita aus dem Odenwald mehr, bis Jutta Bastian 1992 Flügelreste der Art an einem Langohr-Fraßplatz im Dachstuhl des Heidelberger Schlosses fand.
    Schöne Grüße, Axel

    • Armin Radtke sagt:

      Hallo Axel,

      Du hast ein scharfes Auge! Besten Dank für die saucia.
      Scita habe ich bisher erst einmal gesehen – vor gefühlten 35 Jahren mit Dir zusammen irgendwo auf der Schwäbischen Alb (Schopflocher Moor?).
      Beste Grüße in den Süden

      Armin

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