Am 18. September 2024 gelang mir, mehr oder weniger zufällig, der Nachweis einiger besetzter Minen des Ampfer-Zwergminierfalters (Enteucha acetosae) auf einer Waldwiese im Messeler Hügelland zwischen Darmstadt und Dieburg. Soweit mir bekannt wohl ein Erstnachweis für Südhessen und ein Wiederfund für Hessen.
Dass ich die Art überhaupt auf dem Schirm hatte, war nur der Tatsache zu verdanken, dass ich vor kurzem über ein Foto gestolpert war, und da die Minen ja doch recht auffällig und hübsch sind, den Entschluss gefasst hatte, irgendwann einmal danach zu suchen. Eigentlich hatte ich die gezielte Nachsuche in der Umgebung aber mangels neuerer Nachweise im Umkreis von gut 100 km sofort verworfen. Eigentlich hatte ich auch nur eine Raupe vom Brombeerspinner (Macrothylacia rubi) in der Wiese sitzen gesehen, als mir eine Rumex acetosa Pflanze ins Blickfeld geriet. Auffällig war sofort ein mit sieben noch besetzten Minen befallenes Blatt, deren rote Kringel, zumindest wenn man die Mine vor seinem inneren Auge hat, doch Aufmerksamkeit erregen. An einem weiteren Blatt waren noch vier ältere schon verlassene Minen zu finden. Da es an dem Tag schon später Abend war und die Sonne bereits untergegangen war, konnte ich auf die Schnelle keine weiteren besetzten Pflanzen ausmachen.
Die Ampfer-Pflanze stand so ziemlich inmitten der Wiese in einem dichten Rasen aus Festuca rubra. Die Wiese ist eine selten (ob überhaupt?) gemähte, kleine Waldwiese, die zumindest dieses Jahr nicht gemäht wurde und wahrscheinlich hauptsächlich als Wildäsungsfläche dient. Durch die ausgebliebene Mahd hat sich ein Mosaik aus allen möglichen Sukzessionstadien gebildet. An vielen Stellen dominiert Festuca rubra zusammen mit Luzula campestris und einigen Kräutern wie Rumex acetosa oder Veronica chamaedrys. Rumex acetosella ist vor allem an Stellen die von Wildschweinen aufgewühlt wurden flächendeckend häufig. Von den Seiten dringt Calamagrostis epigejos und Prunus spinosa in die Fläche ein. Zusätzlich ist ein Feuchtigkeitsgradient durch die relativ starke Hangneigung vorhanden. Am Hangfuß ist es sehr nass und Binsen dominieren fleckenweise. Der Wald um die Fläche herum ist generell forstlich beeinflusster Buchenwald, an der Südseite befindet sich allerdings ein schöner wärmebegünstigter Hang mit Traubeneichen, Birken-Zitterpappel-Sukzessionswald und Besenginster.
Am folgenden Tag besuchte ich die Stelle erneut und unterzog die Fläche nochmals einer genaueren Nachsuche. Dabei konnte ich noch die Nutzung von Rumex acetosella bestätigen, an dem ich drei verlassene und eine besetzte Mine fand (jeweils eine Pflanze). Von Rumex acetosa konnte ich noch zwei weitere befallene Pflanzen mit jeweils drei Minen feststellen. Gemessen an der Menge der Rumex-Pflanzen war die Befallsrate allerdings sehr gering.
Ebenfalls vorhandene Pflanzen von Rumex obtusifolius waren erwartungsgemäß nicht besetzt, da viele spezialisierte Arten entweder die sauren oder die nicht-sauren Rumex-Arten nutzen, aber nicht beide. Zusätzlich zu Rumex acetosa und R. acetosella wird noch R. thyrsiflorus genutzt (Sobczyk, 2016/2017). Die außerdem erwähnte R. arifolius (baldmineerders.nl) gibt es nur im Alpenraum und einigen Mittelgebirgen, außerdem werden die Populationen von E. acetosae daran von manchen einer eigenen Art E. arifoliella (Klimesch, 1940) zugeordnet.
Aktuelle Nachweise von E. acetosae gibt es in Deutschland nur aus Sachsen (Sobczyk, 2016/2017), aus dem Saarland und einem kleinen Areal in Nordrhein-Westfalen (Schmetterlinge-d.de). Ältere Nachweise existieren aus der angrenzenden Pfalz mit einem Nachweis an Rumex acetosella am 14. September 1992 (Bettag & Bastian, 2003) und am 31. Oktober 1999 aus Nordhessen (Schmetterlinge-d.de). Teilweise unklare Altmeldungen gibt es offenbar aus fast allen Bundesländern (Gaedike et al., 2017).
Der Ampfer-Zwergminierfalter reagiert möglicherweise empfindlich auf intensive Mahd, was den Fund auf der ungemähten Wiese erklären könnte. Zumindest schreibt auch Sobczyk (2016/2017), dass gemähte Flächen offenbar nicht besiedelt werden. Seine Fundorte waren Saum- und Randstrukturen an Dämmen, Bahnlinien und Wegrändern. Die Besiedelung lichter Wälder oder Waldränder ist wahrscheinlich, da dort erfahrungsgemäß große Bestände von R. acetosella wachsen können. Bettag & Bastian (2003) beschreiben ein sehr unspezifisches Habitat am Rande einer Fichtenschonung.
Die weitere Nachsuche an den genannten Rumex-Arten R. acetosa, R. acetosella und R. thyrsiflorus wäre sicher lohnenswert, da ähnliche Habitate besonders an bodensauren Standorten wie über Sandstein oder auf Sand verbreitet sind. Insbesondere in der Pfalz ist Rumex acetosella häufig und mögliche Habitate wie Böschungen in lichten Wäldern verbreitet. Interessant wäre vor allem mehr über die Habitatnutzung zu erfahren und herauszufinden ob vorzugsweise Wiesen genutzt werden oder auch Unterwuchs in lichten Wäldern als Habitat dienen kann. Eine gewisse Vorsicht sollte bei der Suche geboten sein, da alle Fraßstellen von Insekten an Rumex dazu neigen sich rot zu verfärben. Es sollte also auf die typischen Gangstrukturen geachtet werden und wenn noch vorhanden auch auf die gelblichen Raupen in den Minen. Ansonsten sind die kringelartigen Gangstrukturen aber sehr auffällig und kaum zu verwechseln.
Ich bedanke mich bei Jonas Mittemeyer, Dieter Robrecht und Justus Vogel die mir die Bestimmung als Minen-Neuling bestätigen konnten, sowie Armin Dahl, der mich dazu angestiftet hat diesen Bericht zu schreiben.
Literatur
Bladmineerders.nl (2024): Plant parasites of Europe. Abgerufen am 19.09.2024. https://bladmineerders.nl/parasites/animalia/arthropoda/insecta/lepidoptera/monotrysia/nepticuloidea/nepticulidae/enteucha/enteucha-acetosae/
Bettag, E. & Bastian, K. (2003): Verzeichnis der Klein-Schmetterlinge (Insecta: Micro-Lepidoptera) von Rheinhessen-Pfalz. Teil VIIa: Nepticuloidea, Yponomeutoidea, Ypsolophidae, Elachistidae, Alucitoidea, Pterophoroidea. Mitteilungen der POLLICHIA, 90: 293-352. Abgerufen am 24.09.2024.
https://www.zobodat.at/pdf/Mitt-Pollichia_90_0293-0352.pdf
Gaedike, R., Nuss, M., Steiner, A. & Trusch, R. (2017): Verzeichnis der Schmetterlinge Deutschlands (Lepidoptera). 2. überarbeitete Auflage. Entomologische Nachrichten und Berichte (Dresden), Beiheft 21: 1-362.
Klimesch, J. (1940): Beschreibung einiger neuer Nepticula-Arten (Lep., Nepticulidae). (Nep. tergestina auf Euphorbia spec., Nep. geimontani auf Geum montanum, Nept. nigrosparsella auf Quercus pubescens, Nept. arifoliella auf Rumex arifolius). Zeitschrift des Österreichischen Entomologischen Vereins 25: 79-81, 89-94, pl. XIV-XV.
Schmetterlinge-d.de (2024): Schmetterlinge Deutschlands. Online-Portal als Projekt zur Analyse der Gefährdung der Schmetterlinge Deutschlands auf der Grundlage von online-Verbreitungsdaten zur Erstellung der neuen Roten Liste. Abgerufen am 19.09.2024. https://www.schmetterlinge-d.de/Lepi/EvidenceMap.aspx?Id=432007
Sobczyk, T. (2016/2017): Der Ampfer-Zwergminierfalter Enteucha acetosae (Stainton, 1854) – Wiederfund der weltweit kleinsten Schmetterlingsart in Sachsen und Anmerkungen zu ihrer Lebensweise (Lepidoptera: Nepticulidae). Sächsische Entomologische Zeitschrift 9: 11-18.