Mosel-Apollofalter: Aussterben durch lebensraumtypisches Risiko?

Recht haben und Recht bekommen sind bekanntlich zweierlei Dinge. Der Eilantrag gegen die zum x-ten Mal verlängerte Ausnahmegenehmigung der Hubschrauberspritzung an der Mosel ist erst einmal durch das Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Hauptsacheverfahren ist jedoch bisher nicht entschieden. Derweil geht das Faltersterben weiter.

Liebe Freundinnen und Freunde des Apollofalters,
wie Ihr wisst, haben die Deutsche Umwelthilfe und unser Verein zusammen im Dezember 2024 beim Verwaltungsgericht Koblenz Klage gegen die Ausnahmegenehmigung für das Versprühen von Fungiziden mit Luftfahrzeugen (Hubschrauber und Drohne) eingereicht. Diese Klage betrifft die Genehmigungen aus dem Jahr 2024. Anfang Mai wurden wieder Bescheide mit geändertem – aber ähnlichem Inhalt – erteilt, die auch sofort umgesetzt wurden. Gegen diese Genehmigungen hat die Deutsche Umwelthilfe versucht per Eilantrag vorzugehen. Der Antrag wurde vergangene Woche durch das Verwaltungsgericht abgelehnt. Den genauen Wortlaut des lesenswerten Beschlusses (auf der Seite der Pressemitteilung verlinkt) findet Ihr hier:
https://vgko.justiz.rlp.de/presse-aktuelles/pressemitteilungen/detail/apollofalter-eilantrag-gegen-hubschrauberspritzungen-an-der-mosel-erfolglos

Im Wesentlichen lautet die Begründung in der Pressemitteilung:

„Die pflanzenschutzrechtliche Genehmigung zur Ausbringung bestimmter Fungizide mittels Hubschrauber erweise sich nach der im Eilverfahren angezeigten summarischen Prüfung anhand der vorgelegten Unterlagen als rechtmäßig, so die Koblenzer Richter. Der Genehmigung stünden die von der Antragstellerin aufgezeigten naturschutzrechtlichen Vorschriften nicht entgegen. Es fehle an gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen dazu, ob die Ausbringung der von der Genehmigung erfassten Pflanzenschutzmittel mit Hubschraubern schädliche Auswirkungen auf den Erhaltungszustand des Mosel-Apollofalters habe. Hingegen hätte nach derzeitigem Erkenntnisstand eine im Eilverfahren stattgebende Entscheidung zwangsläufig negative Folgen für den Erhalt der Habitate des Apollo-Falters. Ohne die luftgestützte Anwendung von Fungiziden könnten die Rebflächen nicht ökonomisch bewirtschaftet werden, was aller Voraussicht nach zu einer Aufgabe des Weinbaus in diesen Lagen führe. Nicht bewirtschaftete Rebflächen würden innerhalb kürzester Zeit verbuschen und seien damit als Habitate für den Mosel-Apollofalter ungeeignet. Der Verlust von geeigneten Habitaten sei eine zentrale Ursache der negativen Bestandsentwicklung des Mosel-Apollofalters.“

Es gibt sie noch, Apollofalter an der Mosel 2025. Sind das die „Letzten Mohikaner“? (Foto: Tim Laussmann)

Das Gericht folgt somit vollständig der Argumentation des Landes Rheinland-Pfalz. Dies ist für uns eine ziemlich schlechte Nachricht, denn diese Entscheidung wird sicher auch auf das Hauptsacheverfahren, also die Klage gegen die Genehmigungen aus dem Jahr 2024, Auswirkungen haben.

Allein die vom Land RLP postulierten Wetterereignisse als Ursache für den Niedergang des Apollos an der Mosel wurden nicht aufgegriffen. Die Argumentationskette lautet also nun: Der Apollofalter lebt im Weinberg. Der Weinberg wird durch den Weinbau erhalten, der nur mit dem besagten Fungizid-Cocktail funktioniert. In der Klageerwiderung fiel auch die Aussage: die Fungizidanwendung ist ein für den Apollofalter „lebensraumtypisches Risiko“. Sprich: der Apollofalter ist auf die Fungizide angewiesen, als sei er eine Art Nebenprodukt des Weinbaus.

Dass der Apollofalter auch heute noch – trotz der zahlreichen Chemikalien – im Weinberg lebt, ist gar nicht erwiesen. Experimente mit ausgesetzten Raupen im Weinberg sprechen dagegen. Auch dass die Verbuschung in den letzten gut 10 Jahren, in denen die vorher stabile Apollofalter-Population verschwindet – ursächlich ist, bleibt Spekulation. Das Land RLP ist nicht einmal in der Lage zu sagen, wo genau in den letzten Jahren Habitate zugewachsen sind. Selbst dass die Apollofalterbestände an anderen Standorten als an der Mosel – auf der Fränkischen und Schwäbischen Alb – stabil sind (https://link.springer.com/article/10.1007/s10841-025-00657-9), sorgt offenbar nicht für ein Innehalten.

Das Gericht sagt „es fehle an gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen dazu, ob die Ausbringung der von der Genehmigung erfassten Pflanzenschutzmittel mit Hubschraubern schädliche Auswirkungen auf den Erhaltungszustand des Mosel-Apollofalters habe.“ Im Umkehrschluss bedeutet dies: solange die Apolloraupen nicht in aufwändigen Studien zu Dutzenden nach der Behandlung eingehen, ist nichts bewiesen. Es können Chemikalien direkt neben Schutzgebieten ausgebracht werden, solange wir (als Privatpersonen) nicht eindeutig nachweisen, dass genau diese geschützte Art daran stirbt. Und das müsste dann für jeden der knapp 20 verwendeten Stoffe nachgeprüft werden.

Das Hauptsacheverfahren ist bisher nicht entschieden. Wir haben – hier sind wir anderer Meinung als das Gericht in seinem Beschluss – sehr wohl gezeigt, dass die Fungizide auch Insekten schädigen. Die Berechnungen des Umweltbundesamts fußen ja gerade auf solchen Toxizitätsstudien an Insekten. Dort hat man sogar recht konservativ gearbeitet und das Risiko, dass die Hälfte der Insekten versterben noch als akzeptabel angesehen und daraus die erforderlichen Abstände zu den Habitaten des Apollofalters berechnet. Zudem hat eine durch das Land RLP selbst finanzierte Studie des Entomologischen Vereins Krefeld eindeutig gezeigt, dass der Weinberg kein „Hotspot der Artenvielfalt“ ist. Er ist vielmehr mit persistenten Stoffen belastet (die Messungen wurden durch ein nach DIN EN ISO/IEC 17025 akkreditiertes Prüflabor durchgeführt) und insbesondere das Sedum – die Futterpflanze der Raupen des Apollofalters – enthält selbst Monate nach der letzten Anwendung noch erhebliche Mengen an Pflanzenschutzmitteln – gerade zu der Zeit im Frühling, wo die Apolloraupen daran fressen. Erst in einem Abstand von mehr als 30 Metern zur Anwendungsfläche nimmt die Belastung deutlich ab. Auch eine Studie mit Difenoconazol – einem der zahlreichen im Weinbau verwendeten Stoffe – an Kohlweißlingsraupen, die eindeutig gezeigt hat, dass das Mittel tödlich für Schmetterlinge ist, wurde nicht berücksichtigt. Darüber hinaus haben wir zahlreiche publizierte Studien vorgelegt, die eindeutig zeigen, dass sich die Stoffe in der Landschaft verteilen und synergistisch die Insektenvielfalt schädigen. Mit anderen Worten: wir haben alles getan, was möglich ist, um zu zeigen, dass die Fungizide ein Problem für den Schmetterling darstellen.

Ich persönlich komme zu folgender Meinung: das Problem sind nicht alleine die Hubschrauber (diese verteilen die Stoffe nur sehr weit) sondern die neuartigen, besonders persistenten Stoffe. Viele davon sind perfluoriert. Diese Stoffe sind auf Grund der extrem stabilen Fluor-Kohlenstoff-Bindung durch Mikroorganismen kaum abbaubar – das Endprodukt ist Trifluoressigsäure (TFA), die nun überall in Oberflächengewässern auftaucht. Es ist schon bemerkenswert, dass man solche Stoffe zulässt, denn dass hochgradig halogenierte Stoffe ein anhaltendes Umweltproblem darstellen, weiß man seit dem DDT-Problem, den Dioxinen, den PCBs oder spätestens seit den FCKW, Treibgasen und Kühlmitteln, die zum Abbau der Ozonschicht führten. Wenn ihr jetzt denkt: gut, dass betrifft nur die Fungizide im Weinbau – nein, diese perfluorierten Stoffe werden überall in der Landwirtschaft verwendet. Wenn der Weinbau auf kurz wirksame, schnell abbaubare Stoffe umzusteigen könnte, wäre wahrscheinlich viel gewonnen. Aber die Gemengelage ist schwierig. Eine Studie zur Wirkung von Schwefel – der seit Jahrzehnten ohne offensichtliche Probleme im Weinbau verwendet wurde – auf Schmetterlingsraupen wird in Kürze beginnen. Auch diese Studie wird nicht etwa durch den Weinbau finanziert – sondern aus Mitteln, die Universitäten engagierten Forschern zur Verfügung stellen. Wir hoffen darauf, dass sich Schwefel als nicht schädlich für Schmetterlinge erweisen wird.

Gemeinsam an der Mosel unterwegs: Jürgen Resch, Geschäftsführer der DUH und Tim Laußmann. (Foto: Agnes Sauter – DUH)

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) wird nun mit dem Eilverfahren vor das Oberverwaltungsgericht Koblenz ziehen: https://www.duh.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/deutsche-umwelthilfe-ruft-im-kampf-gegen-pestizidspritzungen-aus-dem-hubschrauber-und-zum-schutz-des/

Wir werden berichten wie es weitergeht. Sollte Insektenschutz in Deutschland doch nur ein Lippenbekenntnis sein?
Es werden auf jeden Fall noch erhebliche Kosten auf uns zukommen, daher freut sich unser Verein weiterhin über jede Spende.

Viele Grüße!
Tim Laußmann


Quelle
Entomologischer Verein Krefeld (EVK) (2024): Untersuchung und Bewertung ausgewählter Areale, Habitate und Biozönosen für eine nachhaltige Stabilisierung der Bestandssituation des Apollofalters Parnassius apollo (L., 1758) an der Mosel. 127 S., Anhänge.

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2 Antworten zu Mosel-Apollofalter: Aussterben durch lebensraumtypisches Risiko?

  1. Das ist an Absurdität nicht zu übertreffen. Die Faktenlage ist doch eindeutig? Gibt es keine Hoffnung mehr?
    Was kann man tun, wenn das Urteil so Bestand hat? Muss man dann die Apollofalter Population durch geschützte Zucht erhalten? Man sollte auf jeden Fall der Region das Marketing mit dem Schmetterling verbieten, da es ja eine Täuschung darstellt. Es kann keinen Apolloweg (mehr) geben, wenn der namensgebende Falter nicht mehr existiert.

    • Tim Laußmann sagt:

      Lieber Thomas,

      vielen Dank für Deinen Kommentar! Den Winzern kann man hier keine Schuld geben. Insofern sind die Apollos auf den Etiketten eher ein historisches Dokument. Die Winzer werden mit den neuen, persistenten Stoffen versorgt (sie seien „alternativlos“). An echten, nachhaltigen Alternativen wird nicht gearbeitet, stattdessen wird die Story „durchgeknallte Naturschützer gegen den Winzer als eigentlichen Artenschützer“ inszeniert – ich habe keine Ahnung, wie lange das noch so laufen soll.

      Die richtige Adresse für eine Beschwerde ist das Land RLP.

      Die DUH und wir arbeiten weiter daran und lassen nicht locker. Auch beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit gehen wir gemeinsam (wir nur beratend) mit der DUH gegen die Genehmigungen der Mittel vor.

      Von daher gesehen: die Hoffnung stirbt zuletzt … zusammen mit dem letzten Mosel-Apollo. Ich finde, es ist auch ein schönes Beispiel für „gelebten Insektenschutz“ in Deutschland – viel bla, bla und hinter dem Blühstreifen geht´s nicht weiter.

      Viele Grüße
      Tim

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