Seit dem Jahr 2017 extensiviere ich zusammen mit Corinne Buch die ca. 0.5 Hektar große BUND-Streuobstwiese an der Schattbachstraße in Bochum am Rand des Bergischen Landes. Im Sommer 2020 haben wir damit begonnen dort auch die Nachtfalter halbwegs systematisch zu erfassen – mit erstaunlichen Ergebnissen.
In den Jahren 2018 und 2019 haben wir versucht, neben den Pflanzen auch alle anderen möglichen Lebenswesen zu erfassen, um eine Vorstellung der Grundausstattung der Wiese zu erhalten. Wir erhoffen uns, Jahre später durch eine neue Erhebung Erfolge unserer neu eingesetzten Pflegemaßnahmen beurteilen zu können. Alle unbekannten Arten wurden anhand von Fotos und/oder Belegen von Dr. Christian Schmidt (Senckenbergmuseum Dresden) bestimmt. Die Ergebnisse sind bereits öffentlich zugänglich: JAGEL & al. 2020 .
Eine Erfassung der Nachtfauna der Wiese erfolgte aber bisher nicht, und unter den bis dahin 710 Arten fanden sich lediglich 41 Schmetterlings-Arten, darunter 26 Nachtfalter. Um diese Lücke anzugehen, luden wir am 15./16.08.2020 Armin Dahl und Armin Radtke ein und trafen uns zusammen mit weiteren Falterfreaks (Jonas Mittemeyer, Julia Niermann, Hendrik Weindorf) und vier Leuchttürmen sowie Ködernschnüren auf der Wiese. Corinne zauberte den passenden Leuchtkuchen dazu. An dem Abend konnten wir insgesamt 92 Arten erfassen, darunter 60 Nachtfalter-Arten, von denen 54 neu für die Wiese waren.
Damit war das Interesse geweckt und wir haben im Bochumer Kreis noch drei weitere Male geleuchtet, wobei zwei Oktober-Termine aber lediglich drei neue Falterarten ergaben.
Darüber hinaus begann ich mit 24/7-Unterstützung von Jonas Mittemeyer Anfang September mit der Köderung, indem ich regelmäßig 15 Bäume mit Köder bestrich und zusätzlich halbierte, mit Köder versehende Äpfel im Gelände installierte. Zwischen dem 15.09. und dem 24.10.2020 fanden die Kontrollen (mit einer Ausnahme) täglich statt.
Die Ergebnisse dieser knapp sechswöchigen Untersuchung ergaben 42 Nachtfalter-Arten (in Klammern, die Anzahl der Nachweistage): Abrostola triplasia (1), Agrochola circellaris (28), A. lota (15), A. lunosa (15), A. macilenta (9), Agrotis puta (1), Allophyes oxyacanthae (5), Amphipyra pyramidea/berbera (27), Campaea margaritaria (1), Caradrina clavipalpis (1), C. kadenii (1), Catocala nupta (1), C. sponsa (1), Conistra erythrocephala (26), C. ligula (7), C. rubiginea (9), C. vaccinii (29), Dryobotodes eremita (14), Emmelina monodactyla (2), Epirrita spec. (1), Eupsilia transversa (17), Hypena proboscidalis (4), Lithophane ornitopus (1), L. semibrunnea (1), Mormo maura (3), Mythimna l-album (12), Noctua comes (6), N. fimbriata (2), N. janthe (1), N. pronuba (15), Opisthograptis luteolata (1), Peribatodes rhomboidaria (1), Phlogophora meticulosa (11), Scoliopterys libatrix (1), Tilacea aurago (8), T. citrago (4), Tinea semifulvella (1), Udea ferrugalis (1), Xanthia gilvago (2), X. icteritia (6), X. togata (5), Xestia xanthographa (15).
Als besondere Highlights können wohl die Olivgrüne Eicheneule (Dryobotodes eremita, 14 x jeweils 1 Ex., 17.09.–21.10.) und die Ulmen-Gelbeule (Xanthia gilvago, 2x jeweils ein Ex., 19.09., 22.10.) gelten. Letztere profitiert sicherlich von der großen, zweistämmigen Feld-Ulme in der Randbepflanzung, die jährlich zahlreich blüht und fruchtet.
Strukturreiche, extensive Obstwiesen gelten weithin als artenreich. Gründe für den Artenreichtum auf der Bochumer BUND-Wiese dürften zwar auch in der strukturreichen Umgebung der Wiese zu suchen sein (Friedhof, Wohnbesiedlung mit Gärten, Wald, Bachaue, Pferde- und Schafweide, Acker). Aber wahrscheinlich auch in der bereits schon jetzt guten Qualität der Wiese, die seit mehr als 100 Jahre keiner landwirtschaftlichen Nutzung unterliegt.
Die Nachtfalter-Untersuchungen auf unserer Obstwiese sollen weitergeführt werden und nach den bisherigen Ergebnissen kann man erwarten, dass noch weitere interessante Funde gelingen werden. Zu erreichen bin ich unter armin@jagel.nrw
Obwohl aufwendiger, würde es für eurer Anliegen Sinn machen, die Köderfänge durch Raupensuche zu ersetzen. Dann wisst ihr ganz genau welche Arten welche Strukturen auf eurer Wiese nutzen. Wenn euch dies zu aufwendig ist, könnte man vielleicht in einiger Entfernung zur Obstwiese eine weitere Köderstrecke anlegen um anschließend zu vergleichen, ob es wirklich die Wiese ist die den Unterschied macht. Die Vergleichsplatz sollte von der Baum- und Heckenstruktur natürlich in etwa der Umgebung eurer Wiese entsprechen. Ähnlich wie Ludger bin ich skeptisch, welchen Unterschied in eurem (sehr schönen) Artenspektrum wirklich die Wiese macht.
Frohes Schaffen noch
Frank
Das sind ja echt dolle Köderfänge da bei Euch mit vielen üblicherweise für voll selten gehaltenen Arten (semibrunnea v.a.)
Ich hab wohl zuletzt vielfach Pech mit dem Köderfang gehabt, also dass das Wetter dann gerade doch nicht so günstig dafür war (bei Nieselregen kam zwar mal viel zum Licht, aber nix an den Köder), oder es war zu windig oder zu windstill, letztens kam bei ner Exkursion mal ganz gut was, aber dann fing’s gleich nach ein paar Minuten an aus Kübeln zu schütten und wieder war Feierabend- keine Ahnung, am Köders selbst kann es nicht liegen, denn ab und an hatte ich damit ja auch mal ganz gute Fänge.
Zu der Artenliste muss man aber wirklich sagen, dass 80-90% der genannten Arte nicht auf einer Obstwiese bodenständig sein können, weil sie nicht an Obstbäumen, sondern nur an anderen Bäumen oder Büschen oder in ganz anderen Biotopen leben, die es da in der Umgebung anscheinend gibt! So ein Köder kann die Tiere durchaus auch aus weiter Entfernung anlocken – womögglich noch mehr als das Licht!
Leider kenne ich hier bei mir nur teils sogar neu angelegte, aber voll langweilige „Obstwiesen“, die dann einfach Kuhweiden sind mit ein Obstbäumen drauf – teilweise auf Flächen, die vorher schöne, artenreiche Ruderalfluren waren. Also Obstwiese ist nicht gleich Obstwiese.
viele Erfolg noch,
Ludger
Das ist genau das Problem, dass man heutzutage (besonders im behördlichen Naturschutz) oft meint, man kann einen Rasen oder einen Acker nehmen, stellt ein paar Apfelbäume drauf und hat eine Obstwiese. Wir wollen gerade zeigen, dass es so einfach nicht ist. Ganz wichtig dabei ist die Wiese unter den Bäumen (daher zweischürige Mahd mit Sense/Balkenmäher zum richtigen Zeitpunkt und Entfernung des Mahdguts). Aber außerdem waren Obstwiesen früher ja auch eingebettet in eine abwechslungsreiche Kulturlandschaft, z.B. mit Hecken, wie es sie bei uns randlich gibt (gepflanzt). Ich würde eine intakte Obstwiese auch nicht nur als Wohnort sehen, sondern als Angebot von beidem: Wohnung und Restaurant 🙂 Wir arbeiten dran, dass auch die Wiese (als artenreiche Glatthaferwiese) noch mehr bietet, haben aber schon jetzt unter den 142 Schmetterlingsarten mehr Arten, deren Raupen auf Kräuter angewiesen sind als auf Gehölze. Und diese Kräuter sind auf der Wiese alle vorhanden.
Schöne Grüße
Armin
Einen Nachtrag hab ich noch: Es war nur selten vorherzusagen, wann es gute Abende werden würden und wann nicht. Ich habe mir deswegen viel den Nachtfalterkopf zerbrochen. Aber bei Regen waren die Ergebnisse eigentlich immer am besten!
nicht den Kopf zerbrechen, einfach durchziehen! Gerade die selteneren Arten bekommt man nur mit Fleiß zu sehen. und von den häufigen Arten gibt es am Ende schöne Phänogramme.
Zu meiner Studienzeit in Tübingen sind wir da in der Umgebung viel herumgekommen, und da hatte das Wort Obstwiese eine völlig andere Bedeutung als hierzulande. Jeder rechte Schwabe hatte ein „Gütle“ hinterm Dorf, und alles zusammen ergab einen StreuobstwiesenGÜRTEL rund um die Dörfer, mit jeder Menge Obstbäumen in allen Stadien, dazwischen mal ein paar kleine Hütten, Lesesteinriegel, Hecken, alles in riesiger Ausdehnung. Daher haben die „Obstwiesen“ ihren Nimbus als Hort der Artenvielfalt. Das alles hat mit der Schattbachstraße nicht das geringste zu tun, die ist ja nur ein winziger Flecken. Und natürlich leben die meisten der Eulenfalter von Deiner Liste als Raupen an den Gehölzen der Umgebung. Das kann Euch aber erst mal völlig egal sein, die Falter nutzen die Wiese und das Obst als Teillebensraum, und zwar in ordentlicher Menge in einem Umfeld in dem man es nicht erwartet hätte. Vorsichtig entwickelte und gepflegte Wiesen bieten auch sicher Platz für eine Menge Schmetterlingspuppen, ich verweise mal nur auf die von den „Alten“ betriebene Methode des Puppenkratzens unter Bäumen, man findet dabei an den Stammfüßen erstaunlich viel. So what, macht erst mal so weiter. Ich bin gespannt auf die Frühjahrsfauna!