Schmetterling des Jahres 2025 ist die Spanische Flagge (Euplagia quadripunctaria). Die BUND NRW Naturschutzstiftung und die Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen e.V. haben den bunten Nachtfalter gemeinsam ausgewählt.
Die Spanische Flagge breitet sich seit einigen Jahren immer weiter nach Norden aus. Das haben Bürger*innen über online-Plattformen dokumentiert. Über Webseiten wie Observation.org und mobile Apps wie ObsIdentify können Naturbegeisterte ihre Beobachtungen schnell per Handyfoto festhalten, und liefern so viele Millionen wichtige wissenschaftliche Daten.
Mit Hilfe der Bevölkerung ergibt sich so eine deutlich verbesserter Kenntnisstand, und auch das Bewusstsein für die lokale Artenvielfalt wird über Citizen Science gefördert.
Die Spanische Flagge ist während seiner Hauptflugzeit im August auch tagsüber aktiv. Ihre Flügel sind schwarz-weiß gemustert, wodurch sie leicht zu bestimmen ist. Dennoch ist die Spanische Flagge zwischen Zweigen und Stängeln nur schwer zu entdecken. Sobald sie auffliegt oder ihre Vorderflügel öffnet, werden die leuchtend orangeroten Hinterflügel sichtbar. Diese Warnfärbung tragen auch etliche weitere der zu den „Bärenspinnern“ (wiss. Arctiinae) gehörenden Arten, sie schützt die Schmetterlinge vor Fressfeinden.
Mit gut fünf Zentimetern Spannweite gehört die Spanische Flagge zu den größeren Nachtfalter-Arten. Beim Betrachten des Falters fällt zuerst die schwarze Grundfarbe mit weißen Zeichnungselementen auf, vor allem die drei großen weißen Streifen, einer vorn und zwei weiter hinten, die je nach Individuum ein V bis Y bilden. Mit diesem Muster ist er im Geäst oder Gewirr von Stängeln hoher Stauden gerade bei Sonnenlicht gut getarnt. Wenn er allerdings auffliegt oder die Vorderflügel spreizt, sieht man die orange-roten, selten auch gelben Hinterflügel mit schwarzen Flecken. Auch der Leib ist rot-orange mit schwarzen Flecken. Die rote Farbe dient der Warnung, denn Fressfeinde wie Vögel schrecken einen Augenblick zurück und geben dem Falter damit genug Zeit zur Flucht. Das kann für den Vogel auch von Vorteil sein, denn wie viele Bärenspinnerarten enthält die Körperflüssigkeit des Falters Giftstoffe.
Wasserdost ist die Lieblingspflanze zum Nektarsaugen
Als Nektarpflanze bevorzugt die Spanische Flagge den Gewöhnlichen Wasserdost (Eupatorium cannabinum). Sie findet aber auch an vielen anderen Blüten Nahrung. Mit einer Flügelspannweite von etwa fünf Zentimetern gehört sie zu den größeren Nachtfaltern Europas. Die Spanische Flagge lebt vor allem in strukturreichen Landschaften mit Hecken, Waldrändern und blütenreichen Wiesen, die durch Flächenverbrauch und intensive Landwirtschaft bedroht sind. Die Schmetterlinge kommen auch in naturnahen Gärten vor.
Dieser Nachtfalter ist nicht nur nachts unterwegs, sondern auch tagaktiv! Im August, zu seiner Hauptflugzeit, kann man ihn im Sonnenschein an Rändern von Waldwegen, an Säumen von Wäldern oder Gebüschen, am Ufer von Bächen und Gräben oder in ehemaligen Steinbrüchen sehen, wenn er an seinen Lieblingspflanzen Nektar saugt. Denn dieser Bärenspinner hat, anders als etliche seiner Verwandten, einen gut entwickelten Saugrüssel. Der Gewöhnliche Wasserdost als auffällige und bis mannshoch wachsende Staude ist nicht zu übersehen. Es lohnt sich, an den Blüten nach dem Falter zu schauen – wenn man ihn nicht schon umherfliegen sieht und vielleicht zunächst an einen Tagfalter denkt. Er ist jedoch nicht auf den Wasserdost beschränkt – er nutzt auch viele andere Blütenpflanzen und kommt gerne in Gärten mit entsprechendem Angebot.
Rasante Ausbreitung nach Norden
Durch die höheren Temperaturen aufgrund der Klimakrise breiten sich viele wärmeliebende Schmetterlingsarten nach Norden und in höhere Lagen aus. Galt Euplagia quadripunctaria früher als seltener und gefährdeter Bewohner der Wärmegebiete vor allem Süddeutschlands, kommt er inzwischen auch in höheren Lagen und weiter nördlich vor. Die derzeitige nördliche Verbreitungsgrenze liegt in etwa vom Niederrhein über den Harz bis nach Berlin, und verschiebt sich ständig weiter nach Norden.
In den Nachbarländern sieht es ähnlich aus. Die Niederlande weisen Funde bis in die Höhe von Amsterdam auf. In England war der „Jersey Tiger“ bis vor wenigen Jahren auf die Kanalinseln und Teile der Südküste beschränkt. Heute ist der Süden gut besiedelt und Mittelengland erreicht. Generell reicht das Verbreitungsgebiet von Spanien über Süd- und Mitteleuropa, ostwärts bis an den Ural und im Südosten über Kleinasien bis in den Iran.
Die Verbreitung konnte durch das Engagement zahlreicher Bürgerwissenschaftler*innen quasi in Echtzeit dokumentiert werden. Digitale Werkzeuge wie die Plattform Observation.org und die App ObsIdentify ermöglichen es Naturbegeisterten, Funde schnell per Handyfoto zu bestimmen und so wichtige wissenschaftliche Daten bereitzustellen.
Der Klimawandel begünstigt die Ausbreitung
Warum expandiert Euplagia quadripunctaria in Mitteleuropa so stark? Haupttreiber ist sicherlich die globale Erwärmung. Die steigenden Temperaturen befähigen etliche wärmeliebende Falterarten dazu, ihr Areal nach Norden und in die Höhe zu erweitern. Euplagia quadripunctaria ist dabei ein besonders eindrucksvolles Beispiel – das Auftauchen des großen Falters wird bemerkt, er ist leicht zu bestimmen, die Ausbreitung geschieht schnell. Das ist „Klimawandel zum Anfassen“. Dass zugleich viele weitere einheimische Arten abnehmen oder gar verschwinden, geschieht schleichend und im Verborgenen.
Die Ausbreitung von Euplagia quadripunctaria wird zudem dadurch erleichtert, dass der Wasserdost, seine Haupt-Nektarpflanze, in Deutschland weit verbreitet ist. Der Wasserdost ist zwar eine feuchtigkeitsliebende Pflanze, doch an seinen Standorten im Halbschatten etwa an Bachufern oder Waldwegen hat er auch in trockenen Jahren gute Chancen. Er mag auch eine gewisse Wärme. Als ausgesprochener Stickstoffzeiger profitiert er von der zunehmenden Überdüngung der Landschaft, die sich sonst zumeist schädlich auswirkt.
An Waldwegen, Bachufern usw. sind Falter und Raupen außerdem Insektiziden, Fungiziden und Herbiziden aller Art weit weniger ausgesetzt als Arten, die im Offenland gleich neben stark gespritzten landwirtschaftlichen Flächen unterwegs sind.
Negative Einflüsse durch nächtliche Dauerbeleuchtung
Diese positiven Faktoren überwiegen noch und ermöglichen Euplagia quadripunctaria diese rasante Arealerweiterung. Dabei setzen jedoch andere Faktoren der Art zu. Stichworte sind die zunehmend monotone Agrarlandschaft und der Wegfall von Hecken und Strukturen im Offenland.
Die Falter sind nicht nur tagaktiv, sondern fliegen in der Dämmerung und Dunkelheit und werden dabei auch von Licht angezogen. Mit all den bekannten negativen Auswirkungen: sie kreisen um die Lichtquelle, bis sie so ermüdet sind, dass sie keinen sicheren Platz für eine Tagesruhe mehr aufsuchen können. Am Licht bauen Spinnen gern ihre Netze. Für Fledermäuse ist eine Straßenlaterne quasi ein Buffet, das sie gern fangend und fressend umkreisen. Vögel suchen bei Tagesanbruch nach leichter Beute, die unter Lampen sitzen geblieben ist. Und nicht nur die Falter kommen zum Licht – auch die Raupen werden davon angezogen und krabbeln darauf zu.
Die Gefahr, weggemäht zu werden
Die jungen Räupchen der Spanischen Flagge überwintern, im Frühsommer findet man dann die erwachsenen, bunten Raupen: Die Grundfarbe ist schwarz mit Seitenlinien aus weißen Punkten, einer Rückenlinie aus gelben Punkten und vielen orangebraunen Warzen mit den Büscheln heller Haare. Alle Bärenspinnerraupen haben solche typische Behaarung, weshalb sie „Bären“ heißen.
Die Falterweibchen legen die runden, perlweißen Eier in lockeren Grüppchen an den Futterpflanzen der Raupen ab. Da kommt eine lange Liste von Kräutern in Frage, zum Beispiel Taubnesseln, Fuchssches Greiskraut oder Wasserdost, doch auch niedrige Büsche wie Himbeeren oder Hasel. Die Räupchen schlüpfen noch im Herbst, werden jedoch nur selten beobachtet, weil sie so klein und im dichten Bewuchs nur schwer zu entdecken sind. Die kleinen Räupchen müssen den Winter überstehen und sich dann im Frühjahr rund und satt fressen, bis sie sich nach mehreren Häutungen in einem Gespinst am Boden verpuppen, um dann nach einer Puppenruhe von rund einem Monat ab Juli zu schlüpfen. Im September geht die Flugzeit zu Ende. Es gibt pro Jahr eine Falter-Generation.
Die Raupen sind vielen Gefahren ausgesetzt – eine Mahd mit dem Aufsitzmäher, und die Raupen sind zerkleinert. Natürlich müssen Weg- und Straßenränder gemäht werden, auch Hochstaudenfluren, damit sie nicht verbuschen und zu Wald werden. Jedoch ist es sinnvoll, nie alle Abschnitte eines Weges zugleich und vor allem nicht zu tief zu mähen. Wenn unten ein paar Zentimeter stehen bleiben, wären viele Tiere gerettet. Balkenmäher schonen die Vegetation und die Tiere darin, während die heute üblichen Schlegelmulcher alles zerhäckseln, was ihnen in den Weg kommt.
Als FFH-Art besonders geschützt
Ein Falter in Ausbreitung hat aktuell natürlich keine Gefährdungskategorie auf der Roten Liste von Deutschland (Stand 2011), auch wenn als langfristiger Bestandstrend ein mäßiger Rückgang ausgewiesen wird. In Deutschland ist der Falter gesetzlich wie alle Bärenspinner besonders geschützt, und Deutschland hat eine allgemeine Verantwortung für die Erhaltung der Art. Denn Euplagia quadripunctaria ist eine FFH-Art, also eine nach Anhang II der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie der EU eine besonders geschützte prioritäre Art, für die Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen und für deren Erhalt die EU eine besondere Verantwortung hat. Der Status als FFH-Art ist zwar umstritten, da wohl ursprünglich nur eine griechische Unterart auf diese FFH-Liste sollte, doch sind die Schmetterlingskundler nicht traurig darüber, diese Art beobachten und schützen zu müssen.
In Griechenland auf der Insel Rhodos gilt die Art übrigens als Touristenattraktion. Dort im „Schmetterlingstal“ sind die Falter in sehr großer Zahl bei der Übersommerung anzutreffen. Sie sollen in dem kühl-feuchten Bachtal durch den Duft der dort wachsenden Amberbäume (Liquidambar styraciflua) angelockt werden. Doch bis nach Griechenland braucht heute niemand mehr zu fahren, um diese schönen Falter zu sehen. Für die meisten hierzulande reicht dazu eine Wochenendwanderung im August (nun ja, zumindest für die, die in der Südhälfte des Landes wohnen). Viel Vergnügen dabei! Wenn Sie sich selbst als Citizen Scientist betätigen und eigene Beobachtungen melden wollen, stehen Ihnen die einschlägigen Meldeportale zur Verfügung!
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Druckfähige Fotos der Spanischen Flagge finden Sie in der Pressemitteilung der BUND NRW Naturschutzstiftung. Diese Fotos dürfen bei Nennung der jeweiligebn Bildautors für Pressezwecke kostenlos verwendet werden.
Seit 2003 machen die BUND NRW Naturschutzstiftung und die Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen e.V. mit der Kür des Schmetterlings des Jahres auf die Bedeutung und Bedrohung der Arten aufmerksam.
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Links
- Verbreitungskarte der Spanischen Flagge auf Observation.org
- Spanische Flagge, Verbreitungskarte im Melanargia-Portal
- Spanische Flagge im Lepiforum
Literaturquellen:
Bellmann, H. (2003): Der neue Kosmos-Schmetterlingsführer. Schmetterlinge, Raupen und Futterpflanzen. Franckh-Kosmos-Verlag, Stuttgart
Ebert, G. (Hrsg.) (1997): Die Schmetterlinge Baden-Württembergs, Band 5: Nachtfalter III – Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart
Steiner, A., Ratzel, U., Top-Jensen, M. & Fibiger, M. (2014): Die Nachtfalter Deutschlands. Ein Feldführer. – Østermarie (Bugbook Publishing)
Porthuis, L., Beckerbauer, S., Dahl, A. & J. O. Kriegs (2024): Die Spanische Flagge Euplagia quadripunctaria (PODA, 1761): Verlauf der Ausbreitung einer wärmeliebenden Art in Deutschland mit besonderem Fokus auf Nordrhein-Westfalen. – Abhandlungen aus dem Westfälischen Museum für Naturkunde, Band 106, 197-205
Elger, R. (1969): Freilandstudien zur Biologie und Ökologie von Panaxia quadripunctaria (Lepidoptera, Arctiidae) auf der Insel Rhodos. Oecologia 2, 162–197. doi.org/10.1007/BF00379158
Zur Namensverwirrung von Euplagia quadripunctaria hat Axel Steiner einen netten Beitrag geliefert:
„Endlich aufgeklärt: : Die „Spanische-Fahne“-Namensverwirrung“
-zu finden unter: https://forum.lepiforum.org/post/654333
Und dazu ist insbesondere die schon geniale köstliche Geschichte von Axel Steiner zu den deutschen Artnamen, insbesondere Euplagia quadripunctaria und Callimorpha dominula zu empfehlen:
„Umnebelnd Himmelsglut -Russische Bären, Spanische Fahnen, weißgefleckte
Afterbärenphalänen und andere Sternstunden deutscher Namenserfindungswut“
-zu finden unter:
https://lepiblog.wordpress.com/2018/08/24/umnebelnd-himmelsglut/#more-957
Dort wird die Namensgebung der Arten E. quadripunctaria und C. dominula von diversen Autoren ab dem Jahre 1766 aufgezeigt, wobei die Phantasie dieser anmutet und schon grenzenlos erscheint.
Den Russischer Bär, die Spanische Fahne, die Spanische Flagge oder wie auch immer man den Falter bezeichnen mag, habe ich schon immer bewundert und fand das Tier dann endlich 1984 und 1985 an einem Baggersee in Köln-Ost. Zunächst waren es nur wenige Exemplare. Ein Jahr später, 1986, zählte ich an dem selben Fundort bereits zwischen 20 und 25 Falter. Mit zunehmender Verbuschung nahmen die Bestände in den nächsten Jahren ab und leider verschwand der Falter dort allmählich. In der nahe gelegenen Wahner Heide konnte ich die Art in den darauffolgenden Jahren bis heute immer wieder beobachten, aber meistens nur einzeln, manchmal 2-3 Tiere.
An der Untermosel ist der Falter hingegen in manchen Jahren ein Massentier, bis etwa 200 Exemplare konnte ich dort schon einmal in einem recht überschaubaren Bereich vorfinden.
Ich bleibe dabei, dass der deutsche Name „Russischer Bär“ der besser geeignete ist!
Er wird in der aktuellen Literatur auch überwiegend für Euplagia quadripunctaria verwendet. Früher war das anders. Da ging es mit den Namen „Spanische Fahne“ und „Russischer Bär“ ziemlich durcheinander. So wurde in der Ausgabe des Kosmos-Schmetterlingsführers von 1980 der Schönbär als „Spanische Fahne“ bezeichnet. Darüber sollte man sich bei der Verwendung des deutschen Namens „Spanische Flagge“ im klaren sein.
wir haben uns ausnahmsweise mal für die Vorgabe von NRW entschieden
https://artenschutz.naturschutzinformationen.nrw.de/artenschutz/de/arten/gruppe/schmetterlinge/kurzbeschreibung/152059
Abgesehen davon finde ich dass EIN Deutscher Name für eine Art ausreicht. Und da war Russland für die am Text Beteiligten erst mal raus. 45 Jahre alte Kosmos-Bücher führen einen da auch nicht weiter.
Ich finde einen deutschen Namen auch mehr als genug, aber die Leute mögen deutsche Namen. Deswegen stehen in unserem Portal gleich 3 zur Auswahl!