Neue Erkenntnisse zu Auswirkungen des Klimawandels auf die Schmetterlinge

Um die Auswirkungen des Klimawandels auf die Schmetterlinge zu untersuchen wurde im Rahmen des Klimafolgenmonitorings der Stadt Düsseldorf auch 2022 wieder die Tag- und Nachtfalterfauna im Eller Forst (Naturraum Niederrheinische Bucht) sowie auf dem Golfplatz Hubbelrath (Bergisches Land) untersucht. Dabei gab es in beiden Gebieten noch zwei Erstnachweise, so dass damit insgesamt seit Beginn der Untersuchungen 359 bzw. 348 Schmetterlingsarten registriert wurden.

Die Erfassungsmethodik erlaubt zwar keine unmittelbaren Jahr-zu-Jahr-Vergleiche, doch lässt sich aus den vorhandenen Daten dennoch schließen, dass die Schmetterlingsfaunen beider Gebiete im Lauf der seit 2009 laufenden Erfassungen weitgehend konstant geblieben sind. Immerhin gab es aber auch einzelne Neubesiedlungen durch Arten, die aktuell ihr Areal erweitern und deren Arealerweiterung sich mit großer Wahrscheinlichkeit auf den Klimawandel zurückführen lässt. Dazu zählen unter anderem der Flussauen-Waldrebenspanner Horisme radicaria und der Silgen-Blütenspanner Eupithecia selinata in Hubbelrath, Dreifleck-Pappelspanner Stegania trimaculata und Großer Eichenkarmin Catocala sponsa in beiden Untersuchungsgebieten sowie der Große Fuchs Nymphalis polychloros im Eller Forst.

Dieses am 26.07.2017 in Düsseldorf-Hubbelrath gefangene Männchen des Dreifleck-Pappelspanners Stegania trimaculata belegt die Ausbreitungstendenz ehemaliger Flachlandarten  in montanere Regionen hinein im Zuge des Klimawandels

Weitere Wärme liebende Arealerweiterer wie der Südliche Zwergspanner Idaea rusticata und das Weißgraue Flechtenbärchen Eilema caniola sind an ihrem Fundort im Untersuchungsgebiet Eller Forst vermutlich gar nicht bodenständig, sondern entstammen eher dem nahe liegenden Siedlungsgebiet, wo sie sich an oder in Häusern entwickeln dürften. Es ist überhaupt auffällig, dass es unter den Wärme liebenden Arealerweiterern relativ viele Arten gibt, die als Kulturfolger im Bereich menschlicher Siedlungen leben. Neben den zwei oben genannten Arten zählen speziell noch die Reingraue Staubeule Caradrina gilva und Kadens Staubeule Caradrina kadenii dazu, bei denen die in Großstädten gegenüber der Umgebung bis 5 Grad höhere Durchschnittstemperatur eine wichtige Rolle bei der Habitatwahl gespielt haben dürfte. Aber auch die auf warmen Ruderalfluren lebenden Eulenarten Ruderalflur-Johanniskrauteule Chloantha hyperici und Kompasslatticheule Hecatera dysodea profitieren von der Urbanisierung. Unter den Tagfaltern sei an dieser Stelle auf den Kleinen Sonnenröschen-Bläuling Aricia agestis und den Karstweißling Pieris mannii hingewiesen, die sich häufig in Gärten entwickeln.

Raupe der Reingrauen Staubeule Caradrina gilva (ex o., Falterfang Aachen 13.6.2020).  Der Falter wurde zwischen 2006 und 2009 alleine 4 mal am leider heute nicht mehr existierenden Uni-Gebäude Kopernikusstraße 16 in Aachen gefunden.

Diese Raupen der Kompasslatticheule Hecatera dysodea fand ich am 6.7.2022 im Hinterhof meines Wohnhauses in der Aachener Innenstadt an Mauerlattich.

Bei der Analyse von Arealverschiebungen ist es wichtig zu berücksichtigen, dass sich die aktuellen Arealerweiterungen ebenso wie die von KARBIENER & TRUSCH (2022) in Baden-Württemberg für 25 TK25-Quadranten belegten Artenverluste selten monofaktoriell erklären lassen. Der Klimawandel ist sicherlich bei vielen Arealverschiebungen ein wichtiger Faktor, doch wirkt er nicht nach einem immer gleichen einfachen Schema. Manchmal spielen dabei z. B. auch Änderungen der Futterpflanzenbindung eine Rolle. Hier seien der C-Falter Polygonia c-album und der Kleine Sonnenröschen-Bläuling Aricia agestis genannt, deren deutliche Arealerweiterung in Großbritannien auch auf eine Erweiterung ihres Futterpflanzenspektrums zurückgeführt wird (BEEBEE 2018).

Des Weiteren kann sich durch das veränderte Klima auch die Habitatbindung einer Art verändern. So waren die eben genannten H. radicaria und S. trimaculata in NRW ursprünglich auf Flußauen beschränkt, also wintermilde Biotope. Inzwischen besiedeln sie aber unterschiedlichste und teils sehr naturferne Standorte ihrer Futterpflanzen, wie z. B. die mit Waldreben bewachsene Schallschutzmauer auf dem Golfplatz bzw. die dortigen Pappelanpflanzungen. Dabei liegt die Vermutung nahe, dass womöglich die milderen Winter den beiden Arten diese Erweiterung ihres Habitatspektrums erst ermöglicht haben.

Der am 3.5.2018 im Hausflur meines Wohnhauses in der Aachener Innenstadt gefundene Falter des Flussauen-Waldrebenspanners Horisme radicaria ist ein Indiz für die im Zuge des Klimawandels erfolgte Besiedlung urbaner Lebensräume durch gewisse Wärme liebende Arten

Auch die Geschwindigkeit der Auswirkungen des Klimawandels auf einzelne Arten ist nicht immer gleich, da seine Wirkung, besonders bei den „Klimaverlierern“, zeitlich verzögert auftreten kann (BEEBEE 2018). Momentan kann man bei Auswertung der Roten Listen der Makrolepidopteren (incl. Hepialidae, Cossidae, Limacodidae und Zygaenidae) in NRW einen Artenanstieg beobachten: gab es nach der Roten Liste 2010 (SCHUMACHER et al. 2011) nur 909 aktuell in NRW vorkommende Makrolepidopterenarten, so waren es nach der Roten Liste 2020 (SCHUMACHER & VORBRÜGGEN 2021) 933 – also genauso viele wie nach der Roten Liste 1999 (DUDLER et al. 1999). Dieser Anstieg ist primär die Folge davon, dass es vor allem im letzten Jahrzehnt – also seit 2010 – vermehrt zu Einwanderungen neuer Arten gekommen ist sowie zum Wiederauftauchen ausgestorbener Arten.

Aktuell gibt es im Vergleich zu den „Klimagewinnern“ nur wenige Arten, die weniger gut an die neuen Klimabedingungen angepasst sind und entsprechend Arealverluste hinnehmen mussten. Hier sei insbesondere die Augur-Bodeneule Graphiphora augur erwähnt, die nicht nur in NRW, sondern nach KARBIENER & TRUSCH (2022) auch in Baden-Württemberg stark rückläufig ist. Die Zahl solcher „Klimaverlierer“ könnte sich aber infolge der oben erwähnten möglichen zeitlichen Verzögerung noch deutlich erhöhen.

Raupe der Augur-Bodeneule Graphiphora augur (Raupenfund Monschau, 10.5.1998). In der nasskalten Rureifel wird die Art nach wie vor gefunden, in Aachen wurde der letzte Falter 1995 und die letzte Raupe 1996 gefunden.

Der neue Gesamtbericht zum Klimafolgenmonitoring der Stadt Düsseldorf, der neben den Schmetterlingen ja auch noch weitere Tiergruppen, Pflanzen und Flechten beinhaltet, kann hier eingesehen und als pdf heruntergeladen werden: http://www.ulfschmitz.de/Projekte.htm

Literatur

BEEBEE, T. (2018): Climate Change and British Wildlife. Bloomsbury Wildlife, London: 368 S.

DUDLER, H., KINKLER, H., LECHNER, R., RETZLAFF, H., SCHMITZ, W. & SCHUMACHER, H. (1999): Rote Liste der gefährdeten Schmetterlinge (Lepidoptera) in Nordrhein-Westfalen. 3. Fassung mit Artenverzeichnis. In LÖBF (Hrsg.): Rote Liste der gefährdeten Pflanzen und Tiere in Nordrhein-Westfalen. 3. Fassung. LÖBF-Schriftenreihe 17: 575-626, Recklinghausen.

KARBIENER, O. & TRUSCH, R. (2022): Wandel der Nachtfalterfauna Baden-Württembergs seit 1970. Andrias 22, Band I und II.

SCHUMACHER, H., VORBRÜGGEN, W., RETZLAFF, H & SELIGER, R. (2011): Rote Liste und Artenverzeichnis der Schmetterlinge (Lepidoptera) in Nordrhein-Westfalen. 4. Fassung, Stand Juli 2010. In: Rote Liste der gefährdeten Pflanzen, Pilze und Tiere in Nordrhein-Westfalen, 4. Fassung, 2011 – LANUV-Fach-bericht 36, Band 2, 239-332.

SCHUMACHER, H. & VORBRÜGGEN, W. (2021): Rote Liste und Artenverzeichnis der Schmetterlinge – Lepidoptera – in Nordrhein-Westfalen. 5. Fassung, Stand Makrolepidoptera Dezember 2020. Melanargia 33 (Beiheft 1) 3-174.

 

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