Weitere Funde des Eichenzweig-Glasflüglers in der Niederrheinischen Bucht werfen einige Fragen auf. Ist die Art wirklich so selten, oder wurde nicht ausreichend danach gesucht? Wo ist der Lebensraum dieser Art?
Mit dem Einsatz künstlicher Pheromone hat die Erforschung der Glasflügler in den letzten Jahrzehnten einen enormen Aufschwung erlebt. Die Kenntnis über die Verbreitung vieler Arten ist gewachsen. Aber dennoch gilt, dass das Pheromon zur richtigen Zeit am richtigen Ort wirken muss.
Erst im Jahr 1991 wurde Paranthrene insolitus Le Cerf, 1914 für das Arbeitsgebiet der Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen nachgewiesen (Schumacher 1991), kurz nachdem der Erstnachweis für Deutschland erbracht wurde (Köhler 1991). Damals wurde noch das Synonym Paranthrene novaki Toševski, 1987 als Name für die Art verwendet. Der Fundort lag in Ruppichteroth im Kartenblatt TK 25/MTB 5110, einer Gemeinde im Rhein-Sieg-Kreis rund 30 Kilometer östlich von Bonn, wo auch Heinz Schumacher seinen Wohnsitz hat.
In den Folgejahren wurden weitere Nachweise in den angrenzenden MTB 5111 und 5210 gemacht, der letzte im Jahr 1995 (vgl. Datenbank Schmetterlinge AG Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen). Weitere Beobachtungen kamen nicht hinzu, und in den Roten Listen von NRW wurde Art nur als im Bergischen Land vorkommend geführt (Dudler et al. 1999; Schumacher et al. 2011). Laut Roter Liste Deutschlands gilt die Art als selten und nicht gefährdet (Rennwald et al. 2011).
Am 28.05.2020 konnte ich dann mit Hilfe des Wageningen Pheromons „insolita“ drei Falter im Waldgebiet bei Erftstadt nachweisen (Schumacher, 2021). Das war der Erstfund für die Niederrheinische Bucht. Der Fundort war auf einer als Mittelwald im Rahmen eines LIFE-Projektes gepflegten Fläche, auf der einzelne Eichen stehen geblieben sind. In der aktuellen Roten Liste gilt die Art nun für das Bergische Land als verschollen und für die Niederrheinische Bucht durch extreme Seltenheit (potenziell) als gefährdet (Schumacher & Vorbrüggen, 2021).
In den Jahren 2022 und 2023 habe ich das Pheromon im ehemaligen Munitionsdepot am Friesheimer Busch in Erftstadt ausgebracht, einem mit einzelnen Eichen bestandenen, als Wiesenkomplex vom NABU Rhein-Erft gepflegten Gelände. Dort konnte ich in den Zeiträumen 3.-10.06.2022 und 5.-9.06.2023 jeweils einen Falter in Unitrap-Fallen nachweisen.
Meine eigenen Beobachtungen zeigen, dass sich die Falter im Umfeld einzelnstehender Eichen aufhalten, worauf auch Schumacher 1991 hinweist. Auch für Baden-Württemberg wird der Hinweis auf lichte, warme Eichenwälder gegeben (Blum, 1997). Vor dem Hintergrund einer Landschaft mit dichten, dunklen Wäldern ergibt sich auf die eingangs gestellte Frage vielleicht doch die Antwort, dass es sich um eine heutzutage eher seltene Art handeln könnte.
Literatur:
Blum, E. (1997): Paranthrene insolita Le Cerf, 1914. In: Die Schmetterlinge Baden-Württembergs, Band 5: Nachtfalter III, S. 90-93. Verlag Eugen Ulmer
Dudler, H., Kinkler, H., Lechner, R., Retzlaff, H., Schmitz, W. & Schumacher, H. (1999): Rote Liste der gefährdeten Schmetterlinge (Lepidoptera) in Nordrhein-Westfalen, 3. Fassung mit Artenverzeichnis. In LÖBF/LAfAO NRW (Hrsg.): Rote Liste der gefährdeten Pflanzen und Tiere in Nordrhein-Westfalen, 3. Fassg. – LÖBF-Schr.R. 17: 575-626
Köhler, J. (1991): Paranthrene novaki Toševski, 1987 auch in Deutschland (Lepidoptera: Sesiidae). Ent.Zschr., 101 (15): 273-278
Rennwald, E., Sobczyk, T. & Hofmann, A. (2011): Rote Liste und Gesamtartenliste der Spinnerartigen Falter (Lepidoptera: Bombyces, Sphinges s.l.) Deutschlands, Stand Dezember 2007, geringfügig ergänzt Dezember 2010. In Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands, Band 3: Wirbellose Tiere (Teil 1), Naturschutz und Biologische Vielfalt, Heft 70 (3), Bundesamt für Naturschutz, Bonn-Bad Godesberg
Schumacher, H. (1991): Paranthrene novaki Toševski, 1987 auch im Arbeitsgebiet der Arbeitsgemeinschaft rheinisch-westfälischer Lepidopterologen (Lep., Sesiidae). Melanargia, 3: 91-94, Leverkusen
Schumacher, H., Vorbrüggen, W., Retzlaff, H. & Seliger, R. (2011): Rote Liste und Artenverzeichnis der Schmetterlinge – Lepidoptera – in Nordrhein-Westfalen, 4. Fassung, Stand Juli 2010, in LANUV (Hrsg.): Rote Liste der gefährdeten Pflanzen, Pilze und Tiere in Nordrhein-Westfalen, 4. Fassung,2011 – LANUV-Fachbericht 36, Band 2, S. 239-332
Schumacher, H. (2021): Bemerkenswerte Falterfunde und Beobachtungen aus dem Arbeitsgebiet der Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen e.V., 33. Zusammenstellung, Melanargia, 33(1): 34-59, Leverkusen
Schumacher, H. & Vorbrüggen, W. (2021): Rote Liste und Artenverzeichnis der Schmetterlinge – Lepidoptera – in Nordrhein-Westfalen, 5. Fassung, Stand: Makroplepidoptera Dezember 2020, Stand Mikrolepidoptera März 2021. Melanargia 33 (Beiheft 1)
Internet:
http://nrw.schmetterlinge-bw.de/MapServerClient/Map.aspx