Wiederfund in Hessen nach mehr als 70 Jahren- Eupithecia irriguata

Eupithecia irriguata, FFH Mönchbruch, 10. April 2023 (Foto: Erik Opper)

Am 13. April 2022 konnte der Verfasser drei Exemplare (2x Männchen, 1x Weibchen) von Eupithecia irriguata (HÜBNER, [1813]) in der FFH-Heidelandschaft bei Mörfelden-Walldorf, südwestlich des Frankfurter Flughafens, bei einem Lichtfang nachweisen. Der Helle Eichenhain-Blütenspanner wurde in Hessen zuvor letztmals 1951 unweit von Kassel gesichtet.

Bereits am Folgetag konnte Hermann Falkenhahn ein weiteres Weibchen am Licht an gleicher Stelle beobachten. Auch 2023 gelang in der näheren Umgebung wieder ein Nachweis. Um die Stabilität der Population und das Verbreitungsgebiet der seltenen Art zu untersuchen, hat der Verfasser am  10. April 2023 etwa 800m entfernt von der Fundstelle aus 2022 einen erneuten Lichtfang unternommen. Dabei wurde der Fund von 2022 bestätigt – ein Exemplar von Eupithecia irriguata fand sich gegen 21:15 Uhr am Licht ein. Das Belegfoto wurde am Folgetag von Daniel Bartsch im Lepiforum bestätigt.

Eupithecia irriguata gilt bundesweit als vom Aussterben bedroht (RL1), aktuelle Nachweise liegen nur noch aus Bayern (RL 3) und Baden-Württemberg (RL1) vor. Bemerkenswert ist, dass selbst der in Südhessen lebende „EupitheciaPapst“ Karl Dietze (1851-1935) diese Art nur von Frankfurt kannte. Der letzte mir bekannte Nachweis von E. irriguata in Hessen stammt aus einem Eichenwald bei Heiligenrode im Osten von Kassel, wo Heinrich Reuhl die Art am 1. Mai 1951 beobachtete (REUHL, 1976)

Die engere E. irriguata-Fundstelle ist der ostexponierte Waldrand einer breiten Stromleitungstrasse auf Flugsanddecken. Der Baumbestand besteht aus Kiefern/Buchen-Forsten mit nur einzelnen randständigen älteren Stieleichen-Individuen (30-50 Stammdurchmesser), jedoch dem Dreifachen an nordamerikanischen Eichen (Quercus rubra/palustris).

Fundort von E. irriguata bei Mörfelden (Foto: Erik Opper)

Herauszuheben ist die Wärmegunst der sandigen Energietrasse, die windgeschützt inmitten von Forsten und Wäldern im Oberrheingraben liegt. Dank der regelmäßigen Mahd durch Hessen Forst unter der Anleitung von NSG-Schutzgebietsbetreuern konnte der gesamte Lebensraum für diese sehr seltene Art und eine Vielzahl weiterer Tag- und Nachtfalterarten optimal erhalten bleiben. Diese Art der Pflege gilt es auch zukünftig fortzusetzen.

Ich danke insbesondere meinem geschätzten Kollegen Hermann Falkenhahn für Bestimmung 2022 und die Lebensraumbeschreibung.

Literatur

REUHL, H. (1976): Die Großschmetterlinge („Macrolepidoptera“) Nordhessens VIII. „Heterocera“ (Nachtfalter). 3. Geometridae (Spanner). – PHILIPPIA 111/1: 45-62

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Frühlingsbote im Eichenwald – der Wickler Pammene giganteana

Pammene giganteana, Deutschland, Nordrhein-Westfalen, Hövelhof, NSG Moosheide, 4. April 2016 (Foto: Dieter Robrecht)

Mittlerweile gibt es eine Vielzahl speziell hergestellter Pheromone für das Monitoring von Kleinschmetterlingen. Eines davon ist das Präparat für Pammene argyrana. Mit diesem sind im zeitigen Frühjahr die Falter von Pammene giganteana in der Nähe von Eichenstandorten nachzuweisen – teils in hohen Anzahlen.

Pammene giganteana, Deutschland, Nordrhein-Westfalen, Ennepetal-Büttenberg, am Pheromon für P. argyrana, 7. März 2022 (Foto: Jonas Mittemeyer)

Die Tiere treten hierbei meist in der bunten Form auf. Hin und wieder sind aber auch dunkle Formen zu finden.

Pammene giganteana, Deutschland, Nordrhein-Westfalen, Ennepetal-Büttenberg, am Pheromon für P. argyrana, 7. März 2022 (Foto: Jonas Mittemeyer)

Mit der Möglichkeit des Anlockens durch Pheromone hat sich in der Vergangenheit vor allem im Bereich der Glasflügler (Sesiidae) einiges getan. So gelang z.B. an vielen Stellen des Arbeitsgebietes der Nachweis des Großen Weidenglasflüglers (Sesia bembeciformis), mit einem Präparat, das eigentlich für die  Bananentriebmotte (Opogona sacchari), entwickelt wurde. Änliches gilt für die zu den Echten Motten (Tineidae) zählende Triaxomasia caprimulgella, die  ebenfalls das Bananenbohrer-Präparat anfliegt (MORAWIETZ & HASLBERGER 2022)

Das spannende am Pheromonpräparat für Pammene argyrana ist nun, dass man daran im Laufe des Jahres fast alle Pammene-Arten erwarten und nachweisen kann. Die Zielart argyrana fliegt einige Wochen nach giganteana, ungefähr ab Mai. Noch einige Wochen später folgt Pammene albuginana, welche im Arbeitsgebiet bislang erst wenige Male beobachtet wurde. Die Raupe von P. albuginana lebt in Eichengallen, die von Gallwespen erzeugt werden.

Eichen-Zwergblattroller – Pammene albuginana D-NRW Ennepetal-Büttenberg, am Pheromon für P. argyrana, 7. Mai 2022 (Foto: Jonas Mittemeyer)

Weiterhin sei auf die beiden Arten Pammene aurana und Pammene aurita im Sommer hingewiesen. Letztere fliegt häufig in die Unitrap-Pheromonfallen ein, die mit verschiedenen Sesiidae-Pheromonen bestückt sind. Mit dem gezielten Einsatz des argyrana-Pheromons sind in der Nähe der jeweiligen Raupenfutterpflanzen auch die Imagines etlicher weiterer Pammene-Arten zu erwarten. Viel Erfolg bei der Suche!

Links und Literatur

Pherobank – Katalog der Präparate und Fallen

MORAWIETZ, B. & A. HASLBERGER (2022): Pheromon-Nachweise von Triaxomasia caprimulgella (STAINTON, 1851) in Bayern (Lepidoptera, Tineidae)
NachrBl. bayer. Ent. 71 (1/2): 14-19

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Neue Glasflügler, Neuer Faunenband, Neue Termine

Felskuppen, Trockenrasen, Weinberge, Fluss. Der Felsenberg bietet tolle Lebensräume und Landschaftsbilder.

Das Nahebergland oberhalb von Bad Kreuznach ist mit seinen Felsbiotopen und Trockenrasen eine der artenreichsten Regionen in Deutschland. Das Gebiet ist eine Modellregion für Biodiversität, am Fluß leben hochseltene Reptilien wie die Würfelnatter, nur wenige Meter weiter fliegen die Segelfalter und zahlreiche entomologische Raritäten.

Wer das Gebiet noch nicht kennt: Der Termin für den nächsten Pflegeeinsatz am Felsenberg bei Schloßböckelheim steht jetzt fest. Am letzten Aprilwochenende (Samstag 29.4. 2023 ab 14:00 Uhr) werden wir dort wie in den vergangenen Jahren versuchen, die Verbuschung der wichtigsten Flächen ein klein wenig zurückzudrängen. Helfer sind immer willkommen, auch wenn sie nur die Pflegetruppe mit Kaffee und Kuchen für die Pause versorgen. Schlehenbüsche haben Dornen, der Felsenberg ist supersteil, deshalb bitte Handschuhe und festes Schuhwerk mitbringen.
Parallel dazu gibt es wieder die Möglichkeit, Lichtfang im TOP-Gebiet der Arbeitsgemeinschaft zu machen, aktuell belegt das Messtischblatt 6112 Waldböckelheim mit 1370 nachgewiesenen Lepidopterenarten Platz 1 in unserer Datenbank (Stand 27.3.2023).
Damit wir den Pflegeeinsatz besser planen können, bitte Anmeldung bei Heinz Schumacher

Stichwort Raritäten: Eine neue Falterart in einem Bundesland nachzuweisen, noch dazu mit einer eleganten Methode, das ist schon nicht schlecht! Glückwunsch an Toni Kasiske, dem das Kunststück im gut untersuchten Niedersachsen gelang. Der Nachwuchsforscher hat im Stadtgebiet von Braunschweig ein offenbar ausgedehntes Vorkommen des Gelblichen Ampfer-Glasflüglers – Pyropteron triannuliformis entdeckt. Der Nachweis gelang mit handelsüblichen Pheromonen. Und wenn es so geht wie mit anderen Arten (z.B. Schneeball-Glasflügler, Großer Weiden-Glasflügler), dann ist das erst der Anfang, und vielleicht folgt nach Niedersachsen bald ein Fund in Westfalen. Nachzulesen ist das Ganze im gerade erschienenen Heft der Melanargia, Jahrgang XXXV, auch der 35. Jahrgang wieder souverän herausgegeben von Schriftführer Günter Swoboda.

Und dann war da noch der Faunenband 20 der Lepidopterenfauna der Rheinlande und Westfalens in der Post!

Die Autoren Rolf Mörtter, Rudi Seliger und Wolfgang Wittland wandeln in kriminalistischer Kleinarbeit auf den Pfaden von Altmeister Willy Biesenbaum ( 17. September 2022)  dem der Band post mortem gewidmet wurde. Peter Stüben steuerte professionelle Farbaufnahmen bei, und viele Mitglieder ihre Funddaten und Belege.

Verschollen und wiedergefunden: Nachweiskarte von Eudonia delunella.

Wieder einmal zeigt sich, daß wir auch in Zukunft nicht um Genitalpräparation oder das mittlerweile etablierte Barcoding herumkommen, wenn wir der Wahrheit z.B. bei den bearbeiteten Zünslerfamilien (Pyralidae und Crambidae) näher kommen wollen.
So können auch mal Arten mangels Beleg oder wegen Fehlbestimmungen wieder aus dem Arbeitsgebiet verschwinden, im vorliegenden Fall z.B. Homoeosoma nimbella, Scoparia ingratella und Eudonia laetella.
Der Faunenband mit 227 Seiten Text, Phänogrammen und Karten enthält Angaben zur Flugzeit und Bestandsentwicklung der behandelten Arten, damit sind dann die Pyraloidea in fünf Faunenbänden komplett. Zweifellos ein Meilenstein der faunistischen Forschung!

Dank gilt neben allen Autoren und Mitarbeitern auch der Nordrhein-Westfalen-Stiftung für die finanzielle Unterstützung bei den Druckkosten!

Exponentielles Wachstum der Beobachtungszahlen (blaue Balken) und Beobachter (orange Linie) bei observation.org seit 2010.

Im Jahr 2022 haben aus unserem Arbeitsgebiet mehr als 4000 (!) Menschen alleine über die Plattform observation.org Nachtfalterbeobachtungen gemeldet, insgesamt waren es mehr als 125.000 Beobachtungen. Daten sind das neue Gold, und so finden sich darunter auch viele spektakuläre Zufalls-Beobachtungen. Nebenbei kann man über diese Citizen Scientist-Projekte praktisch live erleben, wie der Klimawandel manche Arten vor sich hertreibt. Wer hätte zum Beispiel gedacht, dass die Spanische Flagge – Euplagia quadripunctaria einmal bis ins südliche Münsterland verbreitet sein wird, wie jüngst auch in der Arbeit von Karsten Hannig in den Abhandlungen aus dem Westfälischen Museum für Naturkunde nachzulesen?

Das Vereinsleben hat in Corona-Zeiten erheblich gelitten, die Naturbegeisterung, das Interesse in der Bevölkerung an Artenvielfalt, Insekten und Naturschutz hat dagegen stark zugenommen. Und die Laien von heute sind die Kenner von morgen und die Taxonomen von übermorgen. Sie müssen nur an die Hand genommen werden. Deshalb: Bitte meldet alle Termine, Vorträge und Exkursionen etc. über das Kontaktformular oder andere Kanäle! Wir tragen sie dann in den Terminkalender ein, damit Eure Veranstaltungen auch gut besucht werden. In diesem Sinnen wünsche ich Euch eine prallvolle spannende Faltersaison!


Literatur:

 

 

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Pilze sind zum fressen da

Nemapogon clematella, Nordrhein-Westfalen, Lichtenau, NSG Eselsbett, am Licht, 15. Juni 2016 (Foto: Dieter Robrecht)

Aktuell und bis in das Frühjahr hinein lohnt es, Pilze und Baumschwämme nach Kotspuren abzusuchen, denn die Raupen verschiedener Tineidae (Echte Motten) fressen darin. Etwa 20 in Deutschland vorkommende Arten können auf diese Weise mit etwas Glück gefunden werden.

In der Literatur und im Lepiforum werden Zunderschwämme, Trameten, Porlinge, Kohlenbeeren, Kohlenkrusten und Schichtpilze als Nahrung genannt, diese sollten deshalb bei der Suche im Fokus stehen.

Junge Zunderschwämme werden nach meiner Beobachtung von Raupen gemieden. Erst in fortgeschrittenem Verrottungszustand finden sich viele Kotspuren, auch von diversen Käferlarven.

Morophaga choragella, Nordrhein-Westfalen, Oerlinghausen, aus morschem Zunderschwamm an morscher Hängebirke (Betula pendula), eingetragen 15. Februar 2013, sofort ins Haus geholt, Falterschlupf 3. April 2013 (Foto: Dieter Robrecht)

 

Montescardia tessulatellus, Nordrhein-Westfalen, Oerlinghausen, aus morschem Birkenporling an morscher Hängebirke (Betula pendula), eingetragen Ende März 2018, e.p. 5. Mai 2018 (Foto: Dieter Robrecht)

Unser Vereinsmitglied Jonas Mittemeyer hatte im Februar 2023 in einer Whatsapp-Gruppe auf eine Art aufmerksam gemacht, die bislang in unserem Arbeitsgebiet wenig nachgewiesen wurde:  Nemapogon clematella (FABRICIUS, 1781) .

Nemapogon clematella, Nordrhein-Westfalen, Lichtenau, NSG Eselsbett, am Licht, 15. Juni 2016 (Foto: Dieter Robrecht)

Diese Art kann u.a. an der Rotbraunen Kohlenbeere (Hypoxylon fuscum) an Hasel (Corylus) sowie Erle (Alnus) gefunden werden, wobei die Suche nach meiner Erfahrung wesentlich mehr Zeitaufwand erfordert, als bei den vorgenannten Arten. Im toten Holz leben die Raupen des sehr schönen Falters. Die Suche nach den Raupen würde sich als sehr schwer erweisen, fräßen diese nicht an der Oberfläche der Rinde die dortigen Pilze aus. Dabei „verräth sie ihre Anwesenheit durch überwölbte, oft fleckartig erweiterte Gänge auf der Rinde“, wie bereits Schütze 1899 schreibt. Weiter führt er aus:  „Die Raupe selbst wohnt im Holze in einem feinen Gange, welcher desto länger wird, je mehr die Bewohnerin an Größe zunimmt. Von dem Holze selbst nährt sie sich jedoch nicht; Raupen, denen ich weiter nichts gab, als morsches Holz, gingen nach und nach zu Grunde.“

Zwischenzeitlich haben einige Vereinsmitglieder ebenfalls diese Röhren in ihrem Wohnumfeld gefunden, so auch ich:

Rotbraune Kohlenbeere (Hypoxylon fuscum) an Hasel (Corylus avellana): Nordrhein-Westfalen, Stukenbrock, 6. März 2023, zwei ungeöffnete Fraßgänge von Nemapogon clematella (Foto: Dieter Robrecht)

Rotbraune Kohlenbeere (Hypoxylon fuscum) an Hasel (Corylus avellana): Nordrhein-Westfalen, Stukenbrock, 6. März 2023, mit ungeöffnetem Fraßgang von Nemapogon clematella Foto: Dieter Robrecht)

Nemapogon clematella, Geöffneter Fraßgang.Links oben erkennt man den Kopf der Raupe, die den Gang sofort wieder verschließt. Der Gang zwischen den Pilzen ist nur mit Gespinstfäden ausgekleidet und mit Kot und Genagsel überwölbt. Nordrhein-Westfalen, Stukenbrock, 6. März 2023 (Foto: Dieter Robrecht)

Geöffneter Fraßgang von Nemapogon granella. Pfeil links: der Gang im Holz, Pfeil rechts: Austritt zu den Pilzen. ) Nordrhein-Westfalen, Stukenbrock, 6. März 2023 (Foto: Dieter Robrecht)

Es scheint sich vor allem zu lohnen, in feuchten Tälern oder in Gewässernähe an abgestorbenen Ästen und Zweigen von Hasel oder Erle zu suchen. In unserer Vereins-Datenbank sind aus den Jahren vor 2022 etwa genauso viele Imagines verzeichnet, wie seit dem ersten Fund von Jonas Mittemeyer schon an Minenfundorten hinzugekommen sind.

Das Eintragen der oben angeführten Pilzarten sorgt stets für Überraschungen, wie mein nachfolgender Fund belegt:

Archinemapogon yildizae, Nordrhein-Westfalen, Höxter, NSG Ziegenberg, Raupe mit Rotrandigem Baumschwamm (Fomitopsis pinicola) eingetragen am 6. April 2019, Falterschlupf 25. Mai 2019 /Foto: Dieter Robrecht)

Dieser Fund war der Erstnachweis für Nordrhein-Westfalen, im unserer Vereinsdatenbank ist er zudem der einzige Eintrag für unser Arbeitsgebiet.

Literatur:

Gaedike, R. (2015): Tineidae I (Dryadaulinae, Hapsiferinae, Euplocaminae, Scardiinae, Nemapogoninae and Meessiinae). — In: Nuss, M., Karsholt, O. & P. Huemer [edit.]: Microlepidoptera of Europe 7: 1-308; Leiden & Boston (Brill).

Gerhardt, Ewald (1997): Der große BLV-Pilzführer für unterwegs: über 1200 Arten, München

Schütze, [K. T.] (1899): Biologische Mittheilungen über einige Kleinschmetterlinge]. — Stettiner Entomologische Zeitung 60 (3): 163-179.

 

Internet:

https://lepiforum.org/wiki/page/Nemapogon_clematella [Zugriff 16.03.2023]

Aktuelle Nachweise bei observation.org

Aktuelle Nachweise bei Naturgucker.de

 

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Neue Erkenntnisse zu Auswirkungen des Klimawandels auf die Schmetterlinge

Um die Auswirkungen des Klimawandels auf die Schmetterlinge zu untersuchen wurde im Rahmen des Klimafolgenmonitorings der Stadt Düsseldorf auch 2022 wieder die Tag- und Nachtfalterfauna im Eller Forst (Naturraum Niederrheinische Bucht) sowie auf dem Golfplatz Hubbelrath (Bergisches Land) untersucht. Dabei gab es in beiden Gebieten noch zwei Erstnachweise, so dass damit insgesamt seit Beginn der Untersuchungen 359 bzw. 348 Schmetterlingsarten registriert wurden.

Die Erfassungsmethodik erlaubt zwar keine unmittelbaren Jahr-zu-Jahr-Vergleiche, doch lässt sich aus den vorhandenen Daten dennoch schließen, dass die Schmetterlingsfaunen beider Gebiete im Lauf der seit 2009 laufenden Erfassungen weitgehend konstant geblieben sind. Immerhin gab es aber auch einzelne Neubesiedlungen durch Arten, die aktuell ihr Areal erweitern und deren Arealerweiterung sich mit großer Wahrscheinlichkeit auf den Klimawandel zurückführen lässt. Dazu zählen unter anderem der Flussauen-Waldrebenspanner Horisme radicaria und der Silgen-Blütenspanner Eupithecia selinata in Hubbelrath, Dreifleck-Pappelspanner Stegania trimaculata und Großer Eichenkarmin Catocala sponsa in beiden Untersuchungsgebieten sowie der Große Fuchs Nymphalis polychloros im Eller Forst.

Dieses am 26.07.2017 in Düsseldorf-Hubbelrath gefangene Männchen des Dreifleck-Pappelspanners Stegania trimaculata belegt die Ausbreitungstendenz ehemaliger Flachlandarten  in montanere Regionen hinein im Zuge des Klimawandels

Weitere Wärme liebende Arealerweiterer wie der Südliche Zwergspanner Idaea rusticata und das Weißgraue Flechtenbärchen Eilema caniola sind an ihrem Fundort im Untersuchungsgebiet Eller Forst vermutlich gar nicht bodenständig, sondern entstammen eher dem nahe liegenden Siedlungsgebiet, wo sie sich an oder in Häusern entwickeln dürften. Es ist überhaupt auffällig, dass es unter den Wärme liebenden Arealerweiterern relativ viele Arten gibt, die als Kulturfolger im Bereich menschlicher Siedlungen leben. Neben den zwei oben genannten Arten zählen speziell noch die Reingraue Staubeule Caradrina gilva und Kadens Staubeule Caradrina kadenii dazu, bei denen die in Großstädten gegenüber der Umgebung bis 5 Grad höhere Durchschnittstemperatur eine wichtige Rolle bei der Habitatwahl gespielt haben dürfte. Aber auch die auf warmen Ruderalfluren lebenden Eulenarten Ruderalflur-Johanniskrauteule Chloantha hyperici und Kompasslatticheule Hecatera dysodea profitieren von der Urbanisierung. Unter den Tagfaltern sei an dieser Stelle auf den Kleinen Sonnenröschen-Bläuling Aricia agestis und den Karstweißling Pieris mannii hingewiesen, die sich häufig in Gärten entwickeln.

Raupe der Reingrauen Staubeule Caradrina gilva (ex o., Falterfang Aachen 13.6.2020).  Der Falter wurde zwischen 2006 und 2009 alleine 4 mal am leider heute nicht mehr existierenden Uni-Gebäude Kopernikusstraße 16 in Aachen gefunden.

Diese Raupen der Kompasslatticheule Hecatera dysodea fand ich am 6.7.2022 im Hinterhof meines Wohnhauses in der Aachener Innenstadt an Mauerlattich.

Bei der Analyse von Arealverschiebungen ist es wichtig zu berücksichtigen, dass sich die aktuellen Arealerweiterungen ebenso wie die von KARBIENER & TRUSCH (2022) in Baden-Württemberg für 25 TK25-Quadranten belegten Artenverluste selten monofaktoriell erklären lassen. Der Klimawandel ist sicherlich bei vielen Arealverschiebungen ein wichtiger Faktor, doch wirkt er nicht nach einem immer gleichen einfachen Schema. Manchmal spielen dabei z. B. auch Änderungen der Futterpflanzenbindung eine Rolle. Hier seien der C-Falter Polygonia c-album und der Kleine Sonnenröschen-Bläuling Aricia agestis genannt, deren deutliche Arealerweiterung in Großbritannien auch auf eine Erweiterung ihres Futterpflanzenspektrums zurückgeführt wird (BEEBEE 2018).

Des Weiteren kann sich durch das veränderte Klima auch die Habitatbindung einer Art verändern. So waren die eben genannten H. radicaria und S. trimaculata in NRW ursprünglich auf Flußauen beschränkt, also wintermilde Biotope. Inzwischen besiedeln sie aber unterschiedlichste und teils sehr naturferne Standorte ihrer Futterpflanzen, wie z. B. die mit Waldreben bewachsene Schallschutzmauer auf dem Golfplatz bzw. die dortigen Pappelanpflanzungen. Dabei liegt die Vermutung nahe, dass womöglich die milderen Winter den beiden Arten diese Erweiterung ihres Habitatspektrums erst ermöglicht haben.

Der am 3.5.2018 im Hausflur meines Wohnhauses in der Aachener Innenstadt gefundene Falter des Flussauen-Waldrebenspanners Horisme radicaria ist ein Indiz für die im Zuge des Klimawandels erfolgte Besiedlung urbaner Lebensräume durch gewisse Wärme liebende Arten

Auch die Geschwindigkeit der Auswirkungen des Klimawandels auf einzelne Arten ist nicht immer gleich, da seine Wirkung, besonders bei den „Klimaverlierern“, zeitlich verzögert auftreten kann (BEEBEE 2018). Momentan kann man bei Auswertung der Roten Listen der Makrolepidopteren (incl. Hepialidae, Cossidae, Limacodidae und Zygaenidae) in NRW einen Artenanstieg beobachten: gab es nach der Roten Liste 2010 (SCHUMACHER et al. 2011) nur 909 aktuell in NRW vorkommende Makrolepidopterenarten, so waren es nach der Roten Liste 2020 (SCHUMACHER & VORBRÜGGEN 2021) 933 – also genauso viele wie nach der Roten Liste 1999 (DUDLER et al. 1999). Dieser Anstieg ist primär die Folge davon, dass es vor allem im letzten Jahrzehnt – also seit 2010 – vermehrt zu Einwanderungen neuer Arten gekommen ist sowie zum Wiederauftauchen ausgestorbener Arten. Weiterlesen

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Späte Weihnachts-Überraschung

Endlich hat das Wünschen doch noch geholfen, wenn auch erst kurz nach Weihnachten: Auch die aktuelleren Nachweise von Tag- und Nachtfaltern  werden nun online in den Verbreitungskarten der Arbeitsgemeinschaft angezeigt!

Unser Portal http://nrw.schmetterlinge-bw.de/ ist zwar immer noch dasselbe gute alte und sieht old-fashioned aus, zeigt jetzt aber endlich wieder Verbreitungskarten mit vielen aktuellen Funden bis 2022 – es stützt sich auf immerhin 1,2 Millionen Datensätze, gut 120.000 mehr als beim letzten Stand.

Man konnte ja nicht sehen, was sich im Hintergrund alles tat. Die Access-Vereinsdatenbank, in der wir die Beobachtungsdaten aus unserem Arbeitsgebiet sammeln und pflegen, wurde von InsectisS8 auf das neuere InsectIS10 umgestellt. Das hatte aber leider erst einmal zur Folge, dass damit die alte online-Karte nicht mehr mit neuen Funden versorgt werden konnte. Schon 2021 konnte nur noch ein Teil der gelieferten Daten hochgeladen werden, 2022 praktisch gar keine mehr. Die sichtbaren Verbreitungskarten waren also nicht mehr up to date. Es musste etwas geschehen.

Der Vorstand hat daher beschlossen, ein neues Portal in Auftrag zu geben. Ein Portal, das neuer, moderner und nutzerfreundlicher ist.

Unser Entwurf für die Titelzeile des neuen Portals (Fotomontage: Jörg Siemers)

Keine Überraschung ist, dass dieses wie so viele EDV-Projekte trotz intensiver Arbeit länger dauert als gehofft. Daher wollen wir das alte Portal doch noch einer Aktualisierung unterziehen, haben dafür nun die Voraussetzungen geschaffen und gerade erstmals umgesetzt.

Immerhin haben wir nun die – plausibilisierten bzw. validierten – Daten unserer Mitglieder, soweit sie uns bis Weihnachten schon direkt aus lokalen Anwendungen, aus Naturgucker.de oder aus Observation.org aus unserem Arbeitsgebiet geliefert wurden, nach und nach in die Datenbank eingespeist. Sie sind nun ins alte Portal hochgeladen – noch nicht ganz komplett, aber zu einem wesentlichen Teil, nebst einer Reihe von Korrekturen älterer Daten und älteren Datenschätzen, die bisher gar nicht angezeigt wurden. Also schauen Sie / schaut selbst!

Mit Spannung warten wir nun auf das neue Portal, in dass wir sehr viel vorbereitende Arbeit gesteckt haben. Lassen Sie sich / lasst Euch überraschen!

Wir freuen uns über viele weitere Datenmeldungen!

In diesem Sinne alles Gute für das neue Jahr, viel Freude draußen und viele schöne Funde
wünschen Ihnen und Euch allen
für das Melanargia-Team
Heinz Schumacher, Brigitte Schmälter und Jörg Siemers

Intensive Arbeit am Portal! (Foto: Brigitte Schmälter)

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Das Ampfer-Grünwidderchen ist Schmetterling des Jahres 2023

Männchen des Ampfer-Grünwidderchens (Foto: Tim Laußmann)

Düsseldorf. Die BUND NRW Naturschutzstiftung und die Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen e.V. haben das Ampfer-Grünwidderchen Adscita statices zum Schmetterling des Jahres 2023 gekürt. Sie wollen damit auf die negativen Folgen der intensiven Landwirtschaft und den Rückgang von artenreichem Grünland aufmerksam machen. 

Die Raupen des Ampfer-Grünwidderchens fressen Sauerampfer. Landwirte bekämpfen Sauerampfer auf Wiesen und Weiden, denn er verdrängt die Futterpflanzen für das Vieh. Es mangelt aber nicht nur an Nahrung für die Raupen. Als Schmetterling saugt der Falter Nektar auf mageren Wiesen an Kuckucks-Lichtnelke, Disteln und Flockenblumen. Da unser Grünland meist stark mit Gülle gedüngt ist, haben diese Blumen gegen schnell wachsende Gräser kaum eine Chance. Auch letzte Zufluchtsorte wie Wegränder und Böschungen werden durch häufige und unsachgemäße Mahd vielfach zerstört.

Jochen Behrmann von der BUND NRW Naturschutzstiftung sagt dazu: „Wir brauchen eine nachhaltige Landwirtschaft mit blütenreichen mageren Wiesen. Dort, wo das Ampfer-Grünwidderchen mit seinen hohen Ansprüchen vorkommt, sind auch gute Bedingungen für viele andere gefährdete Insekten- und seltene Pflanzenarten gegeben.“

Die Ampfer-Grünwidderchen schimmern metallisch grünlich bis türkisfarben und haben eine Spannweite von knapp 30 Millimetern. Die Männchen tragen auffällig gefiederte Fühler, mit denen sie den Duft der Weibchen wahrnehmen können. Der Name „Widderchen“ leitet sich von dieser Fühlerform her, die an das Gehörn von Widdern erinnern. Die Fühler der Weibchen sind dagegen fadenförmig.

Es gibt mehrere sehr ähnliche Arten von Grünwidderchen, die man nur teilweise auf Grund der Flugzeit und auch an Hand der bekannten Verbreitung voneinander abgrenzen kann. Eine sichere Artbestimmung ist nur für Fachleute möglich.

Das Ampfer-Grünwidderchen ist in Europa und Teilen Asiens verbreitet. In Deutschland steht das Ampfer-Grünwidderchen auf der Vorwarnliste, in Nordrhein-Westfalen gilt es bereits als gefährdet.

Nachweiskarte von Adscita statices im Norden Deutschlands und BeNeLux. Stand 12/2022 Quelle: Observation international

Die BUND NRW Naturschutzstiftung und die Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen küren seit 2003 den Schmetterling des Jahres, um auf die Bedeutung und Bedrohung der Arten aufmerksam zu machen.

Kontakt:
Jochen Behrmann, BUND NRW Naturschutzstiftung, Tel.: 0211 / 30 200 5-14, E-Mail: jochen.behrmann@bund.net

Steckbrief: Ampfer-Grünwidderchen – Adscita statices (Linnaeus, 1758)

Beschreibung der Schmetterlinge (Imagines): Wie alle Grünwidderchen schimmern die Ampfer-Grünwidderchen metallisch grünlich bis bläulich-türkisfarben, manchmal mehr ins Blaue, manchmal auch ins Gelbgrüne. Auch Kopf, Leib und Beine sowie Fühler schimmern blaugrün. Lediglich die Hinterflügel, die man beim sitzenden Tier normalerweise nicht sieht, sind grau.

Die Ampfer-Grünwidderchen haben eine Spannweite von rund 25 bis 30 Millimetern, die Männchen sind etwas größer als die Weibchen.

Männchen und Weibchen sind gleich gefärbt, aber an ihren Fühlern klar zu unterscheiden: Die Männchen haben auffällig gefiederte Fühler, mit denen sie den Duft der Weibchen wahrnehmen können, während die Weibchen dünnere, fadenförmige Fühler tragen.

Der Name Widderchen leitet sich von der Fühlerform der Tiere her, die an das Gehörn von Widdern erinnern.

Bitte klicken Sie auf das jeweilige Bild, um eine Großansicht bzw. eine druckfähige Datei zu erhalten! Die Fotos dürfen bei Nennung des Bildautors für Pressezwecke kostenlos verwendet werden.
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Neuer Doppelband: Wandel der Nachtfalterfauna Baden-Württembergs seit 1970

Zwei Jahrzehnte nach dem Erscheinen des Grundlagenwerkes „Die Schmetterlinge Baden-Württembergs“ vermittelt der jüngst erschienene Doppelband einen Überblick über die aktuelle Bestandsentwicklung der Nachtfalter des südwestdeutschen Bundeslandes. Wichtiger Lesestoff für die „langen Winterabende“!

Baden-Württemberg/Karlsruhe. In den vergangenen 50 Jahren nahm der Bestand der Nachtfalter in Baden-Württemberg besorgniserregend ab. Das belegten von der LUBW Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg und dem Staatlichen Museum für Naturkunde Karlsruhe bereits im Herbst 2021 veröffentlichte Daten eines umfangreichen Monitorings. Vorsichtig interpretiert, wiesen die Daten einen Rückgang von 25 Prozent der Individuen nach. In den letzten Monaten haben die beiden Institutionen die Monitoringdaten wissen­schaftlich ausgewertet und für ausgewählte Faktoren geprüft, welchen Einfluss sie auf den gravierenden Rückgang der Nachtfalter haben. Die Ergebnisse wurden nun veröffentlicht.

Lebensgrundlage Vielfalt
„Nachtfalter sind hochgradig an ihre Lebensräume angepasst. Verschwindet die Vielfalt der Lebensräume, geht auch die Vielfalt der Arten zurück. Genau das ist in Baden-Württemberg in den letzten 50 Jahren passiert“, mit diesen Worten fasst Dr. Ulrich Maurer, Präsident der LUBW Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg, die zahlreichen Einzelbefunde der rund 800-seitigen wissenschaftlichen Auswertungen des Naturkundemuseums zusammen.

Verlust von Lebensräumen ist eine Ursache für Rückgang
In dem Forschungsbericht wurden insgesamt 868 Nachtfalterarten erfasst. Der Großteil der heimischen Nachtfalter ist hochgradig an bestimmte Lebensräume angepasst. Die Analyse belegt eine Abnahme der Artenzahlen für alle Biotoptypen. Jedoch ist dieser Trend je nach Lebensraum unterschiedlich stark. Besonders deutlich ist die Abnahme in Feuchtgebieten großräumig ebener Lagen. Die geringsten Rückgänge des Artenreichtums wurden für Trockenwälder beobachtet.

Arten nährstoffarmer Standorte des Offenlandes sind am stärksten betroffen
Nährstoffarme Standorte des Offenlands weisen mit minus 15 Prozent einen überdurch­schnittlich hohen Verlust an Nachtfalterarten auf. Zu den nährstoffarmen Lebensräumen zählen trockene Biotope wie Magerrasen, Heiden und Felsfluren, aber auch feuchte Biotope wie Niedermoore, Feuchtgrünland sowie feuchte Gebüsche und Säume. Nachtfalterarten wie das Trockenrasen-Flechtenbärchen (Setina irrorella) oder die Röhricht-Goldeule (Plusia festucae) sind auf genau solche Lebensräume angewiesen und im Beobachtungszeitraum besonders selten geworden.

Schatzkästchen „nährstoffarme Lebensräume“
Nährstoffarme Lebens­räume sind vor allem durch Stickstoffeinträge gefährdet. Nimmt die Stickstoffbelastung zu, führt dies zu verstärktem Aufwuchs einer kleineren Zahl von Pflanzenarten, der Verdrängung niedrigwüchsiger Kräuter und der Veränderung des Mikroklimas. Arten magerer Standorte wird dadurch ihre Lebensgrundlage entzogen.

Arten der Hochlagen zeigen stärkste Verluste
Aufgrund der Spezialisierung der Arten auf bestimmte Lebensräume und klimatische Verhält­nisse weisen viele Nachtfalter eine spezifische Höhenverbreitung auf. Besonders stark zeigt sich der Artenverlust in den Hochlagen. Während die Verluste seit der Jahrtausendwende bei den Arten der Ebene minus 9 Prozent betrugen, lagen diese bei Arten der montanen und hochmontanen Bereiche im Durchschnitt bei minus 16 Prozent beziehungsweise minus 19 Prozent. Arten mit einer Anpassung an kühlfeuchte Lebensräume, wie beispielsweise die Mondfleckglucke (Cosmotriche lobulina), ziehen sich also in die Hochlagen zurück oder sterben lokal aus, wenn keine Ausweichmöglichkeiten mehr gegeben sind.

Kontinentale Arten gehen zurück, mediterrane Arten nehmen zu
Der mediterrane Anteil der Nachtfalterarten des Landes ist seit dem Jahr 2000 um 7 Prozent gestiegen. Kontinentale Arten sind um 15 Prozent zurückgegangen. 73 Prozent der Arten zählen in Baden-Württemberg zu den kontinentalen Arten, das bedeutet, die überwiegende Zahl der Arten sind von einem deutlichen Rückgang betroffen.

Veränderung wurde für einen 50-jährigen Zeitraum nachvollzogen
Deutschlandweit einmalig war bei diesem Forschungsprojekt die Möglichkeit, einen Zeitraum von 50 Jahren für ein ganzes Bundesland zu untersuchen. Monitoringdaten der LUBW kombiniert mit historischen Angaben aus dem Karlsruher Naturkundemuseum ermöglichten einen Vergleich von zwei Zeitfenstern, welche die vergangenen 50 Jahre abdecken. Rund 130.000 Datensätze flossen in die Analyse für 25 Gebiete ein.

Ergebnisse veröffentlicht in „Wandel der Nachtfalterfauna Baden-Württembergs seit 1970“
Die von der LUBW beauftragte Studie liegt als rund 800 Seiten starke Publikation in der vom Staatlichen Museum für Naturkunde Karlsruhe herausgegebenen wissenschaftlichen Reihe „Andrias“ vor.

„Die nun vorgelegte wissenschaftliche Veröffentlichung zeigt präzise den Umfang des Faunenwandels und wie wichtig das Forschen nach seinen Ursachen ist“, betont Dr. Robert Trusch, Kurator Lepidoptera am Staatlichen Naturkundemuseum Karlsruhe und einer der Verfasser der umfangreichen Untersuchung.

Wandel der Nachtfalter-Fauna Baden-Württembergs seit 1970
Von Oliver Karbiener & Robert Trusch
Unter Mitarbeit von Ulrike Eberius, Michael Falkenberg, Axel Hofmann, Karl Hofsäß, Jörg-Uwe Meineke, Ulrich Ratzel & Rudolf Schick
Kartierung: Iris Asal-Brunner, Joachim Asal, Walter Bantle, Daniel Bartsch, Petra Birkwald, Ralf Bolz, Armin Dett, Hermann-Josef Falkenhahn, Herbert Fuchs, Stefan Hafner, Karl Hofsäss, Oliver Karbiener, Uwe Knorr, Jörg-Uwe Meineke, Rolf Mörtter, Georg Paulus, Erwin Rennwald, Rudolf Schick & Axel Steiner
Andrias 22, Band I+II, zusammen 808 S., 620 Abb. (895 Einzelabb.), 159 Tab., Fadenheftung, fest gebunden.
ISBN: 978-3-925631-18-4
Preis: € 120,- (zzgl. Porto und Versand)

Bestellungen bitte an:
Staatliches Museum für Naturkunde Karlsruhe, Bibliothek
c/o Dr. Michael Rauhe (michael.rauhe@smnk.de)
Erbprinzenstraße 13
76133 Karlsruhe

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Starker Einflug der Bilsenkraut-Blüteneule Heliothis peltigera

Bilsenkraut-Blüteneule

Heliothis peltigera, Wuppertal, 20. August 2022 (Foto: Dahl)

Draußen herrschen seit Wochen marokkanische Wetterverhältnisse. Gluthitze, Trockenheit, dazu starke Windströmungen aus Süden bringen uns auch die mediterrane Fauna in den Garten. Im Supersommer 2022 sind zahlreiche als Wanderfalter bekannte Arten unterwegs.

Wuppertal ist die Regenhauptstadt Deutschlands. In keiner Großstadt regnet es mehr, wie das Männer-Lifestylemagazin „Men’s Health“ bei einer Auswertung von Daten des Deutschen Wetterdienstes festgestellt hat. Danach kommen in der Stadt an der Wupper Jahr für Jahr durchschnittlich 1154,1 Liter Wasser pro Quadratmeter vom Himmel. Soweit so gut, das war der Stand von 2008!

Vor 15 Jahren sah das mit dem Klimawandel in Wuppertal noch überschaubar aus, wer Schmetterlinge beobachten wollte, musste immer mit wetterfester Kleidung ausgerüstet sein. Sommerliche Lichtfänge in der Region endeten oft im Bodennebel bei einstelligen Temperaturen, oder im Steigungsregen am Rand des Bergischen Landes.

Der Sommer 2022 ist da von anderem Kaliber! Am vergangenen Wochenende standen wir wieder mal mitten in der Nacht in TShirt und mit staubigen Sandalen auf einer Steinbruchhalde im Schöller-Dornaper Kalkgebiet. Nach wochenlanger Dürre war die Artenliste ziemlich überschaubar, die Zusammensetzung allerdings um so spektakulärer für die Region.

Die Gelbflügel-Raseneule Thalpophila matura wurde hier schon seit 30 Jahren nicht mehr nachgewiesen. Auch die Südliche Graseule Mythimna vitellina ist erst seit 2019 in der Region häufiger zu sehen, bisher vor allem im Rheintal. Weiterlesen

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Falter die niemand haben will: Der Pflaumenwickler

Ausgewachsene Pflaumenwickler-Raupen sind auffällig rot. Haan 10. August 2022 (Foto: Armin Dahl)

Auf manche Kleinschmetterlinge würde unsereiner gerne verzichten! Die Tiere haben ein schlechtes Image und werden deshalb selten in Artenlisten erfasst. Sie landen stattdessen im Mülleimer oder bestenfalls auf dem Komposthaufen.

Der Pflaumenwickler (Grapholita funebrana, syn. Cydia funebrana) ist so eine Art, und dessen zweite Generation hat gerade im Spätsommer „Konjunktur“. Die ausgewachsenen, rosafarbigen Raupen verwandeln das Fruchtfleisch von Zwetschen, aber auch anderen Rosengewächsen wie Traubenkirsche, Birne und Aprikose in einen braunen Matsch aus Fruchtfleisch und Raupenkot.

Nicht so lecker: Pflaumenwickler-Raupe, Haan 10. August 2022 (Foto: Armin Dahl)

Verräterische Spur an der Zwetsche: Gallertiger Tropfen an der Eindringstelle der Pflaumenwickler-Raupe. (Foto: Armin Dahl)

Grapholita funebrana fliegt in zwei sich überschneidenden Generationen, im kommerziellen Obstbau zählt der Pflaumenwickler zu den bedeutendsten Schädlingen. Weiterlesen

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