Thaumatotibia leucotreta (Meyrick, 1913) (Tortricidae; Lepidoptera) ein ungebetener Gast – mit dem Potenzial zum Daueraufenthalt in Deutschland?

Thaumatotibia leucotreta (Meyrick, 1913) (♂): Deutschland, Nordrhein-Westfalen, Bottrop, 2. September 2020; leg. det. und GU. Monika Weithmann.

Durch die Globalisierung der Produktion und des Handels mit Nahrungsmitteln und Pflanzen werden auch leicht Schädlinge von Kontinent zu Kontinent übertragen. Sind dann die Lebensbedingungen für den Neuankömmling in der neuen Heimat optimal, kann sich die Art etablieren und große Schäden in der einheimischen Flora anrichten. Als Beispiele in den letzten 15 Jahren können hierfür der Buchsbaum-Zünsler Cydalima perspectalis (Walker, 1859) oder auch die Kirschessigfliege Drosophila suzukii (Matsumura, 1931) dienen.

Die Wickler-Art Thaumatotibia leucotreta (Meyrick, 1913), deren Ursprungsheimat in Afrika südlich der Sahara liegt, wurde in den letzten Jahren in Europa immer wieder vereinzelt nachgewiesen. Die Art hat das Potential sich langfristig in Europa, besonders im Süden, in den Obst- und Gemüseplantagen sich zu etablieren. T. leucotreta lebt polyphag an den unterschiedlichsten Pflanzenteilen und ist auch nicht wählerisch bei den einzelnen Pflanzenfamilien. So wurde die Art unter anderem in unterschiedlichsten Citrus spp. (z.B. Zitronen und Orangen), in Capsicum spp. (z. B. Paprika und Chili), in Getreide (Mais und Hirse), in Rosaceaen (z.B. Pfirsiche und Rosen), Malvaceaen (z. B. Hibiscus, Baumwolle, Okraschoten), Quercus ssp. (Eichen) sowie in Coffea spp. (Kaffee) oder in Olea europaea (Oliven) nachgewiesen. Van der Geest et al. (1991) führte in seiner Veröffentlichung 50 Pflanzenarten in 30 Familien auf. T. leucotreta gilt weltweit als gefürchteter Schädling und wurde auch von der Europäischen Union in der Liste der 20 Quarantäne-Schädlinge aufgenommen. Weiterlesen

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Apollofalter, Verbuschung und Präsenz

Kleiner Schillerfalter – Apatura ilia, Pommern, 28. Juni 2021 (Foto: Dahl)

Die neueste Ausgabe der Melanargia liegt in den Briefkästen oder bereits auf Euren Tischen, 64 Seiten stark und dicht gepackt mit faunistischen Informationen. Wer gedacht hatte, die Schmetterlingsforschung würde mangels Nachwuchs aussterben, der lag gründlich daneben.

Momentan wächst eine ganze Generation hervorragend ausgebildeter und mit reichlich Geländeerfahrung gesegneter Menschen heran, die das „Geschäft“ übernehmen werden. Seit vielen Jahrzehnten von besonderem Interesse ist der Zustand der Populationen des Apollofalters an der Untermosel. „Mister Apollo“ ist aktuell der aus Lehmen stammende Daniel Müller, Jahrgang 1996 (!), der sich schon sein halbes Leben professionell mit den Faltern der Untermosel beschäftigt. Dessen ausführliche Aufarbeitung der Fundortlage lesen wir mit gemischten Gefühlen: Der Apollo, DAS Aushängeschild unserer Arbeitsgemeinschaft, ist in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen. Weiterlesen

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Blauschillernd und golden – Juwelen der Lüfte

Blauschillernder Feuerfalter - Lycaena helle

Blauschillernder Feuerfalter – Lycaena helle. Foto: Andreas Kolossa

Mit dem Naturschutzprojekt LIFE helle Eifeltäler werden in den nächsten sieben Jahren grundlegende Schritte unternommen, um die Ziele der „Convention on Biological Diversity (CBD)“ zur Erhaltung der biologischen Vielfalt im Kreis Euskirchen langfristig zu erreichen. Zum Internationalen Tag der Biologischen Vielfalt am 22. Mai 2021 gibt die Biologischen Station im Kreis Euskirchen e.V. den Projektstart bekannt!

Das mit 4,7 Millionen Euro geförderte Projekt wird von 2021 bis 2027 in der Nordeifel im Kreis Euskirchen durchgeführt. Dabei konzentriert sich LIFE helle Eifeltäler auf die Erhaltung und Förderung der beiden bedrohten Tagfalter-Arten Blauschillernder Feuerfalter (Lycaena helle) und Goldener Scheckenfalter (Euphydrias aurinia). Die Lebensräume beider Arten werden wiederhergestellt, optimiert und vernetzt. Für den Goldenen Scheckenfalter ist eine (Wieder-)ansiedlung im Projektgebiet geplant. Mit einer großangelegten Kampagne: „Blauschillernd und golden – Juwelen der Lüfte“ wird die Öffentlichkeit informiert, eingebunden und für das Projekt, dessen Ziele und die beiden gefährdeten Arten und deren Lebensgemeinschaften begeistert.

Goldener Scheckenfalter – Euphydryas aurinia. Foto: Tim Laußmann

In Zeiten des großen Insektensterbens sollen die beiden besonderen Tagfalterarten natürlich selbst geschützt und deren Vorkommen stabilisiert werden. Sie sind aber auch sogenannte „Flaggschiffarten“: Im Naturschutz sind damit attraktive Tier- oder Pflanzenspezies gemeint, mit denen sich in der Öffentlichkeit eine emotionale Motivation für Natur- und Artenschutz begründen lässt. Mit den Maßnahmen für die charismatischen Arten werden nicht nur deren besondere Lebensräume wie Mittelgebirgs-Feuchtwiesen und feuchte Hochstaudenfluren optimiert und geschützt.

Es profitieren auch die damit verbundenen Pflanzen- und Tierarten. „Das Projekt wird sich auf die Biodiversität des Projektgebietes und auch darüber hinaus positiv auswirken!“ begründet Stefan Meisberger, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter der Biologischen Station, den Einsatz so hoher Finanzmittel für „zwei Schmetterlinge“. „Wir handeln damit ganz im Sinne unserer Maxime: Kein Artenschutz ohne Schutz der Lebensräume!“

Mehr Infos und Kontakt:

LIFE helle Eifeltäler (LIFE19 NAT/DE/000871)
Marietta Schmitz – Projektleitung u. -management, Öffentlichkeitsarbeit
Biologische Station im Kreis Euskirchen e.V.

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Eselswolfsmilch-Glasflügler starten in die Saison

Ch. tenthrediniformis (♀), Leverkusen-Hitdorf, Hafen, 16. Mai 2021 (Foto: Dahl)

Wer noch nie im Leben einen Glasflügler gesehen hat: Aktuell Mitte Mai ist es ziemlich einfach! Entlang der großen Flüsse wächst überall die Eselswolfsmilch (Euphorbia esula), und an Rhein und Mosel gibt es auch aus 2021 schon etliche aktuelle Nachweise vom Eselwolfsmilch-Glasflügler Chamaesphecia tenthrediniformis. Die Flugzeit reicht von Mitte Mai bis Anfang Juni.

Das Tierchen hat zwar einen komplizierten Namen, ist aber um so einfacher zu finden:  Hat man einmal die blühende Wolfsmilch lokalisiert, ist es oft nur eine Frage von Minuten, bis man bei sonnigem Wetter die kleinen, wespenfarbig gelb/schwarz gezeichneten Falter direkt auf den Pflanzen sitzen oder in der Umgebung herumfliegen sieht. Im Gegensatz zu den meisten anderen Glasflügler-Arten ist Ch. tenthrediniformis ziemlich flugfaul und nicht scheu.

Hafenwiese mit Massenbestand von Schnittlauch und blühender Eselswolfsmilch (Bildmitte), Leverkusen-Hitdorf, 16. Mai 2021 (Foto: Dahl)

Die Eselswolfsmilch wächst zumindest an Rhein und Mosel im direkten Bereich des Hochwassers, bevorzugt an befestigten Stellen, oft mitten zwischen Ufer-Steinpackungen oder an Fährstellen. In den Eselswolfsmilch-Beständen sind allerdings zur besten Blütezeit noch ein paar andere, ähnlich aussehende Insektenarten unterwegs, zum Beispiel Schwebfliegen und kleine Wespen. Und natürlich wächst an manchen Stellen außerhalb der Deiche auch die Zypressenwolfsmilch (Euphorbia cyparissias). Und auch an dieser Pflanze lebt ein  Glasflügler, nämlich die äußerlich nicht zu unterscheidende, aber viel agilere Chamaesphecia empiformis. 

Hat man allerdings einen trägen, auf oder im direkten Umfeld der Eselswolfsmilch sitzenden Glasflügler beobachtet, kann man den wohl getrost als Ch. tenthrediniformis aufschreiben.

Eselswolfsmilch in der Uferbefestigung, Leverkusen, 16. Mai 2021 (Foto: Dahl)

Hat man sich einmal eingesehen, kann man die langsam durch die Vegetation patroullierenden Männchen gut verfolgen, fotografieren und oft auch direkt mit einem  Beobachtungsgläschen einsammeln. Bevorzugte Aktivitätszeit der Art scheint der Nachmittag zu sein.

Auch die Männchen von Ch. tenthrediniformis sind leicht zu fangen bzw. zu fotografieren, hier freihand mit dem Iphone. Leverkusen, 16 Mai 2021, (Foto: Dahl)

In den vergangenen Jahren haben verschiedene Aktivisten schon eine Menge Fundorte entlang von Rhein und Mosel kartiert, was bei der Größe unseres Vereinsgebietes einen erheblichen Aufwand macht. Weitere Nachweise auch von Weser, Ems, Ruhr und Lippe sind eigentlich zu erwarten, sie haben vielleicht nur noch nicht den Weg in die Daten gefunden.

Meldungen können per Mail oder am einfachsten in die öffentlichen Datenbanken, z.B. observation.org oder naturgucker.de eingegeben werden. Wenn noch einige weitere Kartierlücken geschlossen werden können, ist eine kleine Publikation in der „Melanargia“ geplant.

Viel Spaß bei der Suche!

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Online-Meeting zum Thema Biodiversität

 

Videokonferenz als Ersatz für Präsenztreffen: Screenshot von Vortrag und Teilnehmern des Onlinemeetings

Das Vereinsleben in Corona-Zeiten liegt weitgehend am Boden, jedenfalls was Vorträge, Exkursionen und Präsenz-Veranstaltungen betrifft. Aber das muß nicht so bleiben. Die moderne Technik bietet Möglichkeiten der Zusammenarbeit die wir uns vor ein paar Jahren nicht vorstellen konnten.
Ein erster Schritt in diese Richtung waren in den vergangenen Monaten verschiedene Vorstandsmeetings mittels Videokonferenz-Software, in denen zumindest die drängendsten Vereinspflichten abgearbeitet werden konnten. Technisch hat das alles so halbwegs geklappt, man braucht dazu eigentlich nur ein halbwegs modernes Telefon und einen WLAN-Anschluß, spart sich dafür Zeit und Sprit für die An- und Abfahrt. Vorstandssitzung im heimischen Arbeitszimmer, mit dem Weinglas neben dem Bildschirm,  das ist jedenfalls nicht die schlechteste Lösung.

Über Videokonferenzen kann man aber natürlich auch Vorträge und Mitgliedertreffen organisieren, und als ersten „richtiger“ Event fand in der vergangenen Woche eine Online-Präsentation des Duisburger Diplom-Geologen Dr. Johannes Meßer statt. Johannes ist Vorsitzender des Beirates der Unteren Naturschutzbehörde in Duisburg und seit 40 Jahren im Naturschutz unterwegs. Er beschäftigt sich seit ein paar Jahren auch mit Lepidopteren und hat für seinen privaten Gebrauch eine Datenbank erstellt, mit der sich das Biodiversitätspotenzial eines Lebensraumes oder eines Gebietes erfassen lässt. Und er hat ein paar sehr spannende Lebensräume untersucht, unter anderem Industriebrachen im westlichen Ruhrgebiet, aber auch die Auenlandschaft entlang des Rheins zwischen Duisburg und Voerde.

Screenshot von Vortrag und Chat des Onlinemeetings

Etwa ein Dutzend Interessierte konnten am Online-Meeting teilnehmen, das mit der Technik von „Microsoft Teams“ problemlos ablief. Schon alleine die schiere Anzahl von bisher 16.000 Beziehungen zwischen Raupen und Nahrungspflanzen, die für den Vortrag ausgewertet wurden, machte den Abend spannend.  Schmetterlingsdaten mit „offiziellen“ Bewertungsschemen z.B. für Wiesen-Pflanzengesellschaften zu verschneiden, das ist die hohe Kunst.  Nach dem Vortrag wurde denn auch noch eine ganze Weile diskutiert, nach zwei Stunden waren die meisten Fragen geklärt, und jeder hatte ein paar Anregungen für seinen Bereich mitgenommen.

Eine Zusammenfassung der Präsentation  findet sich hier zum Download. Das Format funktioniert sicher auch mit größeren Zuschauerzahlen, beim nächsten Mal werden wir derartige Videomeetings einem breiteren Publikum zugänglich machen. À propos nächstes Mal:  Wer Lust hat einen Vortrag zu halten, seine Ergebnisse zu präsentieren oder zum Beispiel „nur“ spannende Urlaubserlebnisse zu zeigen: Freiwillige vor!

Sobald der nächste Online-Vortrag steht, wird die Ankündigung  im Terminkalender präsentiert.


Johannes Meßer bei observation.org

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Blattminierer an Schlangenknöterich – Antispilina ludwigi

Antispilina ludwigi, Schweiz, Berner Jura, 1000 m ü.M., Hochmoor, 2. August 2017, Minen in Blättern von Polygonum bistorta. (Foto: Ruedi Bryner)

Der Schlangenknöterich Bistorta officinalis (Syn. Polygonium bistorta) ist Nahrungspflanze für eine Reihe seltener Schmetterlinge, insbesondere in nährstoffarmen und feuchten Graslandschaften in mitteleuropäischen Bergregionen.

Über den Blauschillernden Feuerfalter Lycaena helle und den Randring-Perlmutterfalter Boloria eunomia ist viel bekannt. Jedoch leben auch höchst interessante Kleinschmetterlinge am Schlangenknöterich. So wurde beispielsweise der Knöterich-Erzglanzfalter Antispilina ludwigi kürzlich in den Ardennen in Belgien, in Frankreich (Zentralmassif und Jura) und der Schweiz (Alpen und Jura) neu entdeckt (Nieukerken et al. 2021).

Locus typicus der von HERING (1941: 19) nach einem einzigen ♂ beschriebenen Art ist das NSG Feuerheck bei Waldaubach, im Lahn-Dill-Kreis (Hessen). Nach den aktuellen Neufunden in den Ardennen ist es jedoch wahrscheinlich, dass A. ludwigi neben dem Hessischen Bergland auch in der Eifel gefunden werden kann.

Antispilina ludwigi ist als Imago ein echter „Mikro“, das zu den Heliozelidae (Erzglanzfalter) zählende Falterchen gehört mit einer Vorderflügellänge von 2,5 mm zu den kleinsten einheimischen Schmetterlingen. Die Fundorte in den Ardennen liegen zwischen 460-640m NN. in Bütgenbach und Rocherath, direkt hinter der Grenze in der deutschsprachigen Region in Belgien. Aber auch weiter südlich in der Wallonie, in der belgischen Provinz Luxemburg gab es frische Nachweise.

Antispilina ludwigi, Schweiz, Berner Jura, 1000 m ü.M., Hochmoor, 2. August 2017, Minen in Blättern von Polygonum bistorta. (Foto: Ruedi Bryner)

Minen und Larven findet man (hoffentlich!) je nach Höhenlage zwischen Juni und September, oft mehrere auf einem Blatt, in braunen Fleckminen entlang der Mittelrippe. Die Falter fliegen von April bis Juni. Beobachtungen sowie einige Fotos von Minen finden sich auch im belgischen Online-Portal unter https://waarnemingen.be/species/180542/

Da in nächster Zeit im Rahmen des „Life-Projekts helle Eifeltäler“ viele Schlangenknöterich-Wiesen unter die Lupe genommen werden, finden sich bei der Gelegenheit eventuell auch die typischen Minen von A. ludwigi.


Literatur

Erik J. van Nieukerken, Steve Wullaert, Bong-Woo Lee, Rudolf Bryner (2021): Antispilina ludwigi Hering, 1941 (Lepidoptera, Heliozelidae) a rare but overlooked European leaf miner of Bistorta officinalis (Polygonaceae): new records, redescription, biology and conservation. Nota lepidopterologica 44: 99-121.
Download: https://nl.pensoft.net/article/63848/

HERING, E. M. (1941): Minenstudien 16. — Deutsche Entomologische Zeitschrift 1941 (1-2): 10-23. Berlin
Download: PDF auf zobodat.at.

LUDWIG, A. (1952): Die Blattminen des Siegerlandes und der angrenzenden Gebiete. Abh. Landesmus. Naturkd. Münster 15 (2): 1-48, Münster
Download: https://www.lwl.org/wmfn-download/Abhandlungen/Abh_15(2)1952.pdf

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Vom Notizbuch zum Mottenscanner – Vollautomatische Ermittlung der Artenvielfalt bei Nachtfaltern

Nachtfalterbeobachtung am Leuchtturm.

Die Digitalisierung schreitet in allen Bereichen der Wirtschaft und Wissenschaft rasch voran, und auch die Erfassungsmethoden in der Entomologie wandeln sich. DNA-Barcoding hat sich als Methode zur Artenbestimmung etabliert, und wird zusammen mit morphologischen Merkmalen zur „Turbo-Taxonomie“. Handy-Apps bestimmen Digitalbilder von Tieren und Pflanzen mit hoher Trefferquote und ersetzen das Notizbuch. Ein neues ambitioniertes Projekt mit dem Namen AMMOD  (Automated Multisensor Stations for Monitoring of BioDiversity) versucht sich nun an der vollautomatischen Erfassung der Artenvielfalt bei Nachtfaltern mit Hilfe eines „Mottenscanners“.  Wer möchte kann das Projekt mit eigenen Digitalbildern unterstützen.

Dr. Paul Bodesheim arbeitet am Lehrstuhl Digitale Bildverarbeitung der Friedrich-Schiller-Universität Jena im Bereich „Computer Vision and Machine Learning“ und bittet darum, für die automatisierte Erkennung von Nachtfalterarten entsprechende Fotos zur Verfügung zu stellen. Viele von uns nutzen bereits „ObsMapp“ und „iObs“ zur Datenerfassung und eine automische Arterkennung mit Hilfe von Handyfotos ist bereits eingebaut. Wenn sich die Algorithmen noch verbessern lassen, kann das nur in unserem Sinne sein.

Ihr könnt Eure Fotos über Upload- oder Download-links zur Verfügung stellen. Es wäre aber auch möglich, dass ihr einfach den Beteiligten meldet, dass Eure bereits vorhandenen Bilder z.B. auf observation.org oder bei naturgucker.de für diesen Zweck verwendet werden dürfen. Die Fotos werden ausschließlich zur Optimierung der Bilderkennung verwendet, nicht weitergegeben oder ohne Eure ausdrückliche Zustimmung veröffentlicht. Alles Weitere dazu findet Ihr in dem Aufruf unten (siehe „Übermittlung der Daten“).

Wie soll die Sache funktionieren? Hierzu teilte mit Herr Dr. Bodesheim mit, dass mit klassischen Leuchtanlagen (UV-LED) gearbeitet werden soll. Die Falter, die sich auf der beleuchteten Fläche niederlassen, werden in regelmäßigen Abständen automatisch fotografiert und die Arten mit Bilderkennung identifiziert. Die Fallen sollen so arbeiten, dass das Licht deutlich vor Beginn der Dämmerung ausgeschaltet ist, so dass die Falter eine Chance zur Flucht haben, bevor Vögel die stationären Anlagen allmorgendlich abräumen. Dies ist sicher ein wichtiger Punkt, gerade in sensibelen Biotopen.

Hier der Aufruf des AMMODKonsortiums:

„Liebe Lepidopterologinnen und Lepidopterologen,
der Schutz der Insekten steht endlich seit der „Krefelder Studie“ (gelegentlich) im Fokus der Politik, und auch einige Forschungsinstitute wollen vermehrt Ressourcen in das Monitoring von Insekten investieren. Mehrere dieser Institute haben sich zusammengeschlossen, um eine „Wetterstation für Artenvielfalt“ zu bauen. Diese von der Bundesregierung geförderten „AMMOD-Stationen“ nehmen aus der Umwelt biologische Signale wie Tierstimmen und Pflanzendüfte auf, DNA aus Fluginsekten und Pollen wird gewonnen, und es werden Fotos gemacht, die per Funk übertragen und automatisiert ausgewertet werden. Eine automatisierte Lichtfalle wird derzeit als „Mottenscanner“ entwickelt. Das wird es uns künftig ermöglichen, an sehr vielen Orten gleichzeitig und das ganze Jahr über Daten zu sammeln, was mit traditionellen Personaleinsätzen so nicht realisierbar wäre.

Es geht vorerst um den Nachweis der Präsenz der Arten für sehr viele Spezies und in hoher zeitlicher Auflösung. Für die biologische Deutung der Befunde werden auch künftig Artenkenner benötigt, und wir rechnen mit steigendem Bedarf, wenn wir mehr über Umwelttrends lernen. Hoffentlich werden dann auch Faunistik und Artenkenntnis wieder vermehrt an den Hochschulen gelehrt. Eine Schlüsseltechnik für die AMMOD-Sensoren sind Algorithmen der künstlichen Intelligenz, die mit Beispielbildern trainiert werden müssen. Die Leistungsfähigkeit moderner Bestimmungs-Apps ist bekannt, die bisher existierenden Algorithmen haben aber noch Probleme, wenn die Beleuchtung variiert, die Entfernung größer ist, Blickwinkel sich ändern, oder nur Teile der Tiere zu sehen sind. Daher arbeiten wir im AMMOD Konsortium an Verbesserungen der Algorithmen, die letztlich allen Anwendern zu Gute kommen werden. Dazu kooperieren wir mit den niederländischen Entwicklern von observation.org, deren Portal und App sich bereits jetzt bewährt haben.

Übermittlung der Daten:

Um den angestrebten Quantensprung der biologischen Umweltbeobachtung zu erreichen, brauchen wir die Hilfe von Experten. Aktuell geht es um Referenzbilder von Arten, insbesondere für Nachtfalter. Können Sie uns helfen? Ihre Fotos werden dabei ausschließlich zum Trainieren der KI-Algorithmen verwendet und es werden darüber hinaus keine Bild- und Nutzungsrechte verletzt. Wir werden keine Fotos veröffentlichen oder weitergeben, es sei denn, Sie stimmen dem ausdrücklich zu. Um uns die Bilder zu übermitteln, haben Sie mehrere Möglichkeiten. Nutzen Sie gerne die Option, die für Sie am angenehmsten bzw. unkompliziertesten ist. Sie können uns entweder einen Download Link zu einem von Ihnen genutzten Service (ftp-Server, own-cloud, dropbox o.ä.) per E-Mail an Dimitri Korsch (dimitri.korsch@uni-jena.de) senden oder Sie nutzen die Möglichkeit über einen Upload-Link. Für die letztgenannte Variante wenden Sie sich bitte ebenfalls an Dimitri Korsch (dimitri.korsch@uni-jena.de), um Link und Passwort zu erhalten. Mehrere Bilder können gerne als Verzeichnisse oder Archive (zip, rar, tar o.ä.) bereitgestellt werden, wir sind aber auch für Einzelbilder sehr dankbar.

Art der Bilder:

In erster Linie benötigen wir Bilder von Nachtfaltern in der Form, wie wir die Tiere auch bei der Verwendung der Lichtfallen aufnehmen (beleuchtete weiße Fläche, auf der sich die Falter niederlassen): idealerweise aber nicht notwendigerweise mit ausgebreiteten Flügeln, der Hintergrund/Untergrund kann jedoch beliebig sein. Je größer die Falter im Bild zu sehen sind, desto besser. Wir untersuchen derzeit, wie sich die Bildauflösung auf die Erkennungsleistung auswirkt. Daher sind auch niedrig aufgelöste Bilder interessant und relevant.

Artnamen und Metadaten:

Sie können selbst entscheiden, wie Sie uns die zugehörigen Artennamen zu den Bildern übermitteln. Hier einige Beispiele: in den Metadaten der Bilddateien, als Ordnernamen, direkt im Dateinamen der Bilder, als Excel-Tabellen bzw. Listen mit Dateinamen und zugehörigen Artennamen. Geben Sie bitte bei der Übermittlung der Bilder an Dimitri Korsch (dimitri.korsch@uni-jena.de) an, mit welcher Variante Sie die Artennamen zu den Bildern zur Verfügung stellen.

Haben Sie noch weitere Fragen, dann melden Sie sich gerne bei uns.
Bei allgemeinen Fragen zum AMMOD-Projekt wenden Sie sich bitte an Wolfgang Wägele (W.Waegele@zfmk.de) und Fragen zur Entwicklung der KI-Algorithmen und der Verwendung Ihrer Bilder richten Sie bitte an Paul Bodesheim (paul.bodesheim@uni-jena.de) oder Dimitri Korsch (dimitri.korsch@uni-jena.de).

Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung und mit freundlichen Grüßen,

Wolfgang Wägele (Projektkoordinator), Paul Bodesheim und Dimitri Korsch im Namen des gesamten AMMOD-Konsortiums“

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Wildbestäuber nehmen rund um Bienenkästen ab

Einflusssphäre von Nutzbienen auf Wildbestäuber. Quelle: EIS Kenniscentrum Insecten

Konkurrenz zwischen Honigbienen und den übrigen auf Pollen und Nektar angewiesenen Wirbellosengruppen ist seit langem Thema im Naturschutz! Allerdings war die Datengrundlage dazu bisher eher schwach. Neue Studien aus den Niederlanden sorgen hier für Abhilfe, und es gibt konkrete Empfehlungen für die Nutzung von Heide-Gebieten durch Imkerei.

Wildbienen scheinen in den Niederlanden eine der am stärksten vom Insektensterben betroffenen Gruppen zu sein, 55% aller betrachteten Arten stehen auf der Roten Liste (Reemer 2018). Für Schmetterlinge deuten die Studien ebenfalls auf einen starken Rückgang hin: Seit 1992 registrierten die Niederländer einen Rückgang der Gesamtzahl um 48% (Van Swaay 2018).

Vor diesem Hintergrund hat die Immobilienverwaltung der Zentralregierung (Rijksvastgoedbedrijf, in Deutschland wäre das die
Bundesanstalt für Immobilienaufgaben – BIMA) eine Studie in Auftrag gegeben, die den Einfluss von Honigbienen-Ständen auf Wildbestäuber in verschiedenen Truppenübungsplätzen in den Niederlanden untersucht hat. Dazu wurden 50×50 Meter große Flächen in verschiedenen Abständen von den Honigbienenkästen nach Bestäubern abgesucht. Ergebnis: In der Umgebung aufgestellter Bienenstöcke ist die Zahl der übrigen Bestäuber-Insekten deutlich reduziert, und zwar statistisch abgesichert. Zudem nimmt der Konkurrenzdruck stark mit der Zahl der aufgestellten Bienenvölker zu, der Einfluss reicht über vier Kilometer Entfernung in den Umkreis der Bienenstände.

Quelle: Heideterrasse.net

Nach Meinung der Autoren und auf der Grundlage des Vorsorgeprinzips sollte der Anteil der Fläche, auf der Wettbewerbsdruck durch Honigbienen akzeptiert wird, für Naturschutzgebiete maximal 25 Prozent betragen. Höchst interessant ist ein von den Autoren entwickelter „Konkurrenzdruck-Rechner„, mit dessen Hilfe in Abhängigkeit von Größe des Gebietes, der blühenden Heideflächen und Zahl der Bienenstöcke errechnet werden kann, wie stark die Beeinflussung der Wildbestäuber ist. Folgt man den Empfehlungen, dürften kleinere Heidegebiete, zum Beispiel auf der rechtsrheinischen Heideterrasse, automatisch aus der Imker-Nutzung herausfallen.

Die bereits erwähnte BIMA, die ihrerseits einen ökologischen Zertifizierungsprozess der von ihr bewirtschafteten Liegenschaften anstrebt, könnte sich am kleinen Nachbarland ein Beispiel nehmen. Aber auch viele Städte wie zum Beispiel Solingen, die ihre Naturschutzgebiete mit zahlreichen Bienenvölkern regelrecht umstellen, sollten die Studie aufmerksam lesen: Honigbienennutzung schadet der Artenvielfalt, vor allem in kleinen Gebieten!

John T. Smit, Theo Zeegers & Linde Slikboer: Richtlijn plaatsing honingbijkasten op heideterreinen van defensie wurde erstellt vom höchst seriösen Kenntniscentrum Leiden, das sich der Wirbellosen-Forschung verschreiben hat. Die komplette Studie findet sich hier zum Download

Literatur

Reemer, M. 2018. Basisrapport voor de Rode Lijst Bijen. – EIS Kenniscentrum Insecten, Leiden.
Van Swaay, C. 2018. Achteruitgang van vlinders en andere insecten-meetnet vlinders. Vlinders, 33(1), 11-11.

 

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Achtung update Synchronzählung an Himmelfahrt – ausgebucht..

Lycaena helle Ende Mai 1995 Nonnenbachtal (Eifel). Foto: Tim Laussmann

 

 

 

Achtung, das hier stehende Anschreiben/Aufruf  zur Mitarbeit wurde auf Bitte der Biostation wieder entfernt.

Im Januar ist LIFE helle Eifeltäler gestartet. Das Projekt konzentriert sich auf die Erhaltung und Förderung der beiden bedrohten Arten Blauschillernder Feuerfalter (Lycaena helle) und Goldener Scheckenfalter (Euphydryas aurinia) in der Nordeifel im Kreis Euskirchen. Für beide Arten sollen Habitate optimiert und vernetzt werden. Für aurinia ist eine Reetablierung im Projektgebiet geplant.
Im Anhang (ProjectCharacteristics) sind die Kerndaten des Projektes zusammengefasst und die Projektkulisse dargestellt.

Leider wurde die Biostation innerhalb einer Stunde von einer Flut von Anfragen überrollt, was sich organisatorisch von dem kleinen Projektteam nicht bewältigen lässt.

Wir werden versuchen Euch regelmäßig an dieser Stelle über den Fortgang desa Projektes zu informieren.

 

 

 

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Lost and found: eine Bilanz von 160 Jahren Tag- und Nachtfalterbeobachtungen im Raum Wuppertal und Hilden

Auswahl von Schmetterlingsarten, die im Untersuchungsraum Hilden, Haan, Erkrath, Wuppertal, Solingen und Remscheid als verschollen gelten. Für eine größere Ansicht: rechte Maustaste – Grafik anzeigen.

Vor 175 Jahren, am 9.4.1846, gründete Johann Carl Fuhlrott den „Naturwissenschaftlichen Verein von Elberfeld und Barmen“. Heute würde man diese Leute wahrscheinlich als „Bürgerwissenschaftler“ oder „Citizen Scientists“ bezeichnen. Damals nannte man sie im englischsprachigen Raum „gentlemen scientists“. In der Tat gehörte seinerzeit die Beschäftigung mit der Natur, angefeuert durch die Erkenntnisse von Berühmtheiten wie Charles Darwin und Alexander von Humboldt, zum guten Ton. Bald schon stieß Gustav Weymer zu den interessierten Naturkundlern und veröffentlichte ab 1863 seine Beobachtungen zu Tag- und Nachtfaltern im Raum Wuppertal und Hilden unter anderem in den Jahresberichten des Vereins.

Unsere Erkenntnisse zu den Schmetterlingspopulationen im Bergischen Land im 20. Jahrhundert verdanken wir in erster Linie den zusammenfassenden Darstellungen von uns wohl bekannten Persönlichkeiten: Helmut Kinkler, Friedhelm Nippel, Günter Swoboda and Willibald Schmitz. Unsere vier tatkräftigen Lepidopterologen veröffentlichten in den Jahresberichten des Vereins zwischen 1971 und 1992 den Kenntnisstand zur Schmetterlingsfauna und trugen von zahlreichen Privatpersonen gesammelte Tiere in der „Sammlung Bergisches Land“ zusammen. Diese befindet sich heute, nach dem unrühmlichen Ende des Fuhlrott-Museums in Wuppertal, im Löbbecke Museum in Düsseldorf. Nicht unerwähnt sei hier auch die Übersichtsarbeit von Karl Stamm „Prodromus der Lepidopteren-Fauna der Rheinlande und Westfalens“.

Heute, fast 160 Jahre nach der ersten veröffentlichten Studie zu den Schmetterlingen in und um Wuppertal und Hilden, können wir recht genau sagen, welche Arten ab- und welche zugenommen haben, welche verschwunden sind und welche unser Gebiet neu erobert haben. Ebenso wird deutlich, welche Arten sich auf einem stabilen Niveau bewegen. Die Daten haben wir in einer umfassenden Tabelle zusammengestellt, die die Grundlage für eine Zusammenfassung im „Journal of Insect Conservation“ bildete.

Den Artikel (Zitat: Laussmann T, Dahl A, Radtke A: Lost and found: 160 years of Lepidoptera observations in Wuppertal (Germany). Journal of Insect Conservation, published online: 22. February 2021, https://doi.org/10.1007/s10841-021-00296-w) gibt es hier zum Herunterladen (Save->download).

Wenn es dort Probleme gibt, findet sich hier die Rohfassung und die Tabelle („Supplement“) in der akzeptierten Endversion.

Die wesentlichen, für den Lepidopterologen wohl wenig überraschenden, Erkenntnisse zeigen die folgenden Grafiken, die sich mit Rechtsklick in Vollauflösung anzeigen oder herunterladen lassen. Alternativ stellen wir hier die Infografiken als frei zu bearbeitende Power-Point Präsentation zu Verfügung.

Mehr als die Hälfte der zum ausgehenden 19ten Jahrhundert im Beobachtungsraum verbreiteten Tag- und Nachtfalterarten befinden sich heute in den Kategorien „abnehmend“ (rot) oder „konstant selten“ (gelb). Einige Arten (15 %) sind bereits verschollen (seit mehr als 10 Jahren nicht mehr beobachtet). Auf der anderen Seite gibt es aber auch Arten, die häufiger geworden sind (blau), davon sind 13 Arten neu in das Beobachtungsgebiet eingewandert.

Bereits zu Beginn der 20sten Jahrhunderts waren ein paar Arten verschwunden, der Niedergang der Artenvielfalt startete aber erst richtig nach dem zweiten Weltkrieg und nahm beständig Fahrt auf. In den letzten Jahrzehnten verlieren wir im Schnitt mehr als eine Art pro Jahr. In den 1970er Jahren traten dann erste neu zugewanderte Arten aus dem Süden und dem Westen auf. In den letzten 10 Jahren hat sich der Zuwachs an Arten beschleunigt. Wir führen dies auf Effekte des Klimawandels zurück.

Wenn man herausfinden will warum Arten verschwinden, ist es entscheidend zu wissen, welche Biotopansprüche diese Arten haben. Wir finden unter den abnehmenden Arten vor allem solche, die auf offene, magere, blütenreiche Landschaft spezialisiert sind. Zudem finden sich typische Arten für trocken-warmes Gebüsch, Hecken, Niederwald und Obstwiesen unter den Verlierern. Häufig bleiben typische Waldarten (insbesondere Arten, die in Buchenwäldern und Nadelwäldern leben). Mache davon sind sogar häufiger geworden, insbesondere solche, die als Raupen an Flechten fressen. Häufiger werden auch Wintertiere beobachtet, wahrscheinlich weil mildere Winter bessere Beoachtungsmöglichkeiten bieten.

Diese Grafik zeigt die Verteilung der Lebensraumspezialisten auf vier zusammengefasste Habitatgruppen. Deutlich sichtbar ist, dass abnehmende Arten vor allem in offenen und halboffenen Landschaften zu finden sind. Wälder sind deutlich weniger vom Artenrückgang betroffen, obwohl es hier z.B. bei Arten, die in Auwäldern leben, ebenfalls Verluste gibt. In durch den Menschen geprägten Lebesräumen ist der Artenrückgang vergleichsweise gering. Betroffen sind in erster Linie Arten, die früher in Obst- und Gemüsegärten verbreitet waren. In anthropogenen Lebensräumen findet der größte Zuwachs an Arten statt: Diese profitieren von trocken-warmen Lebensräumen im „Stadtklima“ und leben z.B. auf Industriebrachen.

Welche Arten genau abgenommen und zugenommen haben, ist in der oben erwähnten Artenliste (Excel-Datei) genau aufgeführt. Für die Beurteilung von Spezialisten und Generalisten haben wir auf das Buch „Praxishandbuch Schmetterlingsschutz“ zurückgegriffen, das unserer Meinung nach viel zu wenig Anwendung findet.

Natürlich haben wir in dem Artikel auch unsere Aufassung zu Ursachen und zu Gegenmaßnahmen dargestellt, mit denen ich an dieser Stelle, da es für die meisten von uns „kalter Kaffee“ ist, nicht langweilen möchte.

In jedem Fall bleibt festzuhalten, dass nur die tatsächliche Beobachtung von Tag- und Nachtfaltern und die systematische Erfassung der Arten solche Auswertungen möglich machen. Hilfreich sind dabei moderne Smartphone-Tools wie „ObsMapp“ oder „iObs“. Unerfahrenen wird dabei die Arterkennung anhand von Handy-Photos ermöglicht.

Hoffen wir also, dass die Tugenden eines „gentleman scientist“ oder einer „lady scientist“ eine Renaissance erleben!

 

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