Nachtfalter-Spurensuche am Rheinsteig

Es gibt zahlreiche Methoden Nachtfalter-Kartierungen durchzuführen, üblicherweise sind das  Lichtfang, Ködern oder Raupenklopfen. Das Aufsuchen von Fledermausquartieren gehörte bisher nicht zu den bevorzugten Mitteln der Datenerhebung des Autors.
Auf einer Wanderung entlang des Rheinburgenweges nördlich St. Goar war die Überraschung daher groß. Ein begehbarer Höhleneingang versprach, aufgrund früherer Erfahrungen anderenorts, Nachweise von an den Wänden oder der Höhlendecke sitzenden Tagpfauenaugen (Aglais io), Achat- (Phlogophora meticulosa) und Zackeneulen (Scoliopteryx libatrix).

Foto 1: Eingang zur Höhle am Rheinburgenweg nördlich St. Goar, Ansicht auf die schräg abfallende Wand, 22. Oktober 2025. (Alle Fotos: Armin Radtke)

Ein gänzlich anderes Bild zeigte sich dann beim Betreten der ca. 20 Quadratmeter großen, maximal fünf Meter hohen Höhle: An einer schräg zum Höhlenboden abfallenden Wand fanden sich zahlreiche Flügel von Nachtfalterarten aus der Familie der Eulenfalter (Noctuidae).

In situ Funde der Flügelreste von der Höhlenwand

Einzelne der Flügel hingen in Spinnennetzen, die Mehrzahl aber lag auf der Höhlenwand. Wären die Falter Opfer von Spinnen geworden, dann hätten auch ganze Körper zu finden gewesen sein müssen. Neben den Flügeln fanden sich ganz vereinzelt auch Schmetterlingsbeine, am ehesten, wenn Vorder- und Hinterflügel über ein Stück Cuticula noch verbunden waren, siehe Foto 3 bei Noctua pronuba und Foto bei Phlogophora meticulosa.

Oberhalb der Fundfläche ist die Höhlendecke sehr schartig. Leider konnte trotz nochmaligem Aufsuchen des Fundortes am nächsten Tag kein Foto einer dort an der Decke hängenden Fledermaus aufgenommen werden. Womöglich aber ist die Höhle gar kein permanentes Fledermausquartier. Die Fledermausexpertin Irina Würtele machte mich darauf aufmerksam, dass Fledermäuse während der Jagd ab und zu Fraßplätze aufsuchen, sich dort jeweils nur wenige Minuten aufhalten. Die hier vorgestellte Höhle muss dazu in den letzten Wochen mehrfach angeflogen worden sein. Das belegen die über ihre Flügelreste nachgewiesenen Spätsommer/Herbstarten:

Tabelle: Über Flügelreste nachgewiesene Arten und geschätzte Mindestanzahl der Individuen

K&R Nummer Artname Geschätzte Mindestanzahl
9056 Autographa gamma 2
9370 Helicoverpa armigera 1
9505 Phlogophora meticulosa 5
9562 Tiliacea citrago 1
9600 Conistra vaccinii 1
10096 Noctua pronuba 10
10100 Noctua fimbriata 1
10212 Xestia xanthographa 2
10346 Agrotis ipsilon 10
10351 Agrotis segetum 1


10238 Peridroma saucia 1 (Nachtrag! siehe Kommentare)

Darstellung ausgewählter Flügelreste von der Höhlenwand

Auffallend ist die offensichtliche „Vorliebe“ für die körperlich größeren Eulenfalterarten (P. meticulosa, N. pronuba und A. ipsilon). KÄSTNER (2014/15) zitiert mehrere andere Untersuchungen, bei denen festgestellt worden ist, dass Langohr-Fledermäuse bevorzugt Eulenfalter als Nahrung jagen. Wer zufällig oder im Rahmen von Schutzbemühungen die Gelegenheit hat, Fledermausquartiere und Fraßplätze zu besuchen, der sollte unbedingt auc mal einen Blick auf ihre „Hinterlassenschaften“ werfen.


Literatur

KÄSTNER, T.: Nachweise von Schmetterlingen (Lepidoptera) an zwei Langohr-Fraßplätzen (Mammalia: Chiroptera: Plecotus). Sächsische Entomologische Zeitschrift 8 (2014/2015): 230-234.

Ganz herzlich möchte ich mich bei Irina Würtele (Osnabrück) für ihre Kommentare und Anregungen bedanken!

 

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Peter Fasel * 11. März 1954 – † 19. September 2025

Nachruf auf Peter Fasel, den langjährigen wissenschaftlichen Leiter der Biologischen Station Siegen-Wittgenstein

Peter Fasel, 2009 (Foto: Michael Frede)

Peter Fasel, 2009 (Foto: Michael Frede)

Am 19. September 2025 ist Peter Fasel im Alter von 71 Jahren in Bad Marienberg nach langer Krankheit friedlich eingeschlafen. Vielen Menschen aus Siegen-Wittgenstein, aber auch darüber hinaus, war und ist Peter Fasel v. a. als ausgesprochen fachkundiger, engagierter Naturschützer bekannt, dessen besonderes Interesse der Botanik und Vegetationskunde sowie der extensiven Land- und Forstwirtschaft und Schmetterlingen galt.

Peter Fasel wurde am 11.03.1954 im Westerwälder Hundsangen geboren und verbrachte  dort seine Kindheit und Jugend. Später studierte er in Darmstadt Biologie und war zwischenzeitlich als Gutachter tätig. Zwischen 1985 und 1991 war Peter Fasel als Mitarbeiter der Unteren Landschaftsbehörde des Kreises Siegen-Wittgenstein beschäftigt. 1991 wechselte er zur Biologischen Station Rothaargebirge. Diese war im Jahr zuvor als Bindeglied zwischen amtlichem und ehrenamtlichem Naturschutz und der Landwirtschaft gegründet worden. Peter Fasel wurde die wissenschaftliche Leitung der Biologischen Station übertragen, die er 28 Jahre lang bis 2018 ausübte.

War Peter Fasel bereits als ausgesprochen fachkundiger Mitarbeiter im amtlichen Naturschutz am Kreis Siegen-Wittgenstein sehr bekannt und geschätzt, so weitete sich sein Bekanntheitsgrad in der heimischen Bevölkerung sowie bei weiteren hauptamtlichen Naturschutzbehörden und bei den heimischen Naturschutzverbänden spätestens durch seine Arbeit an der Biologischen Station Rothaargebirge (die 2008 in Biologische Station Siegen-Wittgenstein umbenannt wurde) deutlich aus. Sowohl von der Unteren Naturschutzbehörde Siegen-Wittgenstein und ihren Fachkollegien in den Nachbarkreisen über die Bezirksregierung Arnsberg, die nordrhein-westfälischen Landesumweltämter in Recklinghausen bis hin zu den Landesumweltministerien Nordrhein-Westfalens, suchten im Laufe der Zeit alle den fachkundigen Rat und Expertisen bei Peter Fasel. Aber auch in der heimischen Land- und Forstwirtschaft bis hin zur Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen sowie in den Heimatvereinen etc., hatte Peter Fasel, der von Kindesbeinen an in der Landwirtschaft aufgewachsen war, ausgesprochen viele Ansprechpartner, die sein breit gestreutes Fachwissen in diesen Sektoren einzuschätzen wussten und anerkannten. Nicht zuletzt standen auch andere Biologische Stationen bis hin zum Dachverband der Biologischen Stationen NRW im regelmäßigen fachlichen Kontakt mit ihm. Aber Peter Fasel nahm natürlich seinerseits viele Fachinformationen seiner Gesprächspartner in seinen Wissensfundus auf, um auch diese zum Wohle der Natur an geeigneter Stelle anwenden und weitergeben zu können.

Zu den Meilensteinen in Peter Fasels Laufbahn als wissenschaftlicher Leiter der Biologischen Station gehört u.a. der ausgesprochen erfolgreiche Beginn des Vertragsnaturschutzes Anfang der 1990er Jahre, der unter fachlicher Expertise auch weiterer wissenschaftlicher MitarbeiterInnen bis zur Gegenwart intensiviert wurde und mittlerweile Hunderte heimischer Landwirte und Landwirtinnen auf über 2000 ha artenreicher Grünlandflächen in Siegen-Wittgenstein umfasst. Aber auch sehr viel naturschutzfachliches Sachverständnis und Erfahrung neben sehr vielen botanischen und zoologischen Daten von Peter Fasel flossen im Vorfeld in die 2001 erfolgte Ausweisung des 4660 ha großen Vogelschutzgebietes „Wälder und Wiesen bei Burbach und Neunkirchen“ ein. Aus seinen vielen Fachbeiträgen sticht das Werk „Die Farn- und Blütenpflanzen Wittgensteins“ besonders hervor. Diese mit großer Arten- und Gebietskenntnis sowie außerordentlichem Fleiß erstellte Flora, verfasste er zusammen mit den Co-Autoren Albrecht Belz und Anna Peter. Nach dessen Veröffentlichung 1992 war das Buch bereits innerhalb kürzester Zeit vergriffen.

Peter Fasel suchte vorbehaltlos das Gespräch mit Menschen. Jeder der mit Peter Fasel kommunizierte, traf auf einen äußerst eloquenten, großzügigen, humorvollen Menschen, der aber bei Erfordernis seine naturschutzfachlichen Standpunkte auch energisch zu vertreten wusste und sich darüber hinaus zu vielen anderen Themen äußern konnte. Oft musste man sich schmunzelnd ein wenig Zeit nehmen, damit man nach seinen meist wortreichen Ausführungen die Gelegenheit bekam, darauf zu antworten. Vielen heimischen Menschen werden auch die von ihm geführten, legendären Wanderungen u. a. in das Naturschutzgebiet „Gernsdorfer Weidekämpe“ und auf die Trupbacher Heide in Erinnerung bleiben. Diese Veranstaltungen umfassten manchmal über Hundert TeilnehmerInnen, da Peter Fasel möglichst immer auf eine Voranmeldung verzichten wollte, um allen Interessierten die Teilnahme an seinen Wanderungen zu ermöglichen.

Leider ist es nicht möglich, sämtliche Fähigkeiten und Erlebnisse von und mit Peter Fasel in diesem Beitrag zu würdigen. Sie würden ein seitenstarkes Buch füllen. Aber sein naturschutzfachlich außerordentlich wichtiges Vermächtnis wird allen seinen Wegbegleitern und Bekannten in guter Erinnerung bleiben. Er hinterlässt einen großen, naturschutzfachlichen Fußabdruck.

Die wissenschaftlichen MitarbeiterInnen der Biologischen Station Siegen-Wittgenstein sowie der Vorstand und die Mitglieder des „Vereins zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen Naturschutz und Landwirtschaft im Kreis Siegen-Wittgenstein e. V.“ trauern um Peter Fasel und werden sein Andenken in Ehren halten.


Den Nachruf auf unser langjährigen engagiertes Mitglieds Peter Fasel haben wir von den Seiten der Biologischen Station Siegen-Wittgenstein übernommen. 

Danke an Michael Frede für Text und Foto!

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Die Grasminiermotte Elachista gangabella Zeller, 1850 – eine vielfach übersehene Art?

Die Raupen der Grasminiermotte Elachista gangabella sind aktuell auf sehr einfache Art und Weise zu finden, wenn man einen Blick auf die Blätter der Wald-Zwenke (Brachypodium sylvaticum) wirft.

In deren Blättern miniert die Raupe und „formt“ eine Mine, die im Frühherbst eigentlich unverwechselbar ist.  Die Mine beginnt in der Regel in der Hälfte des Blattes und frisst in Richtung Blattspitze in einem zunächst sehr schmalen Gang.
Sobald die Spitze oder deren Nähe erreicht ist, kehrt die Raupe um und frisst in Richtung Stängel. Die Mine erscheint aktuell durchsichtig, die Ränder sind stark ausgezackt.

Mine und Raupe von Elachista gangabella (Foto: Dieter Robrecht)

In der Literatur werden als Wirtspflanze die Wald-Zwenke (Brachypodium sylvaticum), Fiederzwenke (Brachypodium pinnatum), das Gewöhnliches Knaulgras (Dactylis glomerata) und das Nickende Perlgras (Melica nutans) genannt (KAILA, 2019). STEUER (1973) schrieb, dass die Wald-Zwenke die Hauptnahrungspflanze sei. Ich fand die Raupen ebenfalls an Wald-Zwenke, nur eine Raupe an Perlgras.

Typischer Fundort von Elachista gangabella an einem Waldweg. Lichtenau-Herbram, 29. August 2025 (Foto: Dieter Robrecht)

Zum Standortanspruch der Wald-Zwenke ist im Internetportal www.floraweb.de zu lesen: „Frische bis feuchte Laubmischwälder, Waldschläge, an Waldwegen, Waldränder, Hecken, basenhold, nährstoffanspruchsvoll.“ Meine Funde gelangen in Ostwestfalen an vielen Stellen, allerdings stets an Waldrändern und den Rändern von Waldwegen, vorrangig auf kalkhaltigem Untergrund.

Typischer Fundort von Elachista gangabella 12. September 2025 (Foto: Dieter Robrecht)

Die Minen von Elachista gangabella sind auffällig und zum Teil gehäuft zu finden. 19. September 2025 (Foto: Dieter Robrecht)

Die Minen Raupen waren nur im Halbschatten zu finden, in der prallen Sonne fand ich nie. An den Standorten minierten jeweils etliche Raupen, teils über 100 auf kleinem Raum!
Die Raupen sind im Spätherbst erwachsen und überwintern im Blatt, indem sie sich durch ein leichtes Gespinst schützen. Im Frühjahr verlassen die Raupen die Mine, ohne erneut zu fressen, und verpuppen sich an einem Blatt oder Stängel. Die Falter fliegen von Mitte Mai bis Anfang Juli in einer Generation.

Elachista gangabella ZELLER, 1850. Foto: Dieter Robrecht

Elachista gangabella ZELLER, 1850. Foto: Dieter Robrecht

BIESENBAUM (1995) hatte noch geschrieben „Nur an wenigen Stellen nachgewiesen“. Im Vorwort der Lepidopterenfauna Band 4 wies er darauf hin, dass nur wenig über die Verbreitung der Elachistinae in unserem Arbeitsgebiet bekannt ist.

Wer suchet, der findet! Nachweiskarte von E. gangabella, Stand 23. September 2025.
Alle Nachweise: Dieter Robrecht

An meinen oben beschriebenen Fundorten hätte ich wahrscheinlich niemals Lichtfang betrieben oder in den Abendstunden nach den Faltern gekeschert. Meine intensive Suche in den vergangenen drei Wochen zeigt jedoch, dass gerade die Raupen-  und Minensuche zu erstaunlichen Ergebnissen führen kann.


Nachtrag und Aufruf zur Mitarbeit:
Gemeinsam mit Wolfgang Wittland arbeite ich derzeit am Band 22 im Rahmen der Schriftenreihe „Die Lepidopterenfauna der Rheinlande und Westfalens“. Wir verfolgen das Ziel, den Band im Herbst 2026 fertig zu stellen.

In unserem Arbeitsgebiet wurden bislang 60 Arten nachgewiesen.  Wir werden jedoch  81 Arten behandeln und Falter (lebend und gespannt), männliche Genitalien, teilweise Minen und Raupen sowie Habitat Fotos abbilden. Wir gehen davon aus, dass bei intensiver Beschäftigung mit den Elachistidae weitere Nachweise für unser Arbeitsgebiet erfolgen können. Wer seine Liebe nicht zu dieser faszinierenden Familie entdeckt, da die Bestimmung der Falter oftmals eine Genitaluntersuchung erfordert, kann zumindest durch die Raupensuche die Kenntnis über die Verbreitung erweitern:


Literatur und Links:

Kaila, L. (2019): An annotated catalogue of Elachistinae of the World (Lepidoptera: Gelechioidea: Elachistidae). — Zootaxa 4632 (1): 1-231.

Biesenbaum, W. (1995): Die Lepidopterenfauna der Rheinlande und Westfalens, Band 4. Familie: Elachistidae Bruand, 1850. Unterfamilie: Elachistinae Swinhoe & Cotes, 1889. 200 S. und 10 Tafeln. Leverkusen.

Steuer, H. (1973): Beiträge zur Kenntnis der Elachistiden (Lepidoptera) Teil I. — Deutsche Entomologische Zeitschrift, Neue Folge 20 (1-3): 153-169

Elachista gangabella im Lepiforum

Nachweiskarte von Elachista gangabella im Melanargia-Portal

Wald-Zwenke (Brachypodium sylvaticum) bei Floraweb.de

Tabelle: Vergleich Wald-Zwenke / Fiederzwenke 

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Die Reingraue Staubeule (Caradrina gilva) in der zweiten Generation

In diesem Jahr ist es mal wieder soweit: Die Reingraue Staubeule (Caradrina gilva) zeigt sich in einer zweiten, partiellen Generation.

Auf meinem Balkon in der Innenstadt von Wuppertal-Barmen kam am 20. September ein erster frischer Falter ans Licht.

Seit dem erstmaligen Auftreten der Frühlings-/Frühsommergeneration hier im Jahr 2013 gab es alle paar Jahre mal wieder vereinzelte Falter einer Herbstgeneration. So zum Beispiel in den Jahren 2018 und 2021, siehe auch https://portal.melanargia.de/Lepi/EvidenceMap.aspx?Id=447280.

In der Literatur wird die Art bisher als univoltin bezeichnet. So berichten STEINER et al. (2014) für Deutschland über Flugzeiten im Juni/Juli und BACHELARD et al. (2007) sogar für Frankreich nur von einer Flugzeit zwischen Juni und August. Im Lepiforum findet sich daneben aber ein Bericht über den Nachweis  eines Falters Ende Oktober in der Region Hannover, der einer zweiten Generation zugeordnet wird.

Nachweise von Caradrina gilva in Nordrhein-Westfalen, mit Pfeil auf den Fundort in Wuppertal, Stand 21. September 2025, Quelle: portal.melanargia.de

Wahrscheinlich ist das Erscheinen frischer Falter im September/Oktober den Besonderheiten innerstädtischer Lebensräume geschuldet.
Fazit: Es lohnt sich allemal, auch mitten in den Großstädten das ganze Jahr über Lichtfang zu betreiben!

Literatur und Links

Nachweise und Statistik von Caradrina gilva auf observation:
https://observation.org/species/534762/statistics/ 

Bachelard, P., Bérard, R., Colomb, C., Demerges, D., Doux, Y., Fournier, F., Gibeaux, C., Maechler, J. Robineau, R., Schmit, P. & Tautel, C. (2007): Guide des papillons nocturnes de France. Plus de 1620 espèces décrites et illustrées. – Paris, Delachaux et Niestlé, 288 S. 55 Farbtafeln

Steiner, A., Ratzel, U., Top-Jensen, M. &  Fibiger, M. (2014): Die Nachtfalter Deutschlands. Ein Feldführer. – 878 S., BugBook Publishing (Oestermarie, Dänemark)

 

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Der Rote Ampfer-Glasflügler erstmals im Ruhrgebiet

Beobachtungen und Fotos von Menschen, die eigentlich gar nicht viel mit Schmetterlingen zu tun haben, sind in den zurückliegenden Jahren zu einer unverzichtbaren Informationsquelle für Falterforscher aller Art geworden.

So liefern die Schwebfliegenkenner, Käfersammler und Wildbienenfreunde und sogar die Botaniker immer wieder schöne und interessante Bilder und Beobachtungen von Arten, die normalerweise „unter dem Radar“ durchfliegen.

Abbildung 1: Pyropteron chrysidiformis an Origanum vulgare.  Landschaftspark Duisburg, 23. Juni 2025 (Foto: Thorsten Pietsch)

Der Rote Ampfer-Glasflügler Pyropteron chrysidiformis ist so eine Art, die von den Tagfalterbeobachtern gerne übersehen wird,. Und die beim Licht- und Köderfang erst recht – weil tagaktiv – nicht zu erwischen ist. Die Art hat ihr Areal in den zurückliegenden Jahren über die Weinbergslagen im Mittelrhein- und Ahrtal hinaus nach Norden erweitert. Darüber hatte Jörg Siemers hier schon 2023 berichtet[1], bisher lag die Nachweisgrenze  nordwestlich von Köln.

Im Hitzesommer 2025 ist P. chrysidiformis erstmals nördlich der Ruhrmündung beobachtet worden: Im Landschaftspark Nord in Duisburg-Meiderich fotografierte der Käferkundler Thorsten Pietsch einen Falter beim Blütenbesuch. Der Kollege drückte genau in dem Moment auf den Auslöser, als der Falter mit ausgefahrenem Rüssel in den Röhrenblüten von Oregano (Origanum vulgare) nach Nektar suchte. Und so haben wir jetzt einen neuen, vorgeschobenen Verbreitungspunkt im Niederrheinischen Tiefland, und eine Vorstellung, wo sich die Falter ihren Proviant holen.

Roter Stern: Neuer Fundort des Roten Ampfer-Glasflüglers im MTB 4506/2 Duisburg. Quelle: https://portal.melanargia.de/Lepi/EvidenceMap.aspx?Id=440043

Bei der Ausdehnung der trockenen Brachflächen im Ruhrgebiet und der Raupennahrungspflanze (z.B. Stumpfblättriger AmpferRumex obtusifolius) wird der Falterfund mit einiger Sicherheit nicht alleine stehenbleiben. Industriebrachen und alte Gleisanlagen mit entsprechendem Bewuchs sind im Ruhrgebiet reichlich vorhanden. Und mittlerweile gibt es ja im „Pott“ auch schon einige größere Weinberge, z.B. an der Emscher, in Herne, Castrop-Rauxel und Dortmund [2].  Mit weiteren Funden im Ruhrgebiet oder noch weiter nördlich ist also unbedingt zu rechnen.

Für das aktuelle Jahr 2025 ist die Flugzeit noch nicht ganz vorbei, P. chrysidiformis fliegt von Anfang Mai bis in den August. Der Nachweis kann wie oben beschrieben über die Suche an Blüten erfolgen, die Männchen des Roten Ampfer-Glasflüglers fliegen zudem an das Pheromon für den Apfelbaum-Glasflügler (S. myopaeformis, Wageningen-Präparat SYMY) an.

Danke an Thorsten Pietsch für die Bereitstellung des Fotos, die Originalbeobachtung findet sich auf observation.org unter https://observation.org/observation/358438084/.


Links

[1] https://www.ag-rh-w-lepidopterologen.de/2023/06/02/noch-ein-klimawandel-gewinner-der-rote-ampfer-glasfluegler-auf-dem-vormarsch/

[2] https://www.ruhrnachrichten.de/castrop-rauxel/weinanbau-an-der-emscher-6700-reben-auf-groesstem-weinberg-der-region-in-castrop-rauxel-w928679-2001348006/

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Spinner, Spannereulen und das Düsseldorfer Loch

Ringelspinner-Raupe. Detzem/Mosel 26. Mai 2024, Foto: Armin Radtke

Schmetterlingstechnisch hat die Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen einen schlechten Ruf: Etliche Tag- und Nachtfalter machen einen weiten Bogen um Düsseldorf. Es gibt jedoch auch Arten die hier aktuell ihren Schwerpunkt haben.

Die Feldsaison 2025 ist voll im Gange, und wie jedes Jahr füllen sich E-Mail-Postfächer, Messenger, Chats und Datenbanken mit Beobachtungen häufiger und seltener Falter. Aktuell haben wir über die Vorkommen von vielen Arten ziemlich gute Vorstellungen, alleine durch die schiere Masse an Beobachtungen, die über die verschiedenen Online-Plattformen gemeldet werden. Dabei fällt immer wieder ein Phänomen auf, dass wir intern als das „Düsseldorfer Loch“ bezeichnen – eine Lücke in der Verbreitung mancher (Nacht-)Falter, für die wir bislang keine rechte Erklärung haben.

Ein Beispiel ist der Ringelspinner Malacosoma neustria, in früheren Zeiten anscheinend ein Massentier, das in Obstgärten starke Fraßschäden verursachte. Die Raupen marodieren vor allem an Prunus-Arten (Rosengewächse: Kirschen, Pflaumen usw.), STAMM (1981) schreibt zum Vorkommen von M. neustria lapidar: „Überall“.

Abbildung 1: Nachweise von Malacosoma neustria (2010-2025) rund um das „Düsseldorfer Loch“. Quelle: Observation.org, Stichting Observation International und lokale Partner

Aktuell fehlt der Ringelspinner in einem breiten Streifen vom Niederrhein bis ins Sauerland, und das bei hoher Beobachterdichte in der Region. Rundherum kommt die Art vor, in Holland, Belgien, Rheinland-Pfalz, und auch nördlich des Ruhrgebietes. Weiterlesen

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Mosel-Apollofalter: Aussterben durch lebensraumtypisches Risiko?

Recht haben und Recht bekommen sind bekanntlich zweierlei Dinge. Der Eilantrag gegen die zum x-ten Mal verlängerte Ausnahmegenehmigung der Hubschrauberspritzung an der Mosel ist erst einmal durch das Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Hauptsacheverfahren ist jedoch bisher nicht entschieden. Derweil geht das Faltersterben weiter.

Liebe Freundinnen und Freunde des Apollofalters,
wie Ihr wisst, haben die Deutsche Umwelthilfe und unser Verein zusammen im Dezember 2024 beim Verwaltungsgericht Koblenz Klage gegen die Ausnahmegenehmigung für das Versprühen von Fungiziden mit Luftfahrzeugen (Hubschrauber und Drohne) eingereicht. Diese Klage betrifft die Genehmigungen aus dem Jahr 2024. Anfang Mai wurden wieder Bescheide mit geändertem – aber ähnlichem Inhalt – erteilt, die auch sofort umgesetzt wurden. Gegen diese Genehmigungen hat die Deutsche Umwelthilfe versucht per Eilantrag vorzugehen. Der Antrag wurde vergangene Woche durch das Verwaltungsgericht abgelehnt. Den genauen Wortlaut des lesenswerten Beschlusses (auf der Seite der Pressemitteilung verlinkt) findet Ihr hier:
https://vgko.justiz.rlp.de/presse-aktuelles/pressemitteilungen/detail/apollofalter-eilantrag-gegen-hubschrauberspritzungen-an-der-mosel-erfolglos

Im Wesentlichen lautet die Begründung in der Pressemitteilung:

„Die pflanzenschutzrechtliche Genehmigung zur Ausbringung bestimmter Fungizide mittels Hubschrauber erweise sich nach der im Eilverfahren angezeigten summarischen Prüfung anhand der vorgelegten Unterlagen als rechtmäßig, so die Koblenzer Richter. Der Genehmigung stünden die von der Antragstellerin aufgezeigten naturschutzrechtlichen Vorschriften nicht entgegen. Es fehle an gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen dazu, ob die Ausbringung der von der Genehmigung erfassten Pflanzenschutzmittel mit Hubschraubern schädliche Auswirkungen auf den Erhaltungszustand des Mosel-Apollofalters habe. Hingegen hätte nach derzeitigem Erkenntnisstand eine im Eilverfahren stattgebende Entscheidung zwangsläufig negative Folgen für den Erhalt der Habitate des Apollo-Falters. Ohne die luftgestützte Anwendung von Fungiziden könnten die Rebflächen nicht ökonomisch bewirtschaftet werden, was aller Voraussicht nach zu einer Aufgabe des Weinbaus in diesen Lagen führe. Nicht bewirtschaftete Rebflächen würden innerhalb kürzester Zeit verbuschen und seien damit als Habitate für den Mosel-Apollofalter ungeeignet. Der Verlust von geeigneten Habitaten sei eine zentrale Ursache der negativen Bestandsentwicklung des Mosel-Apollofalters.“

Es gibt sie noch, Apollofalter an der Mosel 2025. Sind das die „Letzten Mohikaner“? (Foto: Tim Laussmann)

Das Gericht folgt somit vollständig der Argumentation des Landes Rheinland-Pfalz. Dies ist für uns eine ziemlich schlechte Nachricht, denn diese Entscheidung wird sicher auch auf das Hauptsacheverfahren, also die Klage gegen die Genehmigungen aus dem Jahr 2024, Auswirkungen haben.

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Melanargia e.V. – Mitgliederversammlung 2025 in Eitorf

Die gute Nachricht vorab: Der Verein wächst, die Mitgliederzahl steigt, es kommen Jüngere hinzu, die Kasse ist gut gefüllt. Die 2025-er Mitgliederversammlung in Eitorf war perfekt organisiert und gut besucht. Weniger schön: Den Schmetterlingen geht es eher schlecht!

Die Hauptversammlung der Arbeitsgemeinschaft fand am letzten März-Samstag 2025 in den Räumen der Biostation in Eitorf an der Sieg statt. Am Vormittag waren die Vereinsformalien an der Reihe, nachmittags gab es Vorträge, am Abend dann Lichtfang an den Sieghängen, dazu noch Hin- und Rückreise: Der Tag hielt für etliche Teilnehmer 14 und mehr Stunden dicht gepacktes Programm bereit. Die Corona-Epidemie hatte in den vergangene Jahren für allerlei Durcheinander bei den Terminen gesorgt, aber jetzt sind wir wieder im „normalen“ Rhythmus, mit der Mitgliederversammlung im zeitigen Frühjahr.

Ohne Informatik geht heutzutage nichts mehr: Data Warehouse für Schmetterlinge, professionell präsentiert von Brigitte Schmälter. (Foto: A. Dahl)

Geschäftsbericht, Kassenstand, Kleine Satzungsanpassungen, EDV und Datenbank, Verschiedenes: Was den Zustand des Vereins betrifft kann man sagen: Wir sind auf gutem Weg. Eine Rekordzahl von mehr als 330 Mitgliedern, dazu eine gute Mischung aus Alt und Jung im Vorstand, das sieht in anderen entomologischen Vereinen deutlich anders aus.  Um den Verein mit dem sperrigen Namen nach außen sichtbarer zu machen, bekommt die Arbeitsgemeinschaft einen – einstimmig beschlossenen – Namenszusatz: „Melanargia – Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen e. V.“ – kurz: Melanargia e.V.
Damit rückt der Verein 95 Jahre nach der Gründung ein wenig von dem Buchstabensalat der ehemaligen preußischen Provinzen Rheinland und Westfalen ab. Auf der Webseite und auch im Titel der Vereinszeitschrift war das ja schon seit vielen Jahren gelebte Praxis.

Wichtigstes Thema der Versammlung war aber mit Sicherheit der Kampf des Vereins für den Erhalt des Mosel-Apollofalters und seiner Lebensräume. Tim Laußmann berichtete über den aktuellen Stand des Verfahrens gegen die Genehmigungspraxis bei der Hubschrauberspritzung, das wir zusammen mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH) führen. Allgemeines Kopfschütteln gab es für die Vorstellungen, man könne die Vorkommen im Tal und die Giftspritzerei in den Weinbergen dadurch „entflechten“, dass man den Falter in die Nebentäler umsiedelt.

À propos Gift: Früher verschwanden die Amtsgeheimnisse, die man der Bevölkerung nicht zumuten wollte, einfach in den sogenannten „Giftschränken“ der Behörden. Heute kommt man an mit Steuergeldern finanzierte Studien und Gutachten heran, mit Hilfe des Landestransparenzgesetzes. Neue Untersuchungen in den Weinbergen belegen die toxischen Verhältnisse in den vom Hubschrauber gespritzten Lagen der Terassenmosel. Die Giftkonzentrationen in den untersuchten Sedum-Pflanzen sind offenbar ausgerechnet im zeitigen Frühjahr am höchsten, dann wenn die Raupen des Moselapollos ausschlüpfen und anfangen vom Mauerpfeffer zu fressen. Dass der Apollofalter nur durch die Tätigkeit der Winzer überlebt, ist und bleibt ein Ammenmärchen.

Gruppenbild mit Damen: In der Mittagspause blinzelten die Teilnehmer der Mitgliederversammlung in die Märzsonne. (Foto: Dahl)

Neues rund um den Mosel-Apollo und seine Lebensräume berichtete Daniel Müller. Auch größere Maßnahmen gegen Verbuschung täuschen nicht darüber hinweg, dass die Individuenzahlen der letzten Populationen an der Mosel steil nach unten zeigen. Weiterlesen

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Internationale Fachtagung: Blauschillernder Feuerfalter, Klimawandel und Naturschutz

Das Team des LIFE-Projektes „Patches & Corridors – Entwicklung eines Habitatnetzwerkes für den Blauschillernden Feuerfalter“ – richtet am 22. und 23. Mai 2025 eine internationale Fachtagung mit dem Titel „Blauschillernder Feuerfalter, Klimawandel und Naturschutz“ aus.

Im Jahr 2017 startete die Biologische Station StädteRegion Aachen e.V. mit der Umsetzung des EU geförderten LIFE Projektes „Patches & Corridors“ – Habitatnetzwerk für den Blauschillernden Feuerfalter. Ziel war es, Habitate der europaweit gefährdeten Schmetterlingsart in der Nordeifel zu sichern, zu entwickeln und miteinander zu vernetzen.

Seitdem ist in der Projektkulisse rund um Monschau und Simmerath zu Gunsten der Natur einiges passiert. Gleichzeitig war die Zeit global geprägt von Klimaextremen, die an den etablierten Leitbildvorstellungen des Naturschutzes kratzen. Frost- und schneearme Winter, Rekordtemperaturen und Spätfröste im Frühling, trocken-heiße Sommer in Kombination mit Starkregenereignissen, Fichtensterben und die daraus resultierenden forstpolitischen Perspektiven zwingen den Naturschutz, neue Ideen im Biotop- und Artenschutz zu entwickeln.

Die Vorträge der Fachtagung thematisieren das Vorkommen von Lycaena helle in unterschiedlichen Regionen Europas sowie Perspektiven des Schmetterlingsschutzes vor dem Hintergrund des Klimawandels. Die Veranstaltung soll Lepidopterologen und Naturschützer zusammenbringen, um ihre Erfahrungen und Ideen zu althergebrachten Praktiken und Leitbildern des Biotop- und Artenschutzes auszutauschen und zu überdenken. Zwei Exkursionen führen zu typischen Habitaten des Blauschillernden Feuerfalters an Perlenbach und Rur.

Wann und wo?

22. & 23. Mai 2025
Aukloster
Austraße 7

52156 Monschau

Eine virtuelle Teilnahme ist möglich. Über einen Dolmetscher werden die Vorträge simultan übersetzt (deutsch-englisch).

Wenn Sie an der Fachtagung teilnehmen möchten, melden Sie sich bitte bis zum 28.03.2025 per Email (info@bs-aachen.de) mit folgenden Angaben an:

– Name, Vorname, Anschrift
– Teilnahme an beiden Tagen / nur am 22. oder 23.05.2025
– Teilnahme hybrid oder in Präsenz

>> Zum Programm der Tagung

>> Alle Termine

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Arbeitsgemeinschaft und DUH klagen gegen Hubschrauberspritzung an der Mosel

Der Erhalt des Mosel-Apollofalters ist für die Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen e.V. sehr wichtig. Nun haben wir zusammen mit der Deutsche Umwelthilfe (DUH)  vor dem Verwaltungsgericht Koblenz Klage gegen die Ausnahmegenehmigung für die Hubschrauberspritzung von Pestiziden in Rheinland-Pfalz eingereicht.

Liebe Vereinsmitglieder, liebe Freundinnen und Freunde des Mosel-Apollofalters,

wie bereits auf unserer Internetseite mehrfach berichtet, steht die dramatisch negative Bestandsentwicklung des Mosel-Apollofalters nach unserer Ansicht in Zusammenhang mit dem Versprühen einer Vielzahl von Pflanzenschutzmitteln aus der Luft im unmittelbaren Umfeld der felsigen Lebensräume des Schmetterlings. Die Spritzungen finden zwischen Mai und August alle 8 bis 10 Tage statt.

Zusammen mit der aktuellen Ausgabe der „Melanargia“ haben wir im vergangenen Jahr einen Spendenaufruf versendet. Am 13. Dezember 2024 haben wir nun, zusammen mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH), beim Verwaltungsgericht Koblenz eine umfangreiche Klageschrift gegen die durch das Land Rheinland-Pfalz erteilten Ausnahmegenehmigungen für die Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln per Luftfahrzeug – zurzeit im Regelfall Hubschrauber – eingereicht. Gleichzeitig geht die DUH mit unserer fachlichen Begleitung auf Bundesebene gegen die Genehmigung der Mittel für die Anwendung aus der Luft vor.

Die Entscheidung zur Klage ist uns nicht leichtgefallen, und bedeutet für unseren Verein mit 330 Mitgliedern eine große Kraftanstrengung und finanzielle Belastung. An dieser Stelle sprechen wir den zahlreichen Spenderinnen und Spendern unseren herzlichen Dank aus! Weitere Spenden sind selbstverständlich jederzeit willkommen (Stichwort: Artenvielfalt).

Darüber hinaus sind wir sehr froh, dass die DUH uns als starker Partner zur Seite steht. Vorausgegangen waren mehr als zwei Jahre, in denen wir uns intensiv mit einer Vielzahl von Schreiben an Bundes- und Landesbehörden sowie an Ministerien für eine Einschränkung der Hubschrauberspritzungen eingesetzt haben. Die Diskussion lief weitgehend zwischen uns und den zuständigen Behörden sowie Vertretern des Weinbaus (Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau, Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum) ab, kam jedoch Ende 2023 an die Öffentlichkeit, als den Winzerinnen und Winzern mögliche Einschränkungen bei der Hubschrauberspritzung bekannt gegeben wurden. Die daraufhin in den Medien öffentlich geführte Debatte wurde leider auf einen Konflikt zwischen Winzern und Naturschützern reduziert, obwohl es nie unsere Absicht war, den Weinbau in Frage zu stellen.

Dabei ist die Gemengelage ausgesprochen kompliziert: Während sich das Umweltbundesamt und das Bundesamt für Naturschutz klar gegen die Fortsetzung der Hubschrauberspritzungen positionierten, wurde durch die lokalen Behörden dennoch entschieden, die Spritzungen – mit einer in den „Apollogebieten“ seit dem Jahr 2024 eingeschränkten Auswahl an Chemikalien – fortzuführen. Gleichzeitig wird Geld investiert, um den Mosel-Apollofalter und die Rebflächen zu „entflechten“: Ehemalige Lebensräume in den Nebentälern der Mosel sollen wiederhergestellt werden und der Apollofalter soll dort angesiedelt werden. Derartige Umsiedlungsprojekte müssen nicht unbedingt erfolgreich sein, auch wenn sie sicherlich gut gemeint sind. Die Logik, weshalb der Weinbau und der Apollofalter nicht mehr zueinander passen, obwohl die im Pflanzenschutz verwendeten Stoffe doch angeblich unschädlich sein sollen, hat sich uns letzten Endes nicht erschlossen. Unser Vorschlag, das Naturschutzgebiet Brauselay durch eine EU-geförderte Maßnahme unter Einbeziehung der lokalen Winzer für den Erhalt des Apollofalters qualitativ aufzuwerten, stieß allenfalls auf halbherzige Gegenliebe.

Bei den Gesprächen mit den Behörden vor Ort ist uns klar geworden, dass eine grundsätzliche Meinungsverschiedenheit in der Auslegung der Naturschutzgesetzgebung besteht. Von einem durch die Behördenvertreter propagierten „Schulterschluss“ von Landwirtschaft und Naturschutz kann keine Rede sein. Gleichzeitig wurde uns deutlich gemacht, wie sehr der Weinbau von dem Chemikalieneinsatz abhängig ist. Die Formel lautet: Ohne intensiven Einsatz von Pflanzenschutzmittel gibt es keinen Wein – dies ist bei Monokulturen wenig überraschend. Wir haben verstanden, dass der Weinbau auf Grund zunehmender Resistenzen und invasiver Schädlinge in einer schwierigen Lage steckt. Die Auswahl der Pflanzenschutzmittel ist zunehmend eingeschränkt. Innovative Konzepte beim Pflanzenschutz fehlen und somit wird an den Pflanzenschutzkonzepten aus den 1970er Jahren festgehalten.

Als durch das Umweltbundesamt anerkannte Umweltvereinigung fokussieren wir uns auf den Erhalt der Natur und der eindrucksvollen Artenvielfalt an der Mosel. Auch das ist ein wichtiges Kapital der Moselregion, und sollte als touristischer Wirtschaftsfaktor mehr Wertschätzung erfahren. Wir würden uns eine personelle und finanzielle Stärkung des behördlichen Naturschutzes in Rheinland-Pfalz wünschen.

Ziel der Klage ist es, den Mosel-Apollofalter an seinen natürlichen Standorten vor dem Aussterben zu bewahren. Wir hoffen auf eine eingehende verwaltungsrechtliche Überprüfung der Ausnahmegenehmigungen für den Pflanzenschutzmitteleinsatz aus der Luft mit Hubschraubern und Drohnen. Hierdurch wird Rechtssicherheit für alle Beteiligten geschaffen, welche in ein umweltverträglicheres Konzept beim Pflanzen- und Insektenschutz münden kann und somit dauerhaft eine nachhaltige und rentable Nutzung der Rebflächen ermöglicht wird.

Herzliche Grüße und besten Dank an alle die unser Anliegen unterstützen!
Dr. Tim Laußmann
Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen e.V.

Pressemitteilung und Hintergrundpapier

>> Drohende Ausrottung des Mosel-Apollofalters: Deutsche Umwelthilfe und Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen reichen Klage gegen Pestizideinsatz in Rheinland-Pfalz ein.

>> Hintergrundpapier zur Klage gegen die Anwendung von Pestiziden mit Luftfahrzeugen

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