Spinner, Spannereulen und das Düsseldorfer Loch

Ringelspinner-Raupe. Detzem/Mosel 26. Mai 2024, Foto: Armin Radtke

Schmetterlingstechnisch hat die Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen einen schlechten Ruf: Etliche Tag- und Nachtfalter machen einen weiten Bogen um Düsseldorf. Es gibt jedoch auch Arten die hier aktuell ihren Schwerpunkt haben.

Die Feldsaison 2025 ist voll im Gange, und wie jedes Jahr füllen sich E-Mail-Postfächer, Messenger, Chats und Datenbanken mit Beobachtungen häufiger und seltener Falter. Aktuell haben wir über die Vorkommen von vielen Arten ziemlich gute Vorstellungen, alleine durch die schiere Masse an Beobachtungen, die über die verschiedenen Online-Plattformen gemeldet werden. Dabei fällt immer wieder ein Phänomen auf, dass wir intern als das „Düsseldorfer Loch“ bezeichnen – eine Lücke in der Verbreitung mancher (Nacht-)Falter, für die wir bislang keine rechte Erklärung haben.

Ein Beispiel ist der Ringelspinner Malacosoma neustria, in früheren Zeiten anscheinend ein Massentier, das in Obstgärten starke Fraßschäden verursachte. Die Raupen marodieren vor allem an Prunus-Arten (Rosengewächse: Kirschen, Pflaumen usw.), STAMM (1981) schreibt zum Vorkommen von M. neustria lapidar: „Überall“.

Abbildung 1: Nachweise von Malacosoma neustria (2010-2025) rund um das „Düsseldorfer Loch“. Quelle: Observation.org, Stichting Observation International und lokale Partner

Aktuell fehlt der Ringelspinner in einem breiten Streifen vom Niederrhein bis ins Sauerland, und das bei hoher Beobachterdichte in der Region. Rundherum kommt die Art vor, in Holland, Belgien, Rheinland-Pfalz, und auch nördlich des Ruhrgebietes.  Es gibt zahlreiche weitere Arten bei denen Ähnliches beobachtet werden kann, z.B. beim BrombeerspinnerMacrothylacia rubi und der Kleinen PappelgluckePoecilocampa populi. Liegt es an der massiven Lichtverschmutzung? Ist der Landstrich einfach toxisch dicht besiedelt? Oder hat Düsseldorf doch eine schlechte Aura? Noch nicht einmal das Wappentier des Vereins, das Schachbrett, wagt den Sprung nach Norden über die Wupper. Ein Mysterium, für das mir keine plausible Erklärung einfallen will.

Völlig anders gelagert ist die aktuelle Situation dagegen bei einem Neubürger, so hat sich die Steppenheiden-Spannereule – Pechipogo plumigeralis Hübner, [1825] im Großraum Düsseldorf mittlerweile fest etabliert. Der Einzelfund eines Falters 1997 in Leverkusen-Opladen wurde seinerzeit als Irrgast oder verschlepptes Tier bewertet (KINKLER 1998), war für viele Jahre der einzige Nachweis dieser Art in Nordrhein-Westfalen. In Belgien wurde die Art im Jahr 2000 zum ersten Mal (Provinz Westflandern) gefunden (Vanholder et al. 2002). Seit 2009 wurde P. plumigeralis in allen belgischen Provinzen beobachtet, aktuell ist die unscheinbare Art in Belgien und den Niederlanden flächendeckend verbreitet.

Polypogon plumigeralis, Düsseldorf, 15. Juni 2025 (Foto: Klaus Büchler)

Pechipogo plumigeralis, Düsseldorf, 15. Juni 2025 (Foto: Klaus Büchler)

Die Steppenheiden (!) -Spannereule findet offensichtlich in den größeren Städten zusagende Lebensbedingungen, profitiert sehr wahrscheinlich vom Klimawandel. Die Raupen ernähren sich von trockenen Blättern (Rosengewächse, Efeu u.a.), die Flugzeit der Falter hat gerade begonnen (siehe Bild) und reicht vom Juni bis in den Spätherbst. P. plumigeralis wird etwa seit 2020 auch in den Großstädten Duisburg, Düsseldorf und Köln regelmäßig gefunden, und hat kein Problem mit dem „Düsseldorfer Loch“.

Das alles wissen wir nur, weil viele Vereinsmitglieder und noch mehr „Citizen Scientists“ ihre kompletten Beobachtungen in die verschiedenen Onlineportale melden, wohlgemerkt mit Belegfotos, so dass man die Fundlage gut abschätzen kann.

In diesem Sinne wünsche ich allen eine falterreiche Saison!

Literatur + Links:

Kinkler, H. (1998): Bemerkenswerte Falterfunde und Beobachtungen im Arbeitsgebiet der Arbeitsgemeinschaft rheinisch-westfälischer Lepidopterologen e. V., 11. Zusammenstellung. ― Melanargia, 10: 150-156, Leverkusen

Radtke, A., Dahl, A. & T. Laußmann (2024): Arealerweiterer und andere Erstnachweise von Großschmetterlingen in Nordrhein-Westfalen seit 1999. Teil 2: 2014-2023. – Melanargia, 36 (2): 41-69

Stamm, K. (1981): Prodromus der Lepidopteren-Fauna der Rheinlande und Westfalens. – Selbstverlag, Solingen. VI + 229 S.

Vanholder B. & Bolland F. (2002): Pechipogo plumigeralis: een nieuwe soort voor de Belgische fauna (Lepidoptera: Noctuidae). – Phegea 30(3): 81–83.

Catalogue of the Lepidoptera of Belgium, https://projects.biodiversity.be/lepidoptera/species/4403/ [abgerufen 16. Juni 2025]

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Mosel-Apollofalter: Aussterben durch lebensraumtypisches Risiko?

Recht haben und Recht bekommen sind bekanntlich zweierlei Dinge. Der Eilantrag gegen die zum x-ten Mal verlängerte Ausnahmegenehmigung der Hubschrauberspritzung an der Mosel ist erst einmal durch das Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Hauptsacheverfahren ist jedoch bisher nicht entschieden. Derweil geht das Faltersterben weiter.

Liebe Freundinnen und Freunde des Apollofalters,
wie Ihr wisst, haben die Deutsche Umwelthilfe und unser Verein zusammen im Dezember 2024 beim Verwaltungsgericht Koblenz Klage gegen die Ausnahmegenehmigung für das Versprühen von Fungiziden mit Luftfahrzeugen (Hubschrauber und Drohne) eingereicht. Diese Klage betrifft die Genehmigungen aus dem Jahr 2024. Anfang Mai wurden wieder Bescheide mit geändertem – aber ähnlichem Inhalt – erteilt, die auch sofort umgesetzt wurden. Gegen diese Genehmigungen hat die Deutsche Umwelthilfe versucht per Eilantrag vorzugehen. Der Antrag wurde vergangene Woche durch das Verwaltungsgericht abgelehnt. Den genauen Wortlaut des lesenswerten Beschlusses (auf der Seite der Pressemitteilung verlinkt) findet Ihr hier:
https://vgko.justiz.rlp.de/presse-aktuelles/pressemitteilungen/detail/apollofalter-eilantrag-gegen-hubschrauberspritzungen-an-der-mosel-erfolglos

Im Wesentlichen lautet die Begründung in der Pressemitteilung:

„Die pflanzenschutzrechtliche Genehmigung zur Ausbringung bestimmter Fungizide mittels Hubschrauber erweise sich nach der im Eilverfahren angezeigten summarischen Prüfung anhand der vorgelegten Unterlagen als rechtmäßig, so die Koblenzer Richter. Der Genehmigung stünden die von der Antragstellerin aufgezeigten naturschutzrechtlichen Vorschriften nicht entgegen. Es fehle an gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen dazu, ob die Ausbringung der von der Genehmigung erfassten Pflanzenschutzmittel mit Hubschraubern schädliche Auswirkungen auf den Erhaltungszustand des Mosel-Apollofalters habe. Hingegen hätte nach derzeitigem Erkenntnisstand eine im Eilverfahren stattgebende Entscheidung zwangsläufig negative Folgen für den Erhalt der Habitate des Apollo-Falters. Ohne die luftgestützte Anwendung von Fungiziden könnten die Rebflächen nicht ökonomisch bewirtschaftet werden, was aller Voraussicht nach zu einer Aufgabe des Weinbaus in diesen Lagen führe. Nicht bewirtschaftete Rebflächen würden innerhalb kürzester Zeit verbuschen und seien damit als Habitate für den Mosel-Apollofalter ungeeignet. Der Verlust von geeigneten Habitaten sei eine zentrale Ursache der negativen Bestandsentwicklung des Mosel-Apollofalters.“

Es gibt sie noch, Apollofalter an der Mosel 2025. Sind das die „Letzten Mohikaner“? (Foto: Tim Laussmann)

Das Gericht folgt somit vollständig der Argumentation des Landes Rheinland-Pfalz. Dies ist für uns eine ziemlich schlechte Nachricht, denn diese Entscheidung wird sicher auch auf das Hauptsacheverfahren, also die Klage gegen die Genehmigungen aus dem Jahr 2024, Auswirkungen haben.

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Melanargia e.V. – Mitgliederversammlung 2025 in Eitorf

Die gute Nachricht vorab: Der Verein wächst, die Mitgliederzahl steigt, es kommen Jüngere hinzu, die Kasse ist gut gefüllt. Die 2025-er Mitgliederversammlung in Eitorf war perfekt organisiert und gut besucht. Weniger schön: Den Schmetterlingen geht es eher schlecht!

Die Hauptversammlung der Arbeitsgemeinschaft fand am letzten März-Samstag 2025 in den Räumen der Biostation in Eitorf an der Sieg statt. Am Vormittag waren die Vereinsformalien an der Reihe, nachmittags gab es Vorträge, am Abend dann Lichtfang an den Sieghängen, dazu noch Hin- und Rückreise: Der Tag hielt für etliche Teilnehmer 14 und mehr Stunden dicht gepacktes Programm bereit. Die Corona-Epidemie hatte in den vergangene Jahren für allerlei Durcheinander bei den Terminen gesorgt, aber jetzt sind wir wieder im „normalen“ Rhythmus, mit der Mitgliederversammlung im zeitigen Frühjahr.

Ohne Informatik geht heutzutage nichts mehr: Data Warehouse für Schmetterlinge, professionell präsentiert von Brigitte Schmälter. (Foto: A. Dahl)

Geschäftsbericht, Kassenstand, Kleine Satzungsanpassungen, EDV und Datenbank, Verschiedenes: Was den Zustand des Vereins betrifft kann man sagen: Wir sind auf gutem Weg. Eine Rekordzahl von mehr als 330 Mitgliedern, dazu eine gute Mischung aus Alt und Jung im Vorstand, das sieht in anderen entomologischen Vereinen deutlich anders aus.  Um den Verein mit dem sperrigen Namen nach außen sichtbarer zu machen, bekommt die Arbeitsgemeinschaft einen – einstimmig beschlossenen – Namenszusatz: „Melanargia – Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen e. V.“ – kurz: Melanargia e.V.
Damit rückt der Verein 95 Jahre nach der Gründung ein wenig von dem Buchstabensalat der ehemaligen preußischen Provinzen Rheinland und Westfalen ab. Auf der Webseite und auch im Titel der Vereinszeitschrift war das ja schon seit vielen Jahren gelebte Praxis.

Wichtigstes Thema der Versammlung war aber mit Sicherheit der Kampf des Vereins für den Erhalt des Mosel-Apollofalters und seiner Lebensräume. Tim Laußmann berichtete über den aktuellen Stand des Verfahrens gegen die Genehmigungspraxis bei der Hubschrauberspritzung, das wir zusammen mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH) führen. Allgemeines Kopfschütteln gab es für die Vorstellungen, man könne die Vorkommen im Tal und die Giftspritzerei in den Weinbergen dadurch „entflechten“, dass man den Falter in die Nebentäler umsiedelt.

À propos Gift: Früher verschwanden die Amtsgeheimnisse, die man der Bevölkerung nicht zumuten wollte, einfach in den sogenannten „Giftschränken“ der Behörden. Heute kommt man an mit Steuergeldern finanzierte Studien und Gutachten heran, mit Hilfe des Landestransparenzgesetzes. Neue Untersuchungen in den Weinbergen belegen die toxischen Verhältnisse in den vom Hubschrauber gespritzten Lagen der Terassenmosel. Die Giftkonzentrationen in den untersuchten Sedum-Pflanzen sind offenbar ausgerechnet im zeitigen Frühjahr am höchsten, dann wenn die Raupen des Moselapollos ausschlüpfen und anfangen vom Mauerpfeffer zu fressen. Dass der Apollofalter nur durch die Tätigkeit der Winzer überlebt, ist und bleibt ein Ammenmärchen.

Gruppenbild mit Damen: In der Mittagspause blinzelten die Teilnehmer der Mitgliederversammlung in die Märzsonne. (Foto: Dahl)

Neues rund um den Mosel-Apollo und seine Lebensräume berichtete Daniel Müller. Auch größere Maßnahmen gegen Verbuschung täuschen nicht darüber hinweg, dass die Individuenzahlen der letzten Populationen an der Mosel steil nach unten zeigen. Weiterlesen

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Internationale Fachtagung: Blauschillernder Feuerfalter, Klimawandel und Naturschutz

Das Team des LIFE-Projektes „Patches & Corridors – Entwicklung eines Habitatnetzwerkes für den Blauschillernden Feuerfalter“ – richtet am 22. und 23. Mai 2025 eine internationale Fachtagung mit dem Titel „Blauschillernder Feuerfalter, Klimawandel und Naturschutz“ aus.

Im Jahr 2017 startete die Biologische Station StädteRegion Aachen e.V. mit der Umsetzung des EU geförderten LIFE Projektes „Patches & Corridors“ – Habitatnetzwerk für den Blauschillernden Feuerfalter. Ziel war es, Habitate der europaweit gefährdeten Schmetterlingsart in der Nordeifel zu sichern, zu entwickeln und miteinander zu vernetzen.

Seitdem ist in der Projektkulisse rund um Monschau und Simmerath zu Gunsten der Natur einiges passiert. Gleichzeitig war die Zeit global geprägt von Klimaextremen, die an den etablierten Leitbildvorstellungen des Naturschutzes kratzen. Frost- und schneearme Winter, Rekordtemperaturen und Spätfröste im Frühling, trocken-heiße Sommer in Kombination mit Starkregenereignissen, Fichtensterben und die daraus resultierenden forstpolitischen Perspektiven zwingen den Naturschutz, neue Ideen im Biotop- und Artenschutz zu entwickeln.

Die Vorträge der Fachtagung thematisieren das Vorkommen von Lycaena helle in unterschiedlichen Regionen Europas sowie Perspektiven des Schmetterlingsschutzes vor dem Hintergrund des Klimawandels. Die Veranstaltung soll Lepidopterologen und Naturschützer zusammenbringen, um ihre Erfahrungen und Ideen zu althergebrachten Praktiken und Leitbildern des Biotop- und Artenschutzes auszutauschen und zu überdenken. Zwei Exkursionen führen zu typischen Habitaten des Blauschillernden Feuerfalters an Perlenbach und Rur.

Wann und wo?

22. & 23. Mai 2025
Aukloster
Austraße 7

52156 Monschau

Eine virtuelle Teilnahme ist möglich. Über einen Dolmetscher werden die Vorträge simultan übersetzt (deutsch-englisch).

Wenn Sie an der Fachtagung teilnehmen möchten, melden Sie sich bitte bis zum 28.03.2025 per Email (info@bs-aachen.de) mit folgenden Angaben an:

– Name, Vorname, Anschrift
– Teilnahme an beiden Tagen / nur am 22. oder 23.05.2025
– Teilnahme hybrid oder in Präsenz

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Arbeitsgemeinschaft und DUH klagen gegen Hubschrauberspritzung an der Mosel

Der Erhalt des Mosel-Apollofalters ist für die Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen e.V. sehr wichtig. Nun haben wir zusammen mit der Deutsche Umwelthilfe (DUH)  vor dem Verwaltungsgericht Koblenz Klage gegen die Ausnahmegenehmigung für die Hubschrauberspritzung von Pestiziden in Rheinland-Pfalz eingereicht.

Liebe Vereinsmitglieder, liebe Freundinnen und Freunde des Mosel-Apollofalters,

wie bereits auf unserer Internetseite mehrfach berichtet, steht die dramatisch negative Bestandsentwicklung des Mosel-Apollofalters nach unserer Ansicht in Zusammenhang mit dem Versprühen einer Vielzahl von Pflanzenschutzmitteln aus der Luft im unmittelbaren Umfeld der felsigen Lebensräume des Schmetterlings. Die Spritzungen finden zwischen Mai und August alle 8 bis 10 Tage statt.

Zusammen mit der aktuellen Ausgabe der „Melanargia“ haben wir im vergangenen Jahr einen Spendenaufruf versendet. Am 13. Dezember 2024 haben wir nun, zusammen mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH), beim Verwaltungsgericht Koblenz eine umfangreiche Klageschrift gegen die durch das Land Rheinland-Pfalz erteilten Ausnahmegenehmigungen für die Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln per Luftfahrzeug – zurzeit im Regelfall Hubschrauber – eingereicht. Gleichzeitig geht die DUH mit unserer fachlichen Begleitung auf Bundesebene gegen die Genehmigung der Mittel für die Anwendung aus der Luft vor.

Die Entscheidung zur Klage ist uns nicht leichtgefallen, und bedeutet für unseren Verein mit 330 Mitgliedern eine große Kraftanstrengung und finanzielle Belastung. An dieser Stelle sprechen wir den zahlreichen Spenderinnen und Spendern unseren herzlichen Dank aus! Weitere Spenden sind selbstverständlich jederzeit willkommen (Stichwort: Artenvielfalt).

Darüber hinaus sind wir sehr froh, dass die DUH uns als starker Partner zur Seite steht. Vorausgegangen waren mehr als zwei Jahre, in denen wir uns intensiv mit einer Vielzahl von Schreiben an Bundes- und Landesbehörden sowie an Ministerien für eine Einschränkung der Hubschrauberspritzungen eingesetzt haben. Die Diskussion lief weitgehend zwischen uns und den zuständigen Behörden sowie Vertretern des Weinbaus (Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau, Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum) ab, kam jedoch Ende 2023 an die Öffentlichkeit, als den Winzerinnen und Winzern mögliche Einschränkungen bei der Hubschrauberspritzung bekannt gegeben wurden. Die daraufhin in den Medien öffentlich geführte Debatte wurde leider auf einen Konflikt zwischen Winzern und Naturschützern reduziert, obwohl es nie unsere Absicht war, den Weinbau in Frage zu stellen.

Dabei ist die Gemengelage ausgesprochen kompliziert: Während sich das Umweltbundesamt und das Bundesamt für Naturschutz klar gegen die Fortsetzung der Hubschrauberspritzungen positionierten, wurde durch die lokalen Behörden dennoch entschieden, die Spritzungen – mit einer in den „Apollogebieten“ seit dem Jahr 2024 eingeschränkten Auswahl an Chemikalien – fortzuführen. Gleichzeitig wird Geld investiert, um den Mosel-Apollofalter und die Rebflächen zu „entflechten“: Ehemalige Lebensräume in den Nebentälern der Mosel sollen wiederhergestellt werden und der Apollofalter soll dort angesiedelt werden. Derartige Umsiedlungsprojekte müssen nicht unbedingt erfolgreich sein, auch wenn sie sicherlich gut gemeint sind. Die Logik, weshalb der Weinbau und der Apollofalter nicht mehr zueinander passen, obwohl die im Pflanzenschutz verwendeten Stoffe doch angeblich unschädlich sein sollen, hat sich uns letzten Endes nicht erschlossen. Unser Vorschlag, das Naturschutzgebiet Brauselay durch eine EU-geförderte Maßnahme unter Einbeziehung der lokalen Winzer für den Erhalt des Apollofalters qualitativ aufzuwerten, stieß allenfalls auf halbherzige Gegenliebe.

Bei den Gesprächen mit den Behörden vor Ort ist uns klar geworden, dass eine grundsätzliche Meinungsverschiedenheit in der Auslegung der Naturschutzgesetzgebung besteht. Von einem durch die Behördenvertreter propagierten „Schulterschluss“ von Landwirtschaft und Naturschutz kann keine Rede sein. Gleichzeitig wurde uns deutlich gemacht, wie sehr der Weinbau von dem Chemikalieneinsatz abhängig ist. Die Formel lautet: Ohne intensiven Einsatz von Pflanzenschutzmittel gibt es keinen Wein – dies ist bei Monokulturen wenig überraschend. Wir haben verstanden, dass der Weinbau auf Grund zunehmender Resistenzen und invasiver Schädlinge in einer schwierigen Lage steckt. Die Auswahl der Pflanzenschutzmittel ist zunehmend eingeschränkt. Innovative Konzepte beim Pflanzenschutz fehlen und somit wird an den Pflanzenschutzkonzepten aus den 1970er Jahren festgehalten.

Als durch das Umweltbundesamt anerkannte Umweltvereinigung fokussieren wir uns auf den Erhalt der Natur und der eindrucksvollen Artenvielfalt an der Mosel. Auch das ist ein wichtiges Kapital der Moselregion, und sollte als touristischer Wirtschaftsfaktor mehr Wertschätzung erfahren. Wir würden uns eine personelle und finanzielle Stärkung des behördlichen Naturschutzes in Rheinland-Pfalz wünschen.

Ziel der Klage ist es, den Mosel-Apollofalter an seinen natürlichen Standorten vor dem Aussterben zu bewahren. Wir hoffen auf eine eingehende verwaltungsrechtliche Überprüfung der Ausnahmegenehmigungen für den Pflanzenschutzmitteleinsatz aus der Luft mit Hubschraubern und Drohnen. Hierdurch wird Rechtssicherheit für alle Beteiligten geschaffen, welche in ein umweltverträglicheres Konzept beim Pflanzen- und Insektenschutz münden kann und somit dauerhaft eine nachhaltige und rentable Nutzung der Rebflächen ermöglicht wird.

Herzliche Grüße und besten Dank an alle die unser Anliegen unterstützen!
Dr. Tim Laußmann
Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen e.V.

Pressemitteilung und Hintergrundpapier

>> Drohende Ausrottung des Mosel-Apollofalters: Deutsche Umwelthilfe und Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen reichen Klage gegen Pestizideinsatz in Rheinland-Pfalz ein.

>> Hintergrundpapier zur Klage gegen die Anwendung von Pestiziden mit Luftfahrzeugen

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Spanische Flagge – Euplagia quadripunctaria: Schmetterling des Jahres 2025

Schmetterling des Jahres 2025: Die Spanische Flagge

Schmetterling des Jahres 2025: Die Spanische Flagge – Euplagia quadripunctaria (PODA, 1761)
Rheinland-Pfalz, Altenahr. 7. August 2014 (Foto: Tim Laußmann)

Schmetterling des Jahres 2025 ist die Spanische Flagge (Euplagia quadripunctaria). Die BUND NRW Naturschutzstiftung und die Arbeitsgemeinschaft Rheinisch-Westfälischer Lepidopterologen e.V. haben den bunten Nachtfalter gemeinsam ausgewählt.

Die Spanische Flagge breitet sich seit einigen Jahren immer weiter nach Norden aus. Das haben Bürger*innen über online-Plattformen dokumentiert. Über Webseiten wie Observation.org und mobile Apps wie ObsIdentify können Naturbegeisterte ihre Beobachtungen schnell per Handyfoto festhalten, und liefern so viele Millionen wichtige wissenschaftliche Daten.

Mit Hilfe der Bevölkerung ergibt sich so eine deutlich verbesserter Kenntnisstand, und auch das Bewusstsein für die lokale Artenvielfalt wird über Citizen Science gefördert.

Die Spanische Flagge ist während seiner Hauptflugzeit im August auch tagsüber aktiv. Ihre Flügel sind schwarz-weiß gemustert, wodurch sie leicht zu bestimmen ist. Dennoch ist die Spanische Flagge zwischen Zweigen und Stängeln nur schwer zu entdecken. Sobald sie auffliegt oder ihre Vorderflügel öffnet, werden die leuchtend orangeroten Hinterflügel sichtbar. Diese Warnfärbung tragen auch etliche weitere der zu den „Bärenspinnern“ (wiss. Arctiinae) gehörenden Arten,  sie schützt die Schmetterlinge vor Fressfeinden.

Mit gut fünf Zentimetern Spannweite gehört die Spanische Flagge zu den größeren Nachtfalter-Arten. Beim Betrachten des Falters fällt zuerst die schwarze Grundfarbe mit weißen Zeichnungselementen auf, vor allem die drei großen weißen Streifen, einer vorn und zwei weiter hinten, die je nach Individuum ein V bis Y bilden. Mit diesem Muster ist er im Geäst oder Gewirr von Stängeln hoher Stauden gerade bei Sonnenlicht gut getarnt. Wenn er allerdings auffliegt oder die Vorderflügel spreizt, sieht man die orange-roten, selten auch gelben Hinterflügel mit schwarzen Flecken. Auch der Leib ist rot-orange mit schwarzen Flecken. Die rote Farbe dient der Warnung, denn Fressfeinde wie Vögel schrecken einen Augenblick zurück und geben dem Falter damit genug Zeit zur Flucht. Das kann für den Vogel auch von Vorteil sein, denn wie viele Bärenspinnerarten enthält die Körperflüssigkeit des Falters Giftstoffe.

Wasserdost ist die Lieblingspflanze zum Nektarsaugen

Als Nektarpflanze bevorzugt die Spanische Flagge den Gewöhnlichen Wasserdost (Eupatorium cannabinum). Sie findet aber auch an vielen anderen Blüten Nahrung. Mit einer Flügelspannweite von etwa fünf Zentimetern gehört sie zu den größeren Nachtfaltern Europas. Die Spanische Flagge lebt vor allem in strukturreichen Landschaften mit Hecken, Waldrändern und blütenreichen Wiesen, die durch Flächenverbrauch und intensive Landwirtschaft bedroht sind. Die Schmetterlinge kommen auch in naturnahen Gärten vor.

Raupe der Spanischen Flagge

Raupe der Spanischen Flagge – Euplagia quadripunctaria (PODA, 1761)
Rheinland-Pfalz, Reil/Mosel, 23. Mai 2015 (Foto: Tim Laußmann)

Dieser Nachtfalter ist nicht nur nachts unterwegs, sondern auch tagaktiv! Im August, zu seiner Hauptflugzeit, kann man ihn im Sonnenschein an Rändern von Waldwegen, an Säumen von Wäldern oder Gebüschen, am Ufer von Bächen und Gräben oder in ehemaligen Steinbrüchen sehen, wenn er an seinen Lieblingspflanzen Nektar saugt. Denn dieser Bärenspinner hat, anders als etliche seiner Verwandten, einen gut entwickelten Saugrüssel. Der Gewöhnliche Wasserdost als auffällige und bis mannshoch wachsende Staude ist nicht zu übersehen. Es lohnt sich, an den Blüten nach dem Falter zu schauen – wenn man ihn nicht schon umherfliegen sieht und vielleicht zunächst an einen Tagfalter denkt. Er ist jedoch nicht auf den Wasserdost beschränkt – er nutzt auch viele andere Blütenpflanzen und kommt gerne in Gärten mit entsprechendem Angebot.

Rasante Ausbreitung nach Norden

Durch die höheren Temperaturen aufgrund der Klimakrise breiten sich viele wärmeliebende Schmetterlingsarten nach Norden und in höhere Lagen aus.  Galt Euplagia quadripunctaria früher als  seltener und gefährdeter Bewohner der Wärmegebiete vor allem Süddeutschlands, kommt er inzwischen auch in höheren Lagen und weiter nördlich vor. Die derzeitige nördliche Verbreitungsgrenze liegt in etwa vom Niederrhein über den Harz bis nach Berlin, und verschiebt sich ständig weiter nach Norden.

In den Nachbarländern sieht es ähnlich aus. Die Niederlande weisen Funde bis in die Höhe von Amsterdam auf. In England war der „Jersey Tiger“ bis vor wenigen Jahren auf die Kanalinseln und Teile der Südküste beschränkt. Heute ist der Süden gut besiedelt und Mittelengland erreicht. Generell reicht das Verbreitungsgebiet von Spanien über Süd- und Mitteleuropa, ostwärts bis an den Ural und im Südosten über Kleinasien bis in den Iran.

Die Verbreitung konnte durch das Engagement zahlreicher Bürgerwissenschaftler*innen quasi in Echtzeit dokumentiert werden. Digitale Werkzeuge wie die Plattform Observation.org und die App ObsIdentify ermöglichen es Naturbegeisterten, Funde schnell per Handyfoto zu bestimmen und so wichtige wissenschaftliche Daten bereitzustellen.

Spanische Flagge - Übersichtskarte der aktuellen Verbreitung. Grafik: Sofie Beckerbauer

Spanische Flagge – Übersichtskarte der aktuellen Verbreitung. Grafik: Sofie Beckerbauer
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Der Klimawandel begünstigt die Ausbreitung

Warum expandiert Euplagia quadripunctaria in Mitteleuropa so stark? Haupttreiber ist sicherlich die globale Erwärmung. Die steigenden Temperaturen befähigen etliche wärmeliebende Falterarten dazu, ihr Areal nach Norden und in die Höhe zu erweitern. Euplagia quadripunctaria ist dabei ein besonders eindrucksvolles Beispiel – das Auftauchen des großen Falters wird bemerkt, er ist leicht zu bestimmen, die Ausbreitung geschieht schnell. Das ist „Klimawandel zum Anfassen“. Dass zugleich viele weitere einheimische Arten abnehmen oder gar verschwinden, geschieht schleichend und im Verborgenen.

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Zwischen Planck und Kafka – Westdeutscher Entomologentag auf neuen Wegen

Ein buntes Völkchen versammelte sich am letzten Novemberwochenende in Düsseldorf zum Westdeutschen Entomologentag. Der WET 2024 fand nicht wie gewohnt im Löbbecke-Museum statt, sondern im nahegelegenen Max-Planck-Gymnasium. Und das war auch gut so!

Abbildung 1: Gerolsteiner Kleiderbügel-Ameise, Erstnachweis auf dem WET 2024. Der oder die Künstlerin ist unbekannt.

Schultoiletten sind normalerweise kein Orte, an denen man sich länger als nötig aufhält. Keine Klobrille, Graffiti an den Wänden, „Atmosphäre“ wie auf einer Autobahn-Raststätte. Und aus diesem „Stillen Örtchen“ dringen zudem ungewöhnliche Geräusche heraus, jemand liest laut aus einem Buch vor. Spätestens jetzt war klar, dass auf dem WET  2024 irgend etwas merkwürdiges im Gange war.

Die SchülerInnen des Gymnasiums hatten sich im Vorfeld der Veranstaltung mit dem Thema Insekten beschäftigt. Und so wurde nicht nur phantasievoll gebastelt, sondern auf dem Klo auch Kafkas „Verwandlung“ vorgelesen. Oberstufen-Pflichtlektüre vom Band, in Dauerschleife. Sofort steigen einem die alten Bilder von Kafkas Käfer Gregor Samsa in den Kopf, der auf dem Rücken liegt und mit Armen und Beinen rudert. Entomologie Heute, mal ganz anders!

Nach dieser eher ungewöhnlichen Einführung in die Insektenkunde ging der WET allerdings wie gewohnt mit Vorträgen an den Start! Engagierte Studierende mit neuen Projekten, Wissenschaftsmanager, die Ergebnisse jahrzehntelanger Forschung vorstellen, polternde Gelehrte, die endlich ein Umdenken im Naturschutz fordern. Dazwischen Schüler, Citizen Scientist-Experten, Behördenmenschen und lokale NaturschützerInnen. Insgesamt hatten sich für den WET über 140 Leute angemeldet, und die Aula des Gymnasiums bot großzügig Raum für die Vorträge, kleine Tischgruppen für die Kaffeepausen, und ein paar Infostände.

Zwei Tage waren dicht gepackt mit spannenden Beiträgen, Langeweile kam nie auf. Thematisch war wohl für jeden etwas dabei, hier eine kleine Auswahl aus dem Programm: Es kommen immer mehr und neue Arten durch den Klimawandel zu uns. Die Seehundläuse haben Superkräfte und lassen sich nicht abschütteln. In den Niederlanden boomt die Erforschung der „Schietmotten“ genannten Köcherfliegen, befeuert durch die Datenberge aus den Bürgerwissenschaften. Tropische Froschmücken kann man mit Gequake vom Band anlocken, das eröffnet völlig neue Möglichkeiten. Und es gab auch praktische Tipps für das Vereinsleben, am Rande der Entomologie: So berichtete der Düsseldorfer Sinnesökologie-Professor Klaus Lunau, dass die Einnahmen einer Spendendose steigen, wenn man ein Gesicht darauf abbildet!

Á propos Spendendose: Die Veranstaltung war gut besucht, der Service mit Kaffee, Keksen und Käsebrötchen lief wie am Schnürchen, das Bier beim Stehempfang am Abend war kühl und lecker. Die Arbeitsgemeinschaft war kopfstark vertreten, am Infostand gab es zahlreiche gute Gespräche, und die angebotene Literatur fand ebenfalls starkes Interesse. Für unseren Verein eine erstklassige Möglichkeit, unsere Themen zu präsentieren. Denn wir brauchen Geld! Nur so viel sei vorab verraten: Der Kampf für den Apollofalter geht in die nächste Runde. Einen Spendenaufruf dazu findet Ihr im nächsten Heft der Melanargia, das Anfang Dezember in den Briefkästen liegt.

Hier nur noch eine Schlußbemerkung: Die gesamte Veranstaltung wäre platzmäßig im Löbbecke-Museum gar nicht möglich gewesen, wo die beiden Seminarräume klein und schlecht belüftet sind, und man sich in den Pausen immer durch den Vorraum quetschen muss.

Das Max-Planck-Gymnasium als Partnerschule des Museums bietet dem WET die Möglichkeit, in Zukunft weiter zu wachsen. Danke für die schönen Kunstwerke und die großzügige Überlassung der Aula! Und besonderer Dank an Manuel König und das Organisationsteam vom Aquazoo-Löbbecke Museum!

 

 

 

 

 

 

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Naturschutz auf den Kopf gestellt: Die Roteiche wird Baum des Jahres

Invasive Roteichenverjüngung in der Wahner Heide. © Holger Sticht, BUND

Die Roteiche Quercus rubra soll Baum des Jahres 2025 werden, ein invasiver Forstbaum, der das Bodenleben schädigt und praktisch keinen Lebensraum für einheimische Insekten bietet. „Not in my forest“ kann ich da nur sagen. Ein Meinungsbeitrag.

Stell Dir vor, die Rheinisch-Westfälischen Lepidopterologen machten den Maiszünsler zum „Schmetterling des Jahres“. Der Falter hat doch immerhin das Potential, die derzeit üble Nutzung der Landschaft durch die lebensfeindlichen Mais-Monokulturen, zum Beispiel im Münsterland, zu beenden. Zumindest der Presse-Rummel wäre gesichert. Ob die Aktion am Insektensterben etwas ändert, sei mal dahingestellt, das Ganze wäre trotzdem eine – Schnapsidee!

In ähnlicher Weise danebengelangt hat nun eine Organisation der besonderen Art, der Verein Baum des Jahres e. V., der gerade die Roteiche zum „Baum des Jahres 2025“ ausgerufen hat.

Wie geht das vor sich? Hier mal wörtlich zitiert von der Webseite des Vereins: „Vertreter der Mitglieder des Kuratorium Baum des Jahres treffen sich einmal im Jahr im Herbst in Berlin anlässlich der Ausrufung des jeweiligen Jahresbaumes, wo sie beraten und beschließen, welche drei Baumarten den Mitgliedern [..des Vereins..] zur Abstimmung vorgeschlagen werden sollen. Die Mitgliedsorganisationen informieren ihre Kreise über den jeweils aktuellen Jahresbaum und verpflichten sich dabei auf die Urheberschaft des Vereins Baum des Jahres e.V. hinzuweisen.“

Im oben genannten Kuratorium des Vereins tummeln sich Interessensvertretern der Forstindustrie, aber auch seriöse Naturschutzorganisationen und Behörden, neben dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND), die Deutsche Dendrologische Gesellschaft (DDG), der Robin Wood e. V., das Thünen-Institut für Forstgenetik (TI) und das Julius Kühn-Institut (JKI) – Institut für Waldschutz.

Jetzt ist mir nicht bekannt in welchem gesundheitlichen Zustand die Kuratoriumsmitglieder bei der Sitzung in Berlin waren, aber dem einen oder anderen muss vorher doch ein dickerer Ast oder ähnliches auf den Kopf gefallen sein. Anders ist es nicht zu erklären, dass eine invasive Baumart (laut Bundesamt für Naturschutz), die den Boden schädigt und auf der praktisch keine Insekten leben, zum Baum des Jahres gewählt wird. Was für ein Armutszeugnis! Schirmherr der peinlichen Veranstaltung und oberster Baumfreund ist übrigens Cem Özdemir von den GRÜNEN, der aktuelle Bundes-Landwirtschaftsminister. Verzweiflung macht sich breit: Wo soll man nur in Zukunft sein Kreuzchen machen auf dem Wahlzettel?

Ein paar Zitate zum „Baum des Jahres“

Für unsere heimischen Wälder ist die Roteiche allerdings eine Katastrophe. Ihr Laub ist für viele Bodenlebewesen sehr giftig. Zudem breitet sie sich in durch Forstwirtschaft stark aufgelichteten Wäldern invasiv aus. Es ist also keine gute Idee, diese Baumart hier bei uns zu pflanzen.“
Peter Wohlleben, Förster und Autor, auf @instagram, 27.10.24
„Das ist eine schlechte Botschaft für den Biodiversitätsschutz. Hier sollten sich alle in ihren Verbänden deutlich dagegen positionieren!“
Tobias Krause, Biodiversitätsbeauftragter der Landeshauptstadt Düsseldorf, 27.10.24
Der Anbau der Rot-Eiche kann daher keinesfalls unterstützt und keineswegs empfohlen werden, denn es gilt nicht nur einseitig eine Holzproduktion zu sichern, sondern auch die Biologische Vielfalt im Wald und im Forst. […] Während die heimische Stiel-Eiche (Quercus robur) 570 Arten der Vergleichsgruppen an Tieren und Pilzen auf sich vereinen konnte, kommt die Rot-Eiche gerade einmal auf 84, [….]  Der Einsatz der Rot-Eiche steht damit im direkten Widerspruch zum Erhalt und zur Wiederherstellung lebendiger, stabiler Waldgesellschaften.
Achim Baumgartner (BUND NRW Naturschutzstiftung/BUNDzentrum Rhein-Sieg)

Ich will hier gar nicht weiter auf Details eingehen, die in Entomologenkreisen landläufig bekannt sind. Dass ich mit meiner Meinung nicht alleine dastehe, zeigen die beigefügten Zitate von Menschen die bekannter sind als ich.

Nur so viel: Die Amerikanische Roteiche Quercus rubra ist als Lebensraum für Insekten praktisch ein Totalausfall, gemessen an den einheimischen Stiel- und Traubeneichen. Sie macht den Boden kaputt und mindert die Biodiversität. Die Roteiche wächst schnell und bringt raschen Ertrag gerade WEIL keine Insekten daran leben. Die vom Verein genannte „Sonderaufgabe“ , man könne mit der Roteiche schöne Brandschutzstreifen in die brandenburgischen Kiefern-Monokulturen pflanzen, zeigt auf, wes Geistes Kind die Initiatoren der Aktion sind. Einen solchen Baum des Jahres auszuweisen kann nur erwerbsgetriebenen Forstleuten und Funktionären einfallen. Da geht es um Geld, mit Naturschutz und Biodiversität hat das NICHTS zu tun. Es schadet aber allen anderen Organisationen, die ein „XY des Jahres“ ausrufen, mit ehrlicher Absicht im Namen des Arten- und Biotopschutzes.

Im Fall der Roteiche gibt es von mir ein klares Not In My Forest! Setzt Euch dafür ein, dass in Euren heimischen Wäldern keine Roteichen unter falscher Flagge als Wohltaten für den Wald verkauft werden! Geht auf die Förster und Privatwaldbesitzer zu, die das trotzdem tun, ob aus Profitstreben oder Unkenntnis! Schaut den Politikern auf die Finger, die euch einen Quark erzählen, wenn es um Klimaschutz und Artenvielfalt im Wald geht. Veräppeln können wir uns selbst!

Eure Meinung zu dem Thema dürft Ihr gerne im Kommentarfeld unter diesem Beitrag abgeben, oder wir sehen uns dann Ende November am Stand der Arbeitsgemeinschaft auf dem Westdeutschen Entomologentages in Düsseldorf.

Literatur und Links:

Aufderheide, U., C. Peters, K. Mody & H. Marxen-Drewes (1924): Zukunfts- oder Klimabäume: Wie gut sind die Arten zur Förderung der Biodiversität geeignet? Naturschutz und Landschaftsplanung, 56 (8): 14-23.  DOI: 10.1399/NuL.52180

Bundesamt für Naturschutz: https://neobiota.bfn.de/invasivitaetsbewertung/gefaesspflanzen.html

Małgorzata, S.  Ł. Piechnik & A. Stefanowicz (2020): Invasive red oak (Quercus rubra L.) modifies soil physicochemical properties and forest understory vegetation. – Forest Ecology and Management, Volume 472, https://doi.org/10.1016/j.foreco.2020.118253 https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0378112720310227

https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/klimafolgen-anpassung/anpassung-an-den-klimawandel/anpassung-auf-laenderebene/handlungsfeld-wald-forstwirtschaft

https://baum-des-jahres.de/   und die dazugehörige Baumkönigin

Nachträge aus der Diskussion:

Nieukerken, E. J. van, Doorenweerd, C., Ellis, W. N., Huisman, K. J., Koster, J. C.,
Mey, W., Muus, T. S. T., Schreurs, A. 2012. Bucculatrix ainsliella Murtfeldt, a
new North American invader already widespread in northern red oaks (Quercus
rubra) in Western Europe (Bucculatricidae). Nota Lepidopterologica 35, 135-
159

Sobczyk, T. 2019: Rot-Eiche (Quercus rubra) und phytophage Schmetterlingsarten (Lepidoptera) – ist die Rot-Eiche eine Alternative zu heimischen Eichen-Arten? Naturschutz und Landschaftsplege in Brandenburg 28 (4): 32-29
Vor T.; Spellmann H.; Bolte A.; Ammer C. 2015: Potenziale und Risiken eingeführter Baumarten, Band 7, Göttinger Forstwissenschaften, Universitätsverlag Göttingen, S.219-267

 

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Raupen des Ölbaum-Zünslers an Liguster – eine unbemerkte Invasion?

Raupe von Palpita vitrealis an Liguster, 1. Oktober 2024, Gransdorf (Rheinland-Pfalz). Foto: Alexander Franzen

Der Ölbaum-Zünsler – Palpita vitrealis (ROSSI, 1794) ist aus Zentral- und Nord-Europa als sporadischer Irrgast bereits seit dem 19. Jahrhundert bekannt. Seit der Jahrtausendwende wird er in Deutschland vermehrt beobachtet, zuletzt alljährlich. Kann sich die Art hier erfolgreich etablieren?

Palpita vitrealis (Synonym: Palpita unionalis) ist kosmopolitisch verbreitet, den Kern seines Areals bilden die Subtropen der Alten Welt. Die Raupen der ernähren sich von den Blättern verschiedener Ölbaumgewächse (Oleaceae) und treten in Ölbaum- und Jasmin-Kulturen als ökonomisch relevante Schädlinge in Erscheinung.

In Europa gilt P. vitrealis lediglich in küstennahen Gebieten des mediterranen Südens als bodenständig, beispielsweise in Andalusien. Dort können die weiß-transparenten Falter ganzjährig beobachtet werden. Im Jahr 2024 wurde P. vitrealis in Deutschland bemerkenswert häufig nachgewiesen, allein auf www.observation.org wurden bis Anfang Oktober mehr als 200 Beobachtungen aus 13 Bundesländern dokumentiert.

Über die Ursachen dieser Entwicklung lassen sich – wie so oft – nur Vermutungen anstellen. Denkbar ist, dass die subtropische P. vitrealis im Süden Europas von den vielfach ungewöhnlich milden Wintern und heißen Sommern der letzten Jahre profitiert hat, weshalb sich möglicherweise mehr Falter auf den Weg nach Norden machen (können) als dies früher der Fall war. Wetterlagen, die den Einflug mediterraner Wanderfalter begünstigen, sind allerdings nicht signifikant häufiger geworden, als sie es früher waren. Auch koinzidiert das Auftreten des Falters in Deutschland zwar oft, aber eben nicht immer mit solchen Wetterlagen.

Raupe von Palpita vitrealis an Liguster, 1. Oktober 2024, Gransdorf (Rheinland-Pfalz). Foto: Alexander Franzen

Fakt ist jedoch auch, dass immer wieder Eier, Raupen, Puppen oder Falter eingeschleppt werden. Insbesondere der Ölbaum, die bevorzugte Nahrungspflanze der Raupen, wird im Süden im großen Stil für den Export kultiviert und erfreut sich hierzulande einer wachsenden Beliebtheit. In Gartencentern, Baumärkten und selbst beim Discounter werden Olivenbäume vertrieben, mit und ohne tierische Untermieter. Effekte des Klimawandels wie auch die zunehmende Verschleppung durch den Handel mit mediterranen Gehölzen sind jedoch letztendlich nur zwei der vielen Faktoren, die in Prozessen wie diesem eine Rolle spielen können.

Von einer beginnenden festen Etablierung des Ölbaum-Zünslers in Deutschland ist vorerst nicht auszugehen, denn kein Entwicklungsstadium von P. vitrealis ist in der Lage anhaltende winterliche Kälte und Frost zu überdauern. Bisher liegen keine Hinweise auf erfolgreiche Überwinterungen vor, Imagines wurden in Deutschland ausschließlich in den Monaten Juni bis November beobachtet. Aus dem atlantischen Westen Europas sind ebenfalls keine Freiland-Nachweise aus dem Frühling bekannt; selbst im mediterranen Süd-Frankreich ist dies die Ausnahme.

Da ein permanentes Vorkommen also (noch) ausgeschlossen werden kann, die Anzahl der aktuellen Nachweise durch Einflug- und Einschleppungs-Ereignisse aber nicht zufriedenstellend zu erklären ist, wirft die derzeit zu beobachtende Invasion der Ölbaum-Zünsler weiterhin Rätsel auf – zumal aus Deutschland bislang keine Freiland-Nachweise von Eiern oder Raupen bekannt waren.

Dies änderte sich erst vor einigen Wochen, als Annette von Scholley-Pfab in München-Gern mehrere Falter von P. vitrealis bei der Ei-Ablage an Liguster beobachtete und im Lepiforum über eine erfolgreiche ex larva-Zucht berichtete. Obwohl der zu den Ölbaumgewächsen (Oleaceae) zählende Gewöhnliche Liguster (Ligustrum vulgare) als Nahrungspflanze des Ölbaum-Zünslers hinreichend bekannt ist, wurde die Suche nach den Raupen von Palpita vitrealis an dieser Pflanze bisher offenbar vernachlässigt. Vom genannten Beitrag im Lepiforum inspiriert stattete ich am 1. Oktober 2024 einigen Liguster-Sträuchern, die im Zuge des Baus der Autobahn A60 bei Gransdorf (Rheinland-Pfalz) gepflanzt wurden, einen Besuch ab. Fraß-Spuren, verlassene Gespinste und schwarze Kot-Krümel verrieten bereits auf den ersten Blick, dass hier Raupen am Werk waren. In einem zusammengerollten Blatt fand ich schließlich die etwa 20mm lange, charakteristisch blaugrün gefärbte Raupe von P. vitrealis. Die überwiegend nachtaktive Raupe verließ ihr in einem zusammengerollten Blatt angelegtes Gespinst nur zur Nahrungsaufnahme (die gereichten Liguster-Blätter wurden regelrecht skelettiert!) und verpuppte sich in der Nacht zum 5. Oktober 2024.

Der Gewöhnliche Liguster (Ligustrum vulgare) ist im größten Teil Deutschlands heimisch und ähnlich wie der Ovalblättrige Liguster (Ligustrum ovalifolium) eine beliebte Gartenpflanze – und möglicherweise ein Teil der Lösung des Rätsels um die alljährliche Ölbaum-Zünsler-Flut: Sollten sich die Nachkommen eingeflogener oder eingeschleppter Falter hierzulande nicht nur ausnahmsweise an Liguster entwickeln (was erst durch weitere Beobachtungen abgesichert werden sollte!), ist das gehäufte Auftreten von Palpita vitrealis wenig erstaunlich: Liguster-Sträucher stehen anders als Ölbaum oder Jasmin flächendeckend und in geradezu unbegrenzter Anzahl zur Verfügung.

Starker Anstieg der Nachweise von Palpita vitrealis in Deutschland, Stand 10. Oktober 2024
Quelle: Observation International © 2024

Da die Entwicklung vom Ei zur Imago unter optimalen Bedingungen innerhalb von nur drei bis vier Wochen abgeschlossen werden kann, werden möglicherweise sogar mehrere Generationen ausgebildet, solange die Witterung dies zulässt. Falls sich diese Vermutung bestätigen sollte, handelt es sich bei Palpita vitrealis anders als bisher vermutet nicht nur um einen gelegentlichen Einwanderer, sondern um einen Vermehrungsgast.

Link:
Palpita vitrealis, Bilder und Verbreitungskarte bei PlantwisePlus Knowledge Bank

 

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Beobachtungen des Labkrautschwärmers Hyles gallii beim Tagebau Inden

Lebensräume für wärmeliebende Arten – dafür sind die Braunkohlereviere im Rheinland bekannt. Die trockenen und sonnigen Standorte sind ein lohnendes Ziel für die Suche nach Schwalbenschwanz, Mauerfuchs und Co. Dabei stöberten wir Mitte August 2024 unverhofft einen ruhenden Labkrautschwärmer in der trockenen Staudenvegetation auf, und ein paar Tage später fand sich dort auch die Raupe.

Wärmeliebende Insekten zählten zu den Zielarten, die uns im Spätsommer 2024 regelmäßig an den Rand des Braunkohletagebaus Inden im Kreis Düren führten. Neben den bereits erwähnten Falterarten ist z.B. auch die Kleine Zangenlibelle in den dortigen Gewässern zuhause. Und es gibt immer wieder neue Überraschungen, wie den Vermehrungsnachweis des Labkrautschwärmers Hyles gallii. Wir fanden den Falter, beobachteten wie sich die Raupe eingrub, und dokumentierten die Entwicklung der Puppe in den folgenden 19 Tagen.

Tag 0: Die Raupe gräbt sich ein

Am 26. August, neun Tage nach der Begegnung mit dem Falter, hörten wir ein paar dutzend Meter von seinem Fundort entfernt ein leises Rascheln in der Vegetation. Der Urheber fand sich schnell: eine dicke Raupe des Labkrautschwärmers. Emsig und für uns scheinbar ziellos lief sie kreuz und quer über den steinigen und spärlich bewachsenen bis nackten Boden.

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